Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Urteil vom 04.06.2019 zum Aktenzeichen 13 A 897/17 entschieden, dass die Anordnung des Ruhens der Approbation eines Arztes wegen des Verdachts mehrfachen Betruges rechtswidrig ist, solange die Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist, denn so lang gelte die sogenannte Unschuldsvermutung zugunsten des Arztes.
Auf eine Strafanzeige eines Landesverbandes von Betriebskrankenkassen hin leitete die Staatsanwaltschaft Köln im Jahr 2014 gegen den Arzt und weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs ein. Es bestand der Verdacht, der Arzt habe sich im Zeitraum von 2009 bis 2014 in mehreren hundert Fällen durch das Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse daran beteiligt, von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung unberechtigte Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz sowie Krankengeldleistungen für angeblich beschäftigte Arbeitnehmer im Umfang von mehr als 800.000 Euro erwirkt zu haben. Der Arzt habe auf Wunsch von Mitbeschuldigten unter Verwendung elektronischer Gesundheitskarten für tatsächlich nichtexistierende Scheinbeschäftigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit frei erfundenen Diagnosen und ohne Untersuchung der angeblichen Patienten ausgestellt.
Mit Bescheid vom 26. September 2016 ordnete die Bezirksregierung das Ruhen der Approbation an. Zudem forderte sie den Arzt auf, die Original-Approbationsurkunde spätestens zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zu übergeben und ordnete für den Fall der Nichtaushändigung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Zur Begründung verwies sie auf die drei Anklageschriften. Die dem Arzt angelasteten Straftaten seien geeignet, sowohl seine Unwürdigkeit als auch die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu begründen. In den Verfahren werde dem Arzt vorgeworfen, unrichtige Zeugnisse über Gesundheitszustände ausgestellt zu haben. Es sei nicht nur ein finanzieller Verlust für die betroffenen Versicherungen, sondern auch für das gesamte Gesundheitssystem entstanden. Dadurch werde das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsversorgung schwer erschüttert. In dem Verfahren komme ein Gewinnstreben um jeden Preis zum Ausdruck, das im unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes stehe. Dies gelte umso mehr, wenn die persönliche Bereicherung unter massiver Verletzung geltender Rechtsnormen erfolge. Die vorgeworfenen Straftaten ließen zudem in der Gesamtbetrachtung die Prognose zu, dass der Arzt als Arzt seine Pflichten nicht in hinreichendem Maß erfüllen werde. Allein im Verfahren würden dem Arzt 1.249 rechtswidrige Handlungen unter Ausnutzung der beruflichen Stellung als Arzt zur Last gelegt.
Die Anordnung des Ruhens der Approbation liege im pflichtgemäßen Ermessen. Sie sei ein geeignetes Mittel, um dem öffentlichen Interesse an einem ordnungsgemäßen Gesundheitssystem schnellstmöglich gerecht zu werden und das Vertrauen der Bevölkerung in ebendies zu schützen. Ein milderes Mittel zur Zweckerfüllung bestehe nicht. Der Wahrung des Vertrauens in das Gesundheitssystem stehe zwar das persönliche Interesse des Arztes an der weiteren Ausübung des Arztberufs entgegen. Nicht verkannt werde, dass mit dem Verbot der Ausübung des ärztlichen Berufs eine Haupteinnahmequelle des Arztes entfalle. Vorliegend überwiege aber das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung. Die dem Arzt angelasteten Straftaten ließen aufgrund der Vielzahl und der Schwere der Vorwürfe die Annahme zu, dass der Arzt sich auch in Zukunft nicht rechtskonform verhalten und Pflichten missachten werde. Es stehe insbesondere zu befürchten, dass durch seine Verhaltensweisen ein weiterer finanzieller Schaden in der Gesundheitsversorgung entstehe. Ein Vertrauensverlust in den ärztlichen Berufsstand und das Gesundheitssystem dürfte angesichts der Vorwürfe, über die in der lokalen Presse bereits mehrfach berichtet worden sei, bereits eingetreten sein. Eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter bestehe aus diesem Grund darin, dass im Fall einer fortdauernden ärztlichen Tätigkeit eine weitere Schädigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft und die allgemeine Gesundheitsversorgung einzutreten drohe. Ferner zu berücksichtigen sei, dass ein Arzt, dem eine solche Vielzahl von Straftaten vorgeworfen werde, bereits jetzt nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbare Vertrauen genieße, auch wenn es an einer rechtskräftigen Verurteilung fehle. Eine Approbation berechtige stets zur uneingeschränkten ärztlichen Tätigkeit. Sie könne nicht mit Auflagen oder Bedingungen verknüpft werden. Die Ruhensanordnung beeinträchtige zwar das Recht des Arztes auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und könne zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Jedoch überwiege das Interesse der Allgemeinheit am Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung und am Schutz des Vertrauens in den ärztlichen Berufsstand. Die Ruhensanordnung sei daher angemessen und werde unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht.
Aufgrund der umfangreichen noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen sahen sich die Richter des Oberverwaltungsgerichts nicht imstande selbst in eine Beweisaufnahme einzutreten; sie fordern das Ermittlungsverfahren abzuwarten und dann Konsequenzen zu ziehen, wenn dem Arzt strafbares Verhalten rechtskräftig nachgewiesen wurde.