Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat am 01.10.2024 zum Aktenzeichen 4 A 357/21 entschieden, dass Nebenbestimmungen zu Bewilligungsbescheiden über die Corona-Soforthilfen in NRW nicht isoliert aufgehoben werden dürfen. Entsprechende Nebenbestimmungen waren nach Mitteilung des Landes NRW sämtlichen von März bis Mai 2020 erlassenen etwa 430.000 Bewilligungsbescheiden über NRW-Soforthilfen 2020 beigefügt.
Aus der Pressemitteilung des OVG NRW vom 01.10.2024 ergibt sich:
Die Bezirksregierung Düsseldorf bewilligte der seinerzeit noch in Düsseldorf ansässigen Klägerin für ihren Handwerksbetrieb Ende März 2020 eine NRW-Soforthilfe 2020 in Höhe von 9.000,00 Euro. Im Bewilligungsbescheid finden sich unter „II. Nebenbestimmungen“ insgesamt acht als solche bezeichnete Nebenbestimmungen, gegen die sich die Klägerin mit ihrer Klage in erster Instanz erfolglos gewandt hat.
Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat die Berufung, die noch den Großteil der Nebenbestimmungen betrifft, zurückgewiesen. In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende ausgeführt:
Die Klägerin kann nicht verlangen, dass die Nebenbestimmungen aufgehoben werden und sie so die Bewilligung ohne diese Bestimmungen erhält. Sie hat hierauf keinen Anspruch. Auch könnte die Bewilligung nicht rechtmäßigerweise ohne die angegriffenen Bestimmungen bestehen bleiben. Die Rechtsordnung erlaubt die – nur in NRW erfolgte – Zuwendungsgewährung in Höhe des Höchstfördersatzes jedenfalls nicht ohne die angefochtenen und noch streitgegenständlichen Bestimmungen. Diese sollten sicherstellen, dass die zunächst pauschal gewährten Soforthilfen den Unternehmen nur in dem Umfang verbleiben, in dem sie nach der ausschließlichen und von der EU-Kommission verbindlich vorgegebenen Zweckbindung erforderlich waren, und überzahlte oder anderweitig erstattete Beträge zurückgezahlt werden. Sie alle haben den Zweck, die engen Vorgaben der von der EU-Kommission genehmigten Bundesregelung Kleinbeihilfen einzuhalten. Wird eine von ihnen gestrichen, wäre deren Einhaltung nicht mehr sichergestellt, so dass die dann ohne Genehmigung der Kommission erfolgte Bewilligung gegen die Regelungen des Unionsrechts zu staatlichen Beihilfen verstieße.
Die Klage ist schon unzulässig, soweit sie sich gegen die Bestimmungen unter II. Ziffer 3 und 4 richtet. Diese sind nicht selbstständig anfechtbare Inhaltsbestimmungen des Bewilligungsbescheids. In diesen Bestimmungen liegt jeweils ein Element der Hauptregelung, das die Einzelheiten der Bewilligung näher festlegt und konkretisiert, damit die Bewilligung den Vorgaben der EU-Kommission genügt. Soforthilfen an Wirtschaftsunternehmen durften danach nur gewährt werden, um Liquiditätsengpässe von Unternehmen zu beheben und sicherzustellen, dass die durch den COVID-19-Ausbruch verursachten Störungen die Existenzfähigkeit solcher Unternehmen nicht beeinträchtigten. Nur für Zuwendungen, die hierfür erforderlich waren, lag die für die Rechtmäßigkeit nach dem Unionsrecht erforderliche Genehmigung der Kommission vor. Durch die Bestimmungen II. Ziffer 3 und 4 ist insbesondere die Vorläufigkeit der Bewilligung in Höhe des Höchstförderbetrags zur Einhaltung dieser Zweckbindung in unsicherer Lage zum Ausdruck gebracht worden und die hieraus folgende Pflicht zur Rückzahlung überzahlter oder anderweitig kompensierter Beträge.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die isoliert anfechtbaren Nebenbestimmungen unter II. Ziffer 5, 6 und 8 sind insbesondere nicht unzulässigerweise vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden. Der Bewilligungsbescheid beruht auch auf einer Willensbetätigung der zuständigen Sachbearbeiterin. Selbst eine vollständig automatisierte Bewilligung führte im Übrigen zur Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheids und rechtfertigt deshalb nicht die Aufhebung einzelner Nebenbestimmungen. Die Nebenbestimmungen sind zudem ermessensfehlerfrei am Zweck der Bewilligung und an den Vorgaben der EU-Kommission orientiert. Eine Mittelgewährung ohne diese Bestimmungen verstieße gegen das Unionsrecht. Sie sollten sicherstellen, dass die Soforthilfe ausschließlich und vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt wurde, indem entsprechende Mittelverwendungen nachzuweisen und bei Einzelfallprüfungen zu belegen sowie die in dem gesamten Bewilligungszeitraum von drei Monaten nicht zweckentsprechend benötigten oder anderweitig erstatteten Mittel anschließend zu ermitteln und zurückzuzahlen waren.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
Im Bescheid der Klägerin über die Bewilligung von NRW-Soforthilfen 2020 finden sich unter „II. Nebenbestimmungen“ insgesamt acht als Nebenbestimmungen bezeichnete Unterpunkte, unter denen die Soforthilfe gewährt wurde. Im Einzelnen:
„Dem Bescheid liegt eine Anzahl von 4 Vollzeitäquivalenten zugrunde.
Grundlage und Bestandteil des Bescheides ist Ihr Antrag vom 28.3.2020.
Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z. B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der […] unter Angabe des Aktenzeichens zurückzuzahlen.
[ersatzweise Hinweis auf Homepage soforthilfe-corona.nrw.de]
Der zurück erstattete Betrag ist nicht steuerpflichtig.
Die Finanzhilfe ist zurückzuerstatten, wenn der Bescheid aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde oder Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen und/oder andere Förderungsmaßnahmen einzeln und/oder zusammen zu einer Überkompensation führen. Darlehen sind von einer Anrechnung ausgenommen. In diesem Fall ist die gewährte Soforthilfe vom Eintritt der Überkompensation an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich nach Maßgabe des § 49a Abs. 3 VwVfG NRW zu verzinsen.
Ich behalte mir im Einzelfall eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe vor. In diesem Fall ist die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Sie haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Bewilligungsbehörde, Ihr zuständiges Finanzamt, der Landesrechnungshof NRW sowie die nachgeordneten Behörden (vgl. § 91 LHO), der Bundesrechnungshof, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Kommission sind ebenfalls berechtigt, Prüfungen vorzunehmen.
Alle relevanten Unterlagen sind 10 Jahre lang ab der Gewährung dieser Soforthilfe (Datum dieses Bescheides) aufzubewahren.
Sie versichern mit Erhalt des Bescheids und der ausgezahlten Mittel in o. g. Höhe auf Ihrem Konto, dass die im vorgelegten Antrag einschließlich der Anlagen gemachten Angaben vollständig und richtig sind und verpflichten sich, jede Änderung in den gemachten Angaben unverzüglich bei der Bewilligungsbehörde anzuzeigen.
Der Nachweis der Verwendung der Soforthilfe erfolgt unter Zuhilfenahme des Vordrucks im Internet auf https://www.soforthilfe-corona.nrw.de bei Ihrem zuständigen Finanzamt und ist der nächsten Steuererklärung beizufügen. Dazugehörige Unterlagen sind vorzuhalten, jedoch nicht mitzusenden.“