Das Landgericht Berlin II hat mit Urteil vom 4. Dezember 2024 zum Aktenzeichen 38 O 160/24 die Räumungsklage der Vermieterin gegen den Mieter – einen Verein – abgewiesen.
Aus der Pressemitteilung des LG Berlin II Nr. 37/2024 vom 05.12.2024 ergibt sich:
Die Kündigung des Mietvertrags sei schon deshalb unwirksam, weil die Vermieterin dem Mieter keine Frist zur Beseitigung möglicher Mängel gesetzt hatte. Auf die Frage, ob das Gebäude zum Zeitpunkt der Kündigung einsturzgefährdet war, komme es daher nicht an.
Hintergrund des Verfahrens ist ein Streit der Mietparteien über den Zustand des Gebäudes.
Die Klägerin und Vermieterin hatte den bis zum Jahr 2037 laufenden Mietvertrag mit dem Beklagten und Mieter im Juni 2023 fristlos gekündigt. Als Gründe für die Kündigung führte sie eine akute Einsturzgefahr des Gebäudes sowie eine grobe Verletzung der dem Beklagten obliegenden Erhaltungspflicht an. Ferner lägen Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, z.B. gegen brandschutzrechtliche Bestimmungen, vor. Der Beklagte hatte die Vorwürfe der Klägerin bestritten.
Das Gericht begründet die Klageabweisung insbesondere damit, dass die Vermieterin dem Mieter unstreitig keine Frist zur Beseitigung der – unterstellten – Einsturzgefahr des Gebäudes gesetzt hat.
Eine solche Fristsetzung sei nur in Ausnahmefällen entbehrlich, etwa wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspricht, oder aus besonderen Gründen nicht weiter abgewartet werden kann. Im vorliegenden Fall sind zwischen der Stellungnahme des Sachverständigen der Vermieterin zum Zustand des Gebäudes und der Kündigung jedoch fünf Monate vergangen. Diese Zeit hätte aus Sicht des Gerichts genutzt werden können, um dem Mieter eine Frist zur Beseitigung einer möglichen Einsturzgefahr zu setzen.
Auch könne nicht unterstellt werden, dass der Mieter keine Maßnahmen gegen die Einsturzgefahr unternommen hätte, wenn ihm die Erforderlichkeit entsprechender Maßnahmen deutlich vor Augen geführt worden wäre. Es ist nicht anzunehmen, dass er bewusst die Gefahr eines Gebäudeeinsturzes ignoriert hätte, weil im Mietobjekt zahlreiche seiner Mitglieder wohnen. Zudem wurde mittlerweile mit Maßnahmen zur Erhaltung der Standsicherheit zumindest begonnen.
Die fristlose Kündigung könne auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften gestützt werden. Im Mietvertrag ist geregelt, dass ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche baurechtliche Vorschriften keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellt. Diese Regelung sei entgegen der Ansicht der Vermieterin auch wirksam, da es Vertragsparteien grundsätzlich freistehe, Kündigungsgründe zu bestimmen oder auszuschließen. Zwar kann eine vertragliche Regelung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sein (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch). Vorliegend sei dies aber nicht der Fall, weil die baurechtlichen Vorschriften zum Schutz von Leib und Leben hierdurch nicht ausgehebelt würden. Der Mieter sei als Nutzer des Mietobjekts weiterhin verpflichtet, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere diejenigen zum Brandschutz, einzuhalten. Anderenfalls könne die zuständige Behörde gegen den Mieter vorgehen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Berufung zum Kammergericht ist möglich.