Verfassungsbeschwerden von Dolmetscherinnen und einer Übersetzerin gegen Voraussetzungen für allgemeine Beeidigung

19. Dezember 2024 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschlüssen vom 20.11.2024 zu den Aktenzeichen 1 BvR 225/24 und 1 BvR 105/24 zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die die Voraussetzungen für eine Berufung auf eine allgemeine Beeidigung als Dolmetscherin oder Übersetzerin betreffen.

Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 112/2024 vom 19.12.2024 ergibt sich:

Ab dem 1. Januar 2027 können sich Dolmetscher aufgrund einer Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vor Gericht nicht mehr auf eine allgemeine Beeidigung nach landesrechtlichen Vorschriften berufen, sondern nur noch auf eine allgemeine Beeidigung nach dem Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern (Gerichtsdolmetschergesetz). Für die allgemeine Beeidigung ist dann immer eine Dolmetscherprüfung erforderlich, die landesrechtliche Regelungen bisher nicht vorsahen. Das Saarländische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (SAG GVG) erstreckt die Geltung der Anforderungen für eine allgemeine Beeidigung nach dem Gerichtsdolmetschergesetz auf Übersetzer.

Die unmittelbar gegen die Regelungen gerichteten Verfassungsbeschwerden mehrerer Dolmetscherinnen und einer Übersetzerin sind unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben bereits nicht dargelegt, den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde beachtet zu haben. Sie haben überwiegend nicht vorgetragen, überhaupt einen Antrag zur Erlangung einer behördlichen Entscheidung über eine allgemeine Beeidigung nach der neuen Gesetzesfassung gestellt zu haben. Soweit sie ihn gestellt haben, haben sie nicht vorgetragen, den Rechtsweg gegen eine ablehnende Entscheidung erschöpft zu haben. Außerdem fehlt es an hinreichendem Vortrag zur unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen sowie der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerinnen des Verfahrens 1 BvR 225/24 sind jeweils nach bisherigem Landesrecht allgemein beeidigte Dolmetscherinnen mit unterschiedlichen Qualifikationen. Sie wenden sich gegen Neuregelungen zu den Voraussetzungen einer Berufung auf eine allgemeine Beeidigung als Dolmetscherinnen vor Gericht. Ab dem 1. Januar 2027 können sich Dolmetscher anders als bisher vor Gericht nicht mehr auf eine allgemeine Beeidigung nach landesrechtlichen Vorschriften berufen, sondern nur noch auf eine allgemeine Beeidigung nach dem Gerichtsdolmetschergesetz. Dieses sieht für die allgemeine Beeidigung insbesondere das Erfordernis einer Dolmetscherprüfung vor, das nach dem bisher für die Beschwerdeführerinnen maßgeblichen Landesrecht nicht galt.

Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 105/24 ist allgemein beeidigte Übersetzerin. Sie wendet sich gegen eine Neuregelung des SAG GVG, die die Regelungen des Gerichtsdolmetschergesetzes zur allgemeinen Beeidigung auf Übersetzer erstreckt. Somit kann sich die Beschwerdeführerin zukünftig nicht mehr auf ihre nach saarländischem Recht erteilte allgemeine Beeidigung berufen, sondern muss bundesrechtliche Anforderungen erfüllen. Allgemeine Beeidigungen nach saarländischen Vorschriften enden am 31. Dezember 2027.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.

Die Beschwerdeführerinnen beider Verfahren haben bereits nicht dargelegt, den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde beachtet zu haben. Dieser verlangt, alle Mittel zu nutzen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können.

Die Beschwerdeführerinnen haben überwiegend schon nicht vorgetragen, überhaupt einen Antrag zur Erlangung einer behördlichen Entscheidung über eine allgemeine Beeidigung nach der neuen Gesetzesfassung gestellt zu haben. Soweit sie ihn gestellt haben, haben sie jedenfalls nicht vorgetragen, den Rechtsweg gegen eine ablehnende Entscheidung vor den Fachgerichten erschöpft zu haben. Sie haben auch nicht dargelegt, dass die Beschreitung des fachgerichtlichen Rechtswegs nach einer behördlichen Entscheidung in ihrem Fall nicht zumutbar sei oder eine andere Ausnahme von der Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte bestehe. Schon die Frage, ob im Fall der bisher nach Landesrecht allgemein beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer eine Verlängerung der allgemeinen Beeidigung oder eine Neuerteilung zu beantragen ist und die dafür maßgeblichen Normen gegebenenfalls verfassungskonformer Auslegung zugänglich sind, ist jedoch fachgerichtlich zu klären. Auch die tatsächlich von den angegriffenen Neuregelungen ausgehenden Belastungen, insbesondere für die als Dolmetscherinnen tätigen Beschwerdeführerinnen, sind bisher in vielerlei Hinsicht unklar und der fachgerichtlichen Aufarbeitung zugänglich. Das gilt etwa hinsichtlich des individuellen Vorbereitungsaufwandes für eine Dolmetscherprüfung unter Berücksichtigung von Vorkenntnissen und Prüfungstiefe, für die Prüfungsinfrastruktur, die mit den Prüfungen einhergehenden Verwaltungsabläufe oder das Vorhandensein und die Kosten von Vorbereitungskursen. Die Beschwerdeführerinnen setzen sich auch mit den Möglichkeiten und der Zumutbarkeit des Eilrechtsschutzes nicht ausreichend auseinander.

Es fehlt auch an hinreichendem Vortrag zur unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen in beiden Verfahren. Sie haben nicht dargelegt, schon jetzt und gerade durch die angegriffenen gesetzlichen Vorschriften und nicht erst durch den mit einem Antrag herbeizuführenden behördlichen Vollzugsakt, auf den es in der Sache ankommt, in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt zu sein.

Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung haben die Beschwerdeführerinnen ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Eine Verletzung der Berufsfreiheit wegen unverhältnismäßiger neuer Berufszugangsregelungen etwa in Form neu eingeführter Prüfungen ist angesichts jahrelanger Berufstätigkeit zwar denkbar. Sie hängt aber von den genauen Antragserfordernissen für eine Beeidigung und gegebenenfalls von den genauen Inhalten einer Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung beziehungsweise den Voraussetzungen für eine Gleichwertigkeitsanerkennung, von den Bewertungsmaßstäben und den vorhandenen Rahmenbedingungen sowie von dem tatsächlichen Vorbereitungsaufwand ab. Hierzu fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung.