Kündigungsschutzgesetz: 3 Unternehmen = 1 Betrieb, Kündigungsschutz besteht

16. Januar 2025 -

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 10.01.2025 zum Aktenzeichen 19 Ca 4971/24 in einem vom Fachanwalt für Arbeitsrecht Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. von der Kölner kanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass das Kündigungsschutzgesetz bei drei Unternehmen, die einen Betrieb bilden, anwendbar ist.

Die Klägerin ist bei einem Steuerberater beschäftigt. Der Steuerberater betreibt zusätzlich eine Steuerberatungs-GmbH als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer und eine Steuerberatungs-GbR, Gesellschafter der GbR sind der Steuerberater persönlich und die Steuerberatungs-GmbH.

Alle drei Gesellschaften haben dieselbe Postanschrift. Die GbR nutzt Räumlichkeiten im Erdgeschoss. Hier befindet sich auch das Sekretariat für alle drei Kanzleien. Die Telefonzentrale wird zusammen benutzt, ebenso wie das Programm DATEV. Das im Erdgeschoss befindliche Besprechungszimmer wird von allen drei Unternehmen genutzt, ebenso wie die Sanitär- und Küchenräume. Buchhaltungsarbeiten für die GmbH werden zum Teil von Mitarbeitern der GmbH ausgeführt. Die Mitarbeiter des Steuerberaters arbeiten im ersten Obergeschoss.

Das Kündigungsschutzgesetz ist zunächst anwendbar. Zwischen den Steuerkanzleien des Beklagten besteht ein Gemeinschaftsbetrieb, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt werden.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des KSchG mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden. Dies gilt für das Betriebsverfassungsrecht (BAG vom 14.09.1988, 7 ABR 10/87; vom 18.04.1989, 1 ABR 97/87, zit. nach juris) ebenso wie für das Kündigungsschutzgesetz (BAG vom 18.01.1990, 2 AZR 355/89 m.w.N., zit. nach juris).
Für den Geltungsbereich der betriebsverfassungsrechtlichen wie der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften ist das Bundesarbeitsgericht dabei übereinstimmend vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ausgegangen. Danach ist als Betrieb die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheitlichkeit der arbeits-technischen Zweckbestimmung an. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen oder immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, so müssen die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden sein. Eine dahingehende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich auch aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, so deutet dies regelmäßig darauf hin, dass eine Führungsvereinbarung vorliegt (BAG vom 01.06.2023, 2 AZR 150/22; vom 20.05.2021, 2 AZR 560/20, juris).

Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Kündigungsschutzgesetz im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG eröffnet ist. Da der Arbeitnehmer jedoch in der Regel keine oder nur eine ungenaue Kenntnis über die Strukturen und Verhältnisse in der Belegschaft hat, geht das Bundesarbeits-gericht in ständiger Rechtsprechung von einer abgestuften Darlegungslast und Beweislast nach dem Prinzip der Sachnähe und des Sphärengedankens aus (BAG vom 23.03.1984, 7 AZR 515/82; vom 18.01.1990, 2 AZR 355/89; vom 24.02.2005, 2 AZR 373/03; vom 15.03.2001, 2 AZR 151/00; vom 26.06.2008, 2 AZR 264/07; vom 23.10.2008, 2 AZR 131/07; vom 02.03.2017, 2 AZR 427/16; LAG Hamm vom 03.04.1997, 4 Sa 693/96; LAG Schleswig-Holstein vom 18.06.2008, 6 Sa 4/08, jeweils zit. nach juris; Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, 6. Aufl. 2021, KSchG § 23 Rn. 84). Der Arbeitnehmer hat danach den Sachverhalt vorzutragen, der sich aufgrund der ihm bekannten Umstände aus seiner Sicht im Hinblick auf Arbeitnehmerzahl und Betriebszugehörigkeit ergibt, d.h. insbesondere, dass im Kündigungszeitpunkt eine die Schwellenzahl überschreitende Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt worden ist. Der Arbeit-geber hat gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dazu im Einzelnen und substantiiert zu erläutern, welche Umstände gegen das Erreichen bzw. Überschreiten der Schwellenzahl sprechen, etwa, dass eine bestimmte Anzahl Beschäftigter im Kündigungszeitpunkt nicht repräsentativ ist oder dass Teilzeit– und nicht Vollzeitbeschäftigte vorhanden sind (Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, 6. Aufl. 2021, KSchG § 23 Rn. 84 m.w.N). Etwa verbleibende Zweifel gehen allerdings zu Lasten des Arbeitnehmers.

Gleiches gilt im Hinblick auf das Vorliegen eines von mehreren Unternehmen geführten gemeinsamen Betriebes. Da der Arbeitnehmer in der Regel keine oder nur ungenaue Kenntnisse von dem Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen hat, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen an seine Darlegungslast gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn er die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen rechtlich über die Führung eines gemeinsamen Betriebes geeinigt haben und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb der organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen Leitungsapparat fortgesetzt verfolgen. Vorliegend hat die Klägerin hinreichend dazu vorgetragen, dass die drei Steuerkanzleien des Beklagten einen Gemeinschaftsbetrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bilden.

Unstreitig ist, dass alle drei Unternehmen personenidentisch ausschließlich vom Beklagten geführt werden und dass zusammengerechnet mehr als zehn Beschäftigte vorhanden sind. Fünf der sechs Beschäftigten der GbR werden auch vom Beklagten zu beschäftigt. Die drei Unternehmen teilen sich zudem wesentliche Betriebsmittel: Sekretariat, Besprechungsraum, Telefonanlage und EDV-System, Küche und Sanitäranlagen. Zudem hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass Buchhaltungsarbeiten für die GmbH von Mitarbeiterinnen der GbR ausgeführt werden. Letztlich hat die Prozessführung des Beklagten gezeigt, dass eine klare Aufgabentrennung zwischen dem Beklagten und den übrigen Beklagten (GbR / GmbH) nicht stattfindet. In der Klageerwiderung des Beklagten spricht dieser immer wieder – auch – für die GbR und GmbH und trennt bei der Aufgabendarstellung der Klägerin nicht zwischen Aufgaben für den Beklagten und die GbR. Dass es eine solche Vermischung der Aufgabenwahrnehmung unter der einheitlichen Leitung des Beklagten nicht gegeben hätte, hätte der Beklagte bzw. hätten beide Beklagten im zweiten Schritt der geschilderten abgestuften Darlegungs- und Beweislast darlegen müssen, was nicht geschehen ist.