Das Landgericht Mönchengladbach hat mit Beschlüssen vom 08.08.2019 zu den Aktenzeichen 5 T 35/19 und 5 T 37/19 entschieden, dass Beschwerden gegen die Ingewahrsamnahme zur Identitätsfeststellung nach dem neuen Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen, da die Betroffenen ihre Identität bis zum Ende des Verfahrens nicht bekannt gegeben haben.
Aus der Pressemitteilung des Landgerichts Mönchengladbach vom 08.08.2019 ergibt sich:
Am 09.02.2019 drangen mehrere Personen in das Tagebaugelände Garzweiler ein und versuchten dort, einen Braunkohlebagger zu besetzen. Die hinzugerufene Polizei war nicht in der Lage, ihre Identität festzustellen, da die Betroffenen ihre Fingerkuppen mit Sekundenkleber verklebt hatten und sich weigerten, Angaben zu ihren Personalien zu machen. Die Kreispolizeibehörde Heinsberg beantragte daraufhin die Ingewahrsamnahme der betroffenen Personen zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach den Vorschriften des neuen Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalens für eine Dauer von sieben Tagen.
Das AG Erkelenz ordnete, nachdem die Betroffenen auch in der richterlichen Anhörung keine Angaben zur Person gemacht hatten, am Nachmittag des 09.02.2019 die Ingewahrsamnahme längstens bis zum 14.02.2019, 12:00 Uhr an, da bis dahin zu erwarten sei, dass sich die Verklebungen an den Fingerkuppen gelöst hätten.
Das LG Mönchengladbach hatte über die Beschwerden von vier der in Gewahrsam genommenen Personen entschieden. Die Beschwerden betrafen zwei Personen, die nach Anordnung der Ingewahrsamnahme ihre Personalien mitgeteilt hatten und dann entlassen wurden sowie zwei weitere Personen, die bis zum Ende der vom Gericht angeordneten Dauer im Gewahrsam verblieben sind und deren Identität auch bis heute nicht bekannt ist. Nachdem alle Beschwerden sich durch die zwischenzeitliche Entlassung der Betroffenen erledigt hatten, verfolgten die Betroffenen ihr Anliegen dadurch weiter, dass sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Ingewahrsamnahme beantragt hatten.
Das LG Mönchengladbach hat die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Anträge der auch heute noch unbekannten Betroffenen wurden aus prozessualen Gründen als unzulässig verworfen, da sie anonym erfolgten. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, das deutsche Verfahrensrecht kenne keine anonymen Rechtsmittel. Die Angabe der Personalien eines Beschwerdeführers sei jedenfalls dann unverzichtbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde, wenn der eigentliche Grundrechtseingriff bereits beendet sei. Das Erfordernis der Identifikation der Beschwerdeführer verletzte diese auch nicht in ihrem Recht auf effektiven Rechtschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Die Weigerung, gegenüber einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Amtsträger grundlegendste Angaben zur Person zu machen, stelle nach geltender und verfassungskonformer Rechtslage eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 OWiG dar. Selbst im Strafverfahren sei ein Beschuldigter verpflichtet, entsprechende Angaben zu machen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Landgerichts habe der von den Betroffenen beauftragte Rechtsanwalt erklärt, auch weiterhin keine Angaben zu den Identitäten der Betroffenen zu machen.
Die Anträge der Betroffenen, die im Laufe ihres Gewahrsams ihre Identitäten offenbart haben, hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die Anordnung der Ingewahrsamnahme sei sowohl dem Grunde als auch der Dauer nach gerechtfertigt gewesen. Das Amtsgericht habe im Rahmen der Vorschriften des neuen Polizeigesetzes in zulässiger Weise die Ingewahrsamnahme angeordnet, da von den Betroffenen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen sei. Die Betroffenen hätten absichtlich ihre Fingerkuppen verklebt und Angaben zu ihrer Identität verweigert, um eine Ingewahrsamnahme zu provozieren. Das Verhalten der Betroffenen insbesondere in der gerichtlichen Anhörung habe Anlass für die Annahme gegeben, die Aktion der Betroffenen sei gerade darauf angelegt, eine gerichtliche Entscheidung über die neuen Regelungen des Polizeigesetzes NRW zur Ingewahrsamnahme zu provozieren. Alle Betroffenen seien von demselben Rechtsanwalt vertreten worden, mit dem sie zur telefonischen Kommunikation namensersetzende Nummern abgesprochen hatten, damit dieser sie identifizieren konnte. Im Falle einer Entlassung sei zu erwarten gewesen, dass die Betroffenen, ohne dass ihnen gegenüber ein polizeiliches Betretensverbot hätte ausgesprochen werden können, erneut das Tagebaugelände betreten, was den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfülle.
Die vom Amtsgericht angeordnete Dauer der Ingewahrsamnahme, mit der das Amtsgericht die gesetzliche Höchstdauer nicht ausgeschöpft hatte, sei nicht zu beanstanden. Die Dauer habe sich prognostisch daran orientiert, wann mit der Ablösung des Sekundenklebers an den Fingern zu rechnen sei, um die Abnahme von Fingerabdrücken zu ermöglichen. Die Dauer sei auch deshalb nicht unverhältnismäßig, da es den Betroffenen jederzeit möglich gewesen sei, durch Angaben zu ihrer Identität und einen geeigneten Nachweis ihre Freilassung herbeizuführen. Die Polizei habe auch, nachdem die Betroffenen ihre Namen mitgeteilt hatten, bis zur Entlassung auf die Vorlage eines geeigneten Dokuments zum Nachweis der Richtigkeit der Angaben warten dürfen.
Von den Betroffenen geäußerte Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der hier wohl erstmals zur Anwendung gekommenen Regelung des § 38 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 Polizeigesetz NRW teile das Landgericht nicht. Dabei verwies es insbesondere darauf, dass das Polizeigesetz eine über zwölf Stunden hinausgehende Ingewahrsamnahme zur Identitätsfeststellung nur in Fällen vorsehe, in denen die Identitätsfeststellung vorsätzlich verhindert werde.