Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 19.09.2024 zum Aktenzeichen 5 Ta 82/24 entschieden, dass die kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Vergleichsschluss nach Verkündung eines streitigen Urteils erfolgt.
Die Klage auf Vergütung ist durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 12.01.2024 abgewiesen worden. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden. Die Urteilsbegründung ist beiden Parteien am 02.02.2024 zugestellt worden. Am 05.02.2024 hat das Arbeitsgericht dem Kläger EUR als Verfahrensgebühr in Rechnung gestellt. Am 08.03.2024 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass ein Vergleich zwischen den Parteien zustande gekommen ist (§ 278 Abs. 6 ZPO). In Ziffer 3 des Vergleichs ist festgelegt, dass der Kläger die Gerichtskosten trägt.
Gegen die Gerichtskostenrechnung vom 05.02.2024 hat der Kläger Erinnerung eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, es komme die kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG zur Anwendung, weil das Verfahren durch den Vergleich beendet worden sei. Das Arbeitsgericht hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthaft, da der Beschwerdewert 200,00 EUR übersteigt. Das Rechtsmittel ist unbefristet.
Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Beklagten ist zu Recht die Verfahrensgebühr i H v 898 EUR in Rechnung gestellt worden. Die kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG kommt nicht zur Anwendung. Das Verfahren ist im gebührenrechtlichen Sinn durch das Urteil, nicht aber durch den Vergleich beendet worden.
Es ist allerdings streitig, ob für die Anwendung der Vorbemerkung 8 KV GKG auch gerichtliche Vergleiche genügen, die nach der Verkündung eines Urteils, jedoch vor dem Eintritt der Rechtskraft desselben oder der Einlegung eines Rechtsmittels geschlossen werden. Die wohl überwiegende Auffassung nimmt an, dass in dieser Konstellation keine Gebühr anfalle (LAG Nürnberg 03.06.2022 – 8 Ta 33/22 – Rn. 14; LAG Düsseldorf 05.02.2020 – 13 Ta 96/19; LAG Hamm 07.12.2010 – 6 Ta 486/10; Roloff NZA 2007, 900, 909 f.; wie hier dagegen LAG Hessen 31.08.2011 – Rn. 12).
Zur Begründung dieser Auffassung wird darauf verwiesen, dass im Kostenrecht gesondert zu bestimmen sei, wann „eine Beendigung des Verfahrens“ vorliege. Das Verfahren könne im kostenrechtlichen Sinn auch dann noch nicht beendet sein, wenn ein Urteil verkündet worden sei. Der Systematik der gesetzlichen Regelung sei zu entnehmen, dass für den Begriff der „Beendigung des Verfahrens“ nicht stets auf die Fälligkeitsbestimmungen des GKG abzustellen sei. Nr. 8211 Ziffer 2 KV GKG ermäßige sich u. a. dann die Gebühr, wenn eine „Beendigung des gesamten Verfahrens“ durch ein Urteil vorliege, das nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalte. Nach § 313a Abs. 3 ZPO könne der insoweit erforderliche Verzicht der Parteien auch noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung des Termins erklärt werden, in dem das Urteil verkündet worden sei. Insoweit bedeute also die Verkündung des Urteils keine zeitliche Zäsur für das Eingreifen der Regelung zur Gebührenprivilegierung. Die Regelung der Nr. 8211 Ziffer 2 KV GKG verdeutliche vielmehr, dass auch noch nach dem Eintritt der Fälligkeit der Vergütung Änderungen der Gebührenhöhe eintreten können. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb dies trotz der im Wesentlichen selben Wendung bei der Vorbemerkung 8 KV GKG anders sein soll. Der Gebührenwegfall bei Abschluss eines Vergleichs sei mit der Vorbemerkung „vor die Klammer“ gezogen werden. Die Regelung zeitlich enger einzugrenzen als die nachfolgenden Regelungen erscheine inkonsequent und widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, den Abschluss eines Vergleichs in größerem Maß zu belohnen als die anderen in der Nr. 8211 KV GKG aufgeführten Tatbestände (vgl. LAG Düsseldorf 05.02.2020 – 13 Ta 96/19 – Rn. 10).
Für die Gebührenprivilegierung spreche auch der Sinn und Zweck der Vorbemerkung 8 KV GKG. Ihr Sinn und Zweck erschöpfe sich nicht darin, eine für das Gericht eintretende Arbeitsersparnis zu honorieren. Vielmehr verfolge der Gesetzgeber mit der Regelung vordringlich aus sozialpolitischen Gründen das Anliegen, eine Verständigung zwischen den Parteien in besonderer Weise gebührenrechtlich zu fördern. Dieser Gesichtspunkt beanspruche auch dann Geltung, wenn der Vergleich nach Verkündung eines Urteils geschlossen werde (LAG Nürnberg 03.06.2022 – 8 Ta 33/22 – Rn. 17; LAG Düsseldorf 05.02.2020 – 13 Ta 96/19 – Rn. 15).
Die Beschwerdekammer teilt diese Auffassung nicht. Die kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Vergleichsschluss nach Verkündung eines streitigen Urteils erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vergleichsschluss vor oder nach Zustellung des vollständig abgefassten Urteils erfolgt ist. Dies folgt schon daraus, dass ein verkündetes streitiges Urteil auch dann zu begründen ist, wenn die Parteien später einen Vergleich schließen, wenn die Voraussetzungen des § 313a ZPO nicht vorliegen. In diesem Fall ermäßigt sich die Gebühr 8210 KV GKG, entfällt aber nicht vollständig. Dies bedarf vorliegend keiner Vertiefung, weil das vollständig abgefasste Urteil bereits zugestellt war, als sich die Parteien auf einen Vergleich geeinigt hatten.
Maßgeblich für die Erhebung der Gebühr Nr. 8210 KV GKG bei einem Vergleichsschluss nach Verkündung eines streitigen Urteils ist, dass das Verfahren im gebührenrechtlichen Sinn durch das Urteil, nicht aber durch den Vergleich beendet worden ist.
Es trifft selbstverständlich zu, dass das Verfahren mit der Verkündung und auch mit der Zustellung der Urteilsbegründung im zivilprozessualen Sinn nicht beendet ist. Im zivilprozessualen Sinn ist das Verfahren nach einem streitigen Urteil beendet, wenn entweder die Rechtsmittelfrist abgelaufen oder ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Kostenrechtlich ist das Verfahren früher beendet. Die Beendigung tritt immer dann ein, wenn das streitige (Hauptsache-) Verfahren von den Parteien in dieser Instanz nicht mehr fortgeführt werden kann und das Arbeitsgericht nicht mehr in der Sache tätig werden muss (so auch LAG Nürnberg 03.06.2022 – 8 Ta 33/22 – Rn. 18). Dann werden die Gebühren fällig (§§ 6 Abs. 3, 9 GKG). Die Gebühren können bei einem streitigen Urteil unmittelbar nach dessen Verkündung erhoben werden.
Für dieses Verständnis des Begriffs der „Beendigung des Verfahrens“ spricht der Wortlaut der Bestimmungen der Vorbemerkung 8 KV GKG. Danach entsteht eine Gebühr mit der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 8210 KV GKG (so auch LAG Nürnberg 03.06.2022 – 8 Ta 33/22 – Rn. 16). Nur ausnahmsweise entfällt die Gebühr. Dies gilt nach der Vorbemerkung 8 KV GKG zum einen dann, wenn das Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet wird. Zum anderen kann sich die Gebühr ermäßigen oder ganz entfallen, wenn einer der in Nr. 8210 bzw. 8211 GKG aufgeführten Tatbestände gegeben ist. Diese Regelungen zum Entfall bzw. zur Reduzierung der Gebühr sind abschließend.
Das Verfahren ist im gebührenrechtlichen Sinn durch das Urteil beendet worden. Es wird auch von der Gegenauffassung nicht in Abrede gestellt, dass das Verfahren zunächst durch die Verkündung des streitigen Urteils beendet worden ist und die Gebühren zunächst fällig waren. Nach Auffassung der Beschwerdekammer kann ein bereits beendetes Verfahren nicht nochmals beendet werden (so auch Roloff NZA 2007, 900, 909). Es kann auch nicht angenommen werden, dass praktisch eine „überholende Kausalität“ dergestalt eintritt, dass der Vergleich als allein relevanter Grund für die Beendigung des Verfahrens anzusehen ist. Der Vergleich wird nicht in jedem Fall kostenrechtlich privilegiert, sondern nur dann, wenn durch ihn das Verfahren beendet worden ist. Dies ist gerade nicht der Fall.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des LAG Düsseldorf (05.02.2020 – 13 Ta 96/19 – Rn. 10) nicht aus Nr. 8211 Ziffer 2 KV GKG. Zwar trifft es zu, dass der Verzicht der Parteien auf eine Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe auch noch nach Verkündung eines streitigen Urteils erklärt werden kann (§ 313a Abs. 3 ZPO). Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Verfahren im kostenrechtlichen Sinn mit der Verkündung des Urteils beendet worden ist und bleibt. Die Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass eine Kostenprivilegierung ausnahmsweise auch nach der Beendigung des Verfahrens bewirkt werden kann. Für den Vergleich fehlt es dagegen an einer gesetzlichen Regelung, die es erlauben würde, ausnahmsweise von dem Wegfall der Gebühren nach der bereits eingetretenen anderweitigen Beendigung des Verfahrens auszugehen.
Der Sinn und Zweck der Vorschrift spricht ebenfalls dafür, in diesen Fällen nicht von einem Wegfall der Gebühren auszugehen. Die Kammer stimmt im Ausgangspunkt dem Hinweis der Gegenauffassung zu, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in der Vorbemerkung 8 KV GKG das Anliegen verfolgt, „aus sozialpolitischen Gründen eine Verständigung zwischen den Parteien in besonderer Weise gebührenrechtlich zu fördern“ (LAG Düsseldorf 05.02.2020 – 13 Ta 96/19 – Rn. 15).
Darin erschöpft sich der Sinn und Zweck jedoch nicht. Sowohl die Vorbemerkung 8 KV GKG als auch Nr. 8210 KV GKG lassen erkennen, dass auch das Anliegen verfolgt wird, einen Anreiz dafür zu schaffen, die Ressourcen der Arbeitsgerichte so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen. Allen Fällen der Gebührenprivilegierung ist gemeinsam, dass sie eintreten, wenn das Gericht nicht gehalten ist, eine Begründung seiner verfahrensbeendenden Entscheidung vorzunehmen. Dies wird an dem geschilderten Fall besonders deutlich, in dem die Parteien nach Verkündung des streitigen Urteils den Verzicht nach § 313a ZPO erklären.
Ein weiterer Gesichtspunkt tritt hinzu. Die in der Vorbemerkung 8 KV GKG getroffene Regelung lässt erkennen, dass der Abschluss eines Vergleichs nicht bedingungslos kostenrechtlich privilegiert wird. Vielmehr setzt eine kostenrechtliche Privilegierung voraus, dass das Verfahren durch den Vergleich beendet worden ist.
Danach war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Kläger zu Recht in Rechnung gestellt worden, weil das Verfahren nicht durch den Vergleich, sondern durch das streitige Urteil beendet worden ist.