Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Juli 2024 zum Aktenzeichen II ZR 71/23 entschieden, dass der Beschluss über die Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH wirksam ist.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 149/2024 vom 16.07.2024 ergibt sich:
Sachverhalt:
Alleingesellschafter der beklagten Hannover 96 Management GmbH ist der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.. Der Kläger Martin Kind ist im Handelsregister als Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die die am Spielbetrieb der 2. Fußballbundesliga teilnehmende Fußballmannschaft Hannover 96 unterhält. Kommanditaktionärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG. Nach der Satzung der Beklagten ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig. In einem sogenannten Hannover-96-Vertrag zwischen dem Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ist vorgesehen, dass der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ändert, ergänzt oder ersetzt.
Im Juli 2022 fassten Vertreter des Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten den Beschluss, den Kläger „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer“ der Beklagten abzuberufen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Mit seiner gegen die Beklagte gerichteten Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass dieser Beschluss über seine Abberufung nichtig ist. Das Landgericht Hannover hat der Klage stattgegeben und die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen. Der Beschluss sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil er mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar sei. Er sei nicht vom Aufsichtsrat der Beklagten und damit kompetenzwidrig gefasst worden, was unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge habe. Die Kompetenzüberschreitung erschöpfe sich nicht in dem Verstoß gegen die Satzung der Beklagten. Vielmehr trete auch ein Verstoß gegen den Hannover-96-Vertrag hinzu. Überdies sei der Abberufungsbeschluss sittenwidrig und damit analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Er erweise sich als in besonderem Maße treuwidrig, weil sich der Alleingesellschafter seiner im Hannover-96-Vertrag eingegangenen Bindung bewusst gewesen sei und er die satzungsmäßige Kompetenzverteilung bewusst unterlaufen habe.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision (Pressemitteilung Nr. 41/2024 vom 29. Februar 2024) verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beschluss über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten ist nicht nichtig.
Der Abberufungsbeschluss ist nicht mit dem Wesen der GmbH unvereinbar und damit nicht entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Nur eine Verletzung der tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts kann eine Unvereinbarkeit des Beschlusses mit dem Wesen der GmbH begründen. Satzungsbestimmungen, die dem fakultativen Aufsichtsrat der Gesellschaft die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers zuweisen, gehören nicht dazu. Auch die Beachtung des sogenannten Hannover-96-Vertrags zählt nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts. Der Streit um die Folgen einer Verletzung dieses Vertrags ist zwischen den Vertragsparteien auszutragen.
Der Abberufungsbeschluss ist auch nicht entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Weder verstößt der Beschluss durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten noch begründet er eine sittenwidrige Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen. Der bloße Verstoß gegen eine Satzungsbestimmung macht einen Gesellschafterbeschluss anfechtbar, aber nicht sittenwidrig. Ebenso wenig ergibt sich aus einer Verletzung des Hannover-96-Vertrags oder einer Gesamtbetrachtung die Sittenwidrigkeit des Beschlusses.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich schließlich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Der Beschluss über die Abberufung als Geschäftsführer ist weder unter dem Gesichtspunkt einer sogenannten zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung nichtig noch ist der Kläger, der nicht Gesellschafter der Beklagten ist, befugt, sich im Rahmen einer Anfechtungsklage auf die von ihm geltend gemachte Verletzung der Satzung der Beklagten zu stützen.