Mit Urteil vom 14. März 2025 (Az. V ZR 79/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine praxisrelevante und bislang umstrittene Frage im Zusammenhang mit dem Notwegrecht gemäß § 917 BGB geklärt: Das gesetzliche Wegerecht eines Grundstückseigentümers umfasst grundsätzlich auch die Befugnis, mit einem Kraftfahrzeug über das Nachbargrundstück zu fahren, um auf dem eigenen Grundstück zu parken.
Hintergrund: Der „gefangene“ Grundstückseigentümer
Das Notwegrecht gewährt einem Eigentümer dann ein Wegerecht über benachbarte Grundstücke, wenn sein Grundstück keine ausreichende Verbindung zu einem öffentlichen Weg aufweist und auf andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreichbar ist. Im zugrunde liegenden Fall betraf dies eine vermietete Doppelhaushälfte, die nur über das Grundstück des Nachbarn zugänglich war. Die Parteien waren sich zwar über das Bestehen eines Notwegrechts einig – nicht jedoch über dessen Umfang.
Streitpunkt: Dient das Notwegrecht auch dem Parken?
Der Nachbar wehrte sich dagegen, dass die Mieter des „gefangenen“ Grundstücks ihr Fahrzeug zum bloßen Parken über sein Grundstück führen durften. Seiner Ansicht nach sei das Notwegrecht auf das unbedingt Erforderliche beschränkt – das Parken gehöre nicht dazu, es sei denn, es diene etwa dem Be- oder Entladen schwerer Gegenstände. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig bestätigte diese Sichtweise (Urt. v. 04.04.2024, Az. 11 U 112/23) und schloss das Parken grundsätzlich vom Umfang des Notwegrechts aus.
Entscheidung des BGH: Parken ist umfasst
Der BGH widersprach dieser restriktiven Auslegung und stellte klar: Die Nutzung eines Notwegs mit einem Kraftfahrzeug zur Zufahrt auf das eigene Grundstück schließt das Parken auf diesem Grundstück mit ein. Entscheidend sei allein, dass das Überqueren des Nachbargrundstücks erforderlich ist, um das eigene Wohngrundstück zu erreichen. Auf den konkreten Zweck – ob Entladen oder bloßes Abstellen – komme es hingegen nicht an.
Der BGH führte aus, dass es nicht praktikabel sei, zwischen verschiedenen Nutzungszwecken der Zufahrt zu differenzieren. Eine solche Differenzierung würde zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und rechtlicher Unsicherheit führen. Der äußere Ablauf einer Fahrt lasse in der Regel nicht erkennen, ob diese dem Entladen oder nur dem Parken diene. Zudem sei unklar, welche Gegenstände als „schwer“ genug gelten, um eine Überfahrt zu rechtfertigen.
Praktische Konsequenzen: Erleichterung mit Preis
Das Urteil des BGH schafft Klarheit für Eigentümer sogenannter „gefangener Grundstücke“ und stärkt deren Rechte spürbar. Diese können nun mit dem Kraftfahrzeug auf das eigene Grundstück fahren und dort auch parken, ohne befürchten zu müssen, gegen das Notwegrecht zu verstoßen.
Allerdings hat diese Erweiterung auch finanzielle Folgen: Die Duldungspflicht des Nachbarn für eine intensivere Nutzung führt regelmäßig zu einer höheren Notwegrente. Im konkreten Fall wurde diese von 267 Euro auf 313 Euro erhöht.
Bedeutung für die Praxis
Mit seiner Entscheidung hat der BGH nicht nur die bisher uneinheitliche Rechtsprechung – auch innerhalb desselben OLG – beendet, sondern einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet. Gerade in dicht besiedelten oder topografisch schwierigen Gebieten, in denen Notwegrechte häufig vorkommen, schafft das Urteil eine klare Linie: Ist die Zufahrt mit dem Kraftfahrzeug zulässig, ist auch das Parken auf dem eigenen Grundstück vom Notwegrecht gedeckt.