Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 17. Juli 2024 zum Aktenzeichen 1 BvR 2133/22 entschieden, dass mehrere im Hessischen Verfassungsschutzgesetz (HVSG) geregelte Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, weil sie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung verstoßen:
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG (Ortung von Mobilfunkendgeräten) ist verfassungswidrig, weil er eine engmaschige langandauernde Überwachung der Bewegungen im Raum erlaubt, ohne eine dafür hinreichende Eingriffsschwelle vorzusehen.
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HVSG (besonderes Auskunftsersuchen bei Verkehrsunternehmen und über Flüge) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis Eingriffe mit erhöhtem Gewicht erlaubt und dafür keine hinreichende Eingriffsschwelle vorsieht.
§ 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG (Einsatz Verdeckter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis auch eingriffsintensive Einsätze Verdeckter Mitarbeitender erlaubt und dafür keine hinreichende Eingriffsschwelle vorgesehen ist.
Auch soweit § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HVSG auf § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG Bezug nehmen, sind die Regelungen verfassungswidrig.
§ 20a Satz 1 HVSG (Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden) ist verfassungswidrig, soweit § 20a Satz 2 Buchstabe b und Satz 3 HVSG nicht an nicht hinreichend gewichtige Straftaten anknüpfen.
§ 20b Abs. 2 HVSG (Übermittlungen an sonstige inländische öffentliche Stellen) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis auch die Übermittlung an inländische öffentliche Stellen mit operativen Anschlussbefugnissen erlaubt und keine dafür hinreichende Übermittlungsschwelle vorsieht.
§ 20a Satz 1 ist, soweit er auf § 20a Satz 3 HVSG Bezug nimmt, nichtig; die übrigen beanstandeten Vorschriften des HVSG gelten mit bestimmten Maßgaben vorübergehend fort.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 78/2024 vom 17. September 2024 ergibt sich:
Sachverhalt:
Zwei der Beschwerdeführenden sind Mitglieder und Funktionsträger einer vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation. Zwei weitere Beschwerdeführende vertreten als Rechtsanwälte Personen, die vom Landesamt beobachtet werden, weil ihnen die Zugehörigkeit oder Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen vorgeworfen wird oder sie der linksextremistischen Szene angehören. Ein weiterer Beschwerdeführer steht als freier Journalist häufig in Kontakt mit Personen, die unter Beobachtung des Landesamts stehen. Sie wenden sich gegen verschiedene im Hessischen Verfassungsschutzgesetz geregelte Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse, die ganz überwiegend im Jahr 2023 in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz vom 22. April 2022 geändert worden sind.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie überwiegend auch begründet. Die angegriffenen Regelungen genügen nur zu einem Teil den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG darf das Landesamt für Verfassungsschutz im Einzelfall technische Mittel zur Ermittlung des Standorts eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgeräts einsetzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Die Befugnisnorm ermöglicht intensive Grundrechtseingriffe. Diese sind nicht gerechtfertigt.
Eine Maßnahme nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG zur Ermittlung des Standorts hat eine hohe Eingriffsintensität, weil sie eine räumliche Nachverfolgung im engen Zeittakt über einen längeren Zeitraum und damit die Erstellung eines Bewegungsprofils zulässt.
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG enthält keine gemessen an diesem Eingriffsgewicht hinreichend hohe Eingriffsschwelle. Dem Eingriffsgewicht einer Maßnahme steht die Beobachtungsbedürftigkeit der (vermeintlichen) Bestrebung gegenüber. Je schwerer der Eingriff ist, umso beobachtungsbedürftiger muss diese sein. Da eine Mobiltelefonortung einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff begründen kann, bedarf es einer entsprechend gesteigerten Beobachtungsbedürftigkeit. Eine solche sieht § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG nicht vor.
Auch § 9 Abs. 2 HVSG enthält keine für Eingriffe nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG hinreichende Eingriffsschwelle. Zwar dürfen in den von § 9 Abs. 2 HVSG geregelten Fällen technische Mittel nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG nur eingesetzt werden, soweit dies zur Aufklärung einer erheblich beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 2 HVSG im Einzelfall geboten ist. § 9 Abs. 2 HVSG erfasst aber von vornherein nicht alle Ortungen mit erhöhtem Eingriffsgewicht, denn die Regelung findet nur Anwendung, wenn der Einsatz technischer Mittel erfolgt, um anhand der Standortdaten die Bewegungen des Mobiltelefons nachzuverfolgen (Bewegungsprofil). Alle nicht in dieser Form zweckgerichteten Ortungen werden daher von vornherein nicht an die Eingriffsschwelle des § 9 Abs. 2 HVSG gebunden, obgleich es sich auch insoweit um eingriffsintensive Maßnahmen handeln kann. Auch soweit § 9 Abs. 2 HVSG kumulativ voraussetzt, dass die Maßnahme an mehr als drei aufeinanderfolgenden Tagen mehrfach täglich eingesetzt wird, werden nicht alle denkbaren Fälle mit erhöhtem Eingriffsgewicht erfasst. Das gilt etwa für Ortungen, die punktuell oder gar in enger zeitlicher Taktung über einen langen Zeitraum wiederholt an drei Tagen hintereinander erfolgen.
§ 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVSG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG genügt aber auch für sich genommen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende Eingriffsschwelle. Da es sich bei den auf die Erstellung eines Bewegungsprofils zweckgerichteten Standortbestimmungen, die an mehr als drei Tagen mehrfach täglich eingesetzt werden, um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handelt, muss die Maßnahme zur Aufklärung einer gesteigert beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit im Einzelfall geboten sein. Die Beobachtungsbedürftigkeit steigt umso stärker, je deutlichere tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass die Schutzgüter des Verfassungsschutzes konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann („Potentialität“).
Dem genügt § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVSG, soweit er auf § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG Bezug nimmt, nicht. Die Bestimmung der erheblichen Beobachtungsbedürftigkeit in § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG stellt nicht sicher, dass die Dringlichkeit der erforderlichen Beobachtungsbedürftigkeit auch tatsächlich von der Intensität der Bedrohung der Schutzgüter des Verfassungsschutzes abhängt. Denn alle in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 HVSG beschriebenen Bestrebungen gelten schon normativ als erheblich beobachtungsbedürftig im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HVSG, ohne dass es einer weiteren Prüfung ihrer Potentialität im Einzelfall bedürfte.
Dagegen genügt die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c HVSG beschriebene Bestrebung für sich genommen den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Danach sind insbesondere solche Bestrebungen erheblich beobachtungsdürftig im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HVSG, die zur Zielverfolgung andere Straftaten begehen oder darauf ausgerichtet sind. Dies genügt als Indiz für eine gewisse Potentialität.
Soweit § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 HVSG dagegen voraussetzt, dass eine Bestrebung in erheblichem Umfang gesellschaftlichen Einfluss auszuüben sucht, genügt dies nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Diese Kriterien sind noch nicht geeignet, eine gewisse Potentialität zu indizieren.
Wegen des potentiell hohen Eingriffsgewichts einer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG möglichen Mobiltelefonortung bedarf es einer unabhängigen Vorabkontrolle. Daran fehlt es hier.
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG erlaubt dem Landesamt im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben bei Verkehrsunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge Auskünfte zu Namen und Anschriften von Kunden sowie zur Inanspruchnahme und zu Umständen von Transportleistungen einzuholen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 HVSG vorliegen. Die Regelung ermöglicht Grundrechtseingriffe von erhöhtem Gewicht. Die deshalb erhöhten Anforderungen an die Beobachtungsbedürftigkeit einer vermeintlichen Bestrebung oder Tätigkeit erfüllt die Vorschrift auch unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 2 Satz 2 HVSG nicht.
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG ermächtigt zu Grundrechtseingriffen von erhöhtem, wenn auch nicht schwerwiegendem Gewicht in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vorschrift umfasst den Abruf von Namen und Anschriften der Betroffenen sowie von Daten zur Inanspruchnahme und zu den Umständen von Transportleistungen, also insbesondere den Zeitpunkt von Abfertigung, Abflug oder Abreise und den Buchungsweg inklusive der Zahlungsmodalitäten. Gleichwohl liefern die erhobenen Daten nur einen ausschnittweisen und zeitlich sehr begrenzten Einblick in das Leben der Betroffenen. Ausmaß und Dauer der Datenabfrage erhöhen hier allerdings das Eingriffsgewicht. So können sämtliche zum Zeitpunkt der Anordnung noch gespeicherten Reisebewegungen sowie alle künftigen im möglichen Anordnungszeitraum liegenden oder auch nur gebuchten Reisebewegungen abgefragt werden; eine zeitliche Beschränkung der Anordnung ist offensichtlich nicht vorgesehen.
Aufgrund des hier erhöhten Eingriffsgewichts bedarf es einer entsprechend erhöhten Beobachtungsbedürftigkeit der vermeintlichen Bestrebung oder Tätigkeit, für die der Gesetzgeber hinreichend bestimmte Kriterien vorgeben muss. Dem wird § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG auch unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 2 Satz 2 HVSG nicht gerecht.
Soweit ein Auskunftsersuchen den Fall betrifft, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bestrebung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 HVSG vorliegen, setzt § 10 Abs. 2 Satz 2 HVSG zwar eine erhöhte Eingriffsschwelle dahingehend voraus, dass diese Bestrebung bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkweise geeignet sein muss, insbesondere zu Hass- oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten. § 10 Abs. 2 Satz 2 HVSG formuliert allerdings nicht lediglich Anhaltspunkte oder Indizien für eine erhöhte Potentialität, sondern lässt dem Landesamt etwa in Fällen besonders dilettantischer Wirkungsweise für eine abweichende Bewertung im Einzelfall keinen Spielraum. Es ist daher nicht sichergestellt, dass hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen, die es möglich erscheinen lassen, dass Verfassungsschutzgüter auch konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann.
Das Gleiche gilt im Ergebnis auch für § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG, soweit das Auskunftsersuchen den Fall betrifft, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bestrebung oder Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 HVSG vorliegen. Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 HVSG geregelten Bestrebungen und Tätigkeiten per se erhöht beobachtungsbedürftig sind. Er hat insoweit ebenfalls nicht sichergestellt, dass hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen, die es möglich erscheinen lassen, dass Verfassungsschutzgüter auch konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG darf das Landesamt eigene Mitarbeitende unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckte Mitarbeitende) einsetzen, wenn dies zur Aufklärung einer bestimmten nachrichtendienstlich beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit im Einzelfall geboten ist. Die Befugnis ermöglicht intensive Grundrechtseingriffe und genügt nicht den daraus folgenden Anforderungen an ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung.
Maßnahmen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG können, wenn Mitarbeitende des Landesamts hierbei personenbezogene Daten erlangen, jedenfalls in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Durch die Maßnahme kann eine vermeintliche Vertrauensbeziehung aufgebaut und dann ausgenutzt werden. Nutzt aber der Staat persönliches Vertrauen aus, um Geheimhaltungsinteressen zu überwinden und Betroffene so zur Preisgabe von Informationen zu verleiten, kann das sehr schwer wiegen. Dabei kann das Eingriffsgewicht je nach konkreter Ausgestaltung erheblich variieren. Es hängt insbesondere von der Dauer des Einsatzes Verdeckter Mitarbeitender ab. Auch kommt es darauf an, welche Intensität die Beziehungen erlangen.
Aufgrund der hier potentiell hohen Eingriffsintensität bedarf es einer entsprechend erhöhten Eingriffsschwelle. Je länger der Einsatz Verdeckter Mitarbeitender dauert, je tiefergehende Vertrauensbeziehungen entstehen und je mehr private Informationen erlangt werden, umso dringender muss der Beobachtungsbedarf sein und umso größeren Aufklärungsgewinn muss die Maßnahme versprechen. Dem genügt § 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG nicht, denn der Einsatz Verdeckter Mitarbeitender setzt jedenfalls keinen gemessen an seinem Eingriffsgewicht erhöhten Beobachtungsbedarf und Aufklärungsgewinn voraus.
So setzt zwar § 12 Abs. 1 Satz 2 HVSG für länger als sechs Monate dauernde Einsätze Verdeckter Mitarbeitender zusätzlich voraus, dass diese zur Aufklärung einer erheblich beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 2 HVSG im Einzelfall unerlässlich sein müssen, und stellt damit sowohl an die Beobachtungsbedürftigkeit als auch den Aufklärungsgewinn erhöhte Anforderungen. Auch ist die Dauer ein maßgeblicher Umstand, der das Eingriffsgewicht eines Einsatzes Verdeckter Mitarbeitender regelmäßig erhöht. Daneben gibt es jedoch weitere Fälle eingriffsintensiver Einsätze Verdeckter Mitarbeitender. Insbesondere der gezielte Einsatz gegen eine bestimmte Person sowie der sonstige personenbezogene Einsatz, der auf die Herstellung einer Vertrauensbeziehung angelegt ist, begründen ein grundsätzlich erhöhtes Eingriffsgewicht auch dann, wenn der Einsatz weniger als sechs Monate andauert.
Soweit die Eingriffsbefugnis in § 12 Abs. 1 HVSG für länger als sechs Monate andauernde Einsätze auf die in § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG und § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 HVSG näher bestimmte erhebliche Beobachtungsbedürftigkeit von Bestrebungen und Tätigkeiten verweist, genügt sie – wie schon § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVSG – auch für sich genommen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
§ 20a Satz 1 HVSG ermächtigt das Landesamt zur Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ersterhobener personenbezogener Daten an Strafverfolgungsbehörden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine besonders schwere Straftat begangen hat, soweit dies zur Verfolgung der Tat erforderlich ist. Die angegriffene Übermittlungsbefugnis genügt nicht den Anforderungen an ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung, soweit sie die Übermittlung auch zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 20a Satz 2 Buchstabe b und Satz 3 HVSG ermöglicht.
Eine Übermittlung von Daten, die eine Verfassungsschutzbehörde ersterhoben hat, kommt nur zum Schutz eines herausragenden öffentlichen Interesses und daher nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten in Betracht, wobei als Schwelle für die Übermittlung konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen müssen.
Danach sind hier zwar die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Übermittlungsschwelle erfüllt, soweit § 20a Satz 1 HVSG verlangt, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht des Vorliegens einer besonders schweren Straftat begründen. Die Übermittlung nachrichtendienstlich ersterhobener personenbezogener Daten muss aber darüber hinaus auch zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten erfolgen, was ein entsprechendes Gewicht der Straftaten voraussetzt. Diesen Anforderungen genügt § 20a Satz 1 HVSG nicht, soweit er auch die Übermittlung zur Verfolgung der in § 20a Satz 2 Buchstabe b und Satz 3 HVSG legaldefinierten besonders schweren Straftaten zulässt.
Bei der Festlegung, welche Straftatbestände als besonders schwer gelten sollen, kann der Gesetzgeber entweder auf bestehende Kataloge zurückgreifen oder einen eigenen Katalog schaffen. Dabei muss die Qualifizierung einer Straftat als schwer oder besonders schwer in der Strafnorm selbst einen objektivierten Ausdruck finden, also insbesondere in deren Strafrahmen und gegebenenfalls in tatbestandlich umschriebenen oder in einem Qualifikationstatbestand enthaltenen Begehungsmerkmalen und Tatfolgen. Ausgehend vom Strafrahmen liegt eine besondere Schwere einer Straftat jedenfalls dann vor, wenn sie mit einer Höchstfreiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht ist. Eine Straftat mit einer angedrohten Höchstfreiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren kann auch dann als besonders schwer eingestuft werden, wenn dies nicht nur unter Berücksichtigung des jeweils geschützten Rechtsguts und dessen Bedeutung für die Rechtsgemeinschaft, sondern auch unter Berücksichtigung der Tatbegehung und Tatfolgen vertretbar erscheint.
Danach unterliegt die Bestimmung der besonders schweren Straftat in § 20a Satz 2 Buchstabe a HVSG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Straftaten mit Höchststrafen von mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe haben das erforderliche hinreichende Gewicht.
Soweit § 20a Satz 1 HVSG die Übermittlung auch zur Verfolgung der in § 20a Satz 2 Buchstabe b HVSG bestimmten Straften zulässt, bleibt die Regelung hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück. Sie setzt lediglich eine Straftat voraus, die mit einer Höchstfreiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bedroht ist. Zwar erfordert die Regelung zusätzlich, dass die Tat im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer beobachtungsbedürftigen Bestrebung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4 oder 5 HVSG oder in Ausübung einer beobachtungsbedürftigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 HVSG begangen worden sein muss. Auch knüpft die Norm insoweit an Rechtsgüter von besonderem Gewicht an. Allein der Umstand, dass eine Straftat gegen ein Schutzgut der Verfassung gerichtet sein muss, vermag aber hier auch in der erforderlichen Gesamtschau nicht die besondere Schwere der verfolgten Straftat zu begründen.
§ 20a Satz 3 HVSG beschreibt ebenso keine Straftaten mit dem verfassungsrechtlich erforderlichen Gewicht. Die Regelung umfasst auch Straftaten aus dem einfachen Kriminalitätsbereich mit Höchstfreiheitstraften von drei oder auch nur einem Jahr.
§ 20b HVSG ermächtigt das Landesamt, zum Schutz eines der in § 20 HVSG genannten Rechtsgüter Daten an sonstige inländische öffentliche Stellen zu übermitteln, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies im Einzelfall zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. An der für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlichen hinreichenden Übermittlungsschwelle fehlt es hier. Da die Befugnis in § 20b Abs. 2 HVSG eine Datenübermittlung auch an öffentliche Stellen mit operativen Anschlussbefugnissen zulässt, gelten strenge Anforderungen an ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung; erforderlich ist das Vorliegen einer mindestens konkretisierten Gefahr. Das sieht § 20b Abs. 2 HVSG nicht vor.
§ 20a Satz 1 HVSG ist, soweit er auf § 20a Satz 3 HVSG Bezug nimmt, für nichtig zu erklären. Die übrigen beanstandeten Vorschriften sind für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären; sie gelten bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 fort. Die Fortgeltungsanordnung bedarf mit Blick auf die betroffenen Grundrechte jedoch einschränkender Maßgaben: Technische Mittel nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG dürfen, soweit kein Fall des § 9 Abs. 2 HVSG vorliegt, nur so eingesetzt werden, dass die Bewegungen des Mobilfunkendgerätes einer beobachteten Person nur punktuell und nicht längerfristig nachverfolgt werden. Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie nach § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HVSG sind nur zulässig, wenn § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 HVSG als Regelbeispiele des § 3 Abs. 2 Satz 1 HVSG verstanden werden. Für besondere Auskunftsersuchen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 HVSG sowie nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 1 und 2 HVSG müssen auch tatsächliche Anhaltpunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass die Schutzgüter des Verfassungsschutzes konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann. Die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangter personenbezogener Daten nach § 20b Abs. 2 HVSG an inländische öffentliche Stellen, die über operative Anschlussbefugnisse verfügen, ist nur zulässig, wenn eine mindestens konkretisierte Gefahr vorliegt.