Gleichstellungsbeauftragte nur Frauen

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat mit Urteil vom 06.03.2024 zum Aktenzeichen 23/18 entschieden, dass die Regelungen des Thüringer Hochschulgesetzes zur Wahl der Gleichstellungsbeauftragten sowie zu den Aufgaben und zur Besetzung des Hochschulrates verfassungsgemäß sind.

Die Beschränkung der Wählbarkeit der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen auf Frauen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG) ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, der Wissenschaftsfreiheit sowie dem Demokratieprinzip vereinbar; sie ist als Maßnahme zur Beseitigung strukturell bedingter Benachteiligungen von Frauen im Hochschulbereich durch das Gleichstellungsgebot gerechtfertigt.

Die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Alt. 1 ThürHG) steht im Einklang mit dem Demokratieprinzip und der Wissenschaftsfreiheit.

Die Regelung zur Besetzung des Hochschulrates (§ 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG), wonach drei seiner acht Mitglieder Frauen sein sollen, ist ebenfalls durch das Gleichstellungsgebot gerechtfertigt; die Norm genügt dem Bestimmtheitsgebot und steht auch mit den organisationsrechtlichen Maßgaben, die aus der Wissenschaftsfreiheit folgen, in Einklang.

Gegenstand des Verfahrens sind § 6 Abs. 3 Satz 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Alt. 1 und § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Thüringer Hochschulgesetzes (ThürHG) in der Fassung des Thüringer Gesetzes zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften vom 10. Mai 2018 (GVBl. S. 149).

Die Antragstellerin ist die Fraktion der Alternative für Deutschland im Thüringer Landtag. Sie hält die vorgenannten Bestimmungen des Thüringer Hochschulgesetzes für verfassungswidrig.

Das Thüringer Hochschulgesetz trifft in § 6 und § 34 die folgenden Regelungen:

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Chancengleichheit der Geschlechter

(1) Die Hochschulen fördern und sichern die tatsächliche Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter; sie wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben darauf hin, dass Personen jedes Geschlechts ihrer Qualifikation entsprechend gleiche Entwicklungsmöglichkeiten haben und bestehende Nachteile beseitigt werden. Hierzu stellen sie insbesondere Gleichstellungspläne nach § 4 des Thüringer Gleichstellungsgesetzes (ThürGleichG) vom 6. März 2013 (GVBl. S. 49) in der jeweils geltenden Fassung auf und erlassen Richtlinien zur Erhöhung des Anteils von Frauen am wissenschaftlichen und künstlerischen Personal. Der Gleichstellungsplan enthält Ziel- und Zeitvorgaben und ist Bestandteil der Struktur- und Entwicklungsplanung.

(2) Bei allen Vorschlägen und Entscheidungen der Hochschulen und ihrer Organe und Gremien sind die geschlechterdifferenten Auswirkungen zu beachten (Gender Mainstreaming).

(3) Der Senat wählt auf Vorschlag des Beirats für Gleichstellungsfragen aus der Gruppe der Hochschullehrer, der akademischen oder der Mitarbeiter in Technik und Verwaltung der Hochschule ein weibliches Mitglied zur Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule und ein weiteres weibliches Mitglied zu deren Stellvertreterin. Sie werden von der Hochschule nach Maßgabe der Grundordnung für die Dauer von jeweils bis zu drei Jahren bestellt. […]

[…]

(5) Die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule wirkt auf die Herstellung der verfassungsrechtlich garantierten Chancengleichheit der Geschlechter in der Hochschule hin. Sie ist als Gleichstellungsbeauftragte dem Präsidium unmittelbar zugeordnet und weisungsfrei; zwischen ihr und den Beschäftigten ist der Dienstweg nicht einzuhalten. Sie macht Vorschläge und nimmt Stellung gegenüber den zuständigen Stellen der Hochschule in allen Angelegenheiten, die die Belange der Chancengleichheit, insbesondere diejenigen der Frauen in der Hochschule berühren, insbesondere in Berufungsverfahren und bei der Besetzung der Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie des sonstigen Personals. Die Gleichstellungsbeauftragte hat in Sitzungen des Senats, des Hochschulrats, der Hochschulversammlung, der Selbstverwaltungsgremien nach § 40 sowie deren Ausschüssen, insbesondere Berufungskommissionen, zu denen sie wie ein Mitglied zu laden ist, ein Teilnahme-, Antrags- und Rederecht; sie kann sich hierbei vertreten lassen. Die übrigen Organe, Gremien und Kommissionen sind verpflichtet, die Gleichstellungsbeauftragte bei sie betreffenden Angelegenheiten zu ihren Sitzungen wie ein Mitglied zu laden und in die Beratung einzubeziehen.

(6) Im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs kann die Gleichstellungsbeauftragte gegen einen Beschluss oder eine Entscheidung eines Organs, eines Gremiums oder einer Kommission der Hochschule schriftlich innerhalb von sieben Arbeitstagen ab Kenntnis Einspruch einlegen. […]

[…]

§ 34

Hochschulrat

(1) Der Hochschulrat gibt Empfehlungen zur Profilbildung der Hochschule und zur Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre sowie zur Weiterentwicklung des Studienangebots. Darüber hinaus hat er folgende Aufgaben:

[…]

  1. Beschluss und Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Beschlussfassung über die Entlastung des Präsidiums,

[…]

Der Hochschulrat berichtet dem Ministerium und dem Senat jährlich über seine Tätigkeit. Die Hochschule hat den Rechenschaftsbericht in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen.

(2) Der Hochschulrat hat das Recht, von den Hochschulorganen und Hochschulgremien die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nötigen Informationen einzuholen sowie Unterlagen einzusehen und zu prüfen, wobei dieses Recht auch auf einzelne Mitglieder des Hochschulrats oder für bestimmte Aufgaben einem Sachverständigen übertragen werden kann.

(3) Der Hochschulrat hat acht Mitglieder, von denen mindestens drei Frauen sein sollen. Mitglieder sind

  1. fünf mit dem Hochschulwesen vertraute Personen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft, die nicht Mitglieder der Hochschule sein und nicht dem Ministerium angehören dürfen, und aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags von Präsidium und Ministerium vom Senat gewählt werden,
  2. zwei Mitglieder der Hochschule mit unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeit nach § 21 Abs. 2, die vom Senat gewählt werden, sowie
  3. ein Vertreter des Ministeriums, der auf Vorschlag des Ministeriums vom Senat gewählt wird.

Die Hochschulratsmitglieder handeln nicht als Vertreter der Interessen der Einrichtung oder des Gremiums, denen sie angehören, sondern im Interesse der gesamten Hochschule.

(4) Die Amtszeit der Hochschulratsmitglieder beträgt nach Maßgabe der Grundordnung bis zu vier Jahre. Verzögert sich die Wahl oder Bestellung eines oder mehrerer Hochschulratsmitglieder oder der Zusammentritt eines neuen Hochschulrats, so verlängert sich die Amtszeit des oder der Mitglieder außer im Fall der Abberufung bis zur Bestellung oder zum Zusammentritt längstens bis zu einem Jahr; § 24 findet keine Anwendung. Die Mitglieder des Hochschulrats werden vom Ministerium bestellt; mehrfache Wiederwahl nach Maßgabe des Absatzes 3 und Wiederbestellung sind möglich.

(5) Der Senat kann ein Hochschulratsmitglied mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder abwählen. Die Initiative zur Abwahl kann auch vom Hochschulrat ausgehen; ein entsprechender Antrag des Hochschulrats bedarf einer einfachen Mehrheit. Die Abberufung erfolgt durch das Ministerium.

[…]

  1. Bereits das Thüringer Hochschulgesetz vom 7. Juli 1992 (GVBl. S. 315) enthielt eine Regelung zur Gleichstellungsbeauftragten:

§ 81

Gleichstellungsbeauftragte und Beirat für Gleichstellungsfragen

(1) Die Gleichstellungsbeauftragte wirkt auf die Herstellung der verfassungsrechtlich garantierten Chancengleichheit von Frau und Mann in der Hochschule hin und nimmt Aufgaben wahr, die sich aus § 4 Abs. 3 ergeben. Sie macht Vorschläge und nimmt Stellung gegenüber den zuständigen Stellen der Hochschule in allen Angelegenheiten, die die Belange der Frauen in der Hochschule berühren. An der Beratung solcher Angelegenheiten in den Gremien der Hochschule kann sie mit Antrags- und Rederecht teilnehmen. Sie berichtet dem Senat regelmäßig über ihre Tätigkeit.

[…]

(4) Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin werden vom Senat auf Vorschlag des Beirats für Gleichstellungsfragen aus der Gruppe der Professoren oder der akademischen Mitarbeiter, an Fachhochschulen auch der Mitarbeiter, für zwei Jahre gewählt. Die Wiederwahl ist zulässig.

[…]

In der Begründung des Gesetzentwurfes (LTDrucks. 1/854, S. 68) wurde auf entsprechende Bestimmungen anderer Bundesländer verwiesen.

Die Einführung des Hochschulrates beruhte auf dem Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 2006 (GVBl. S. 601). Darin hieß es:

§ 32

Hochschulrat

(1) Der Hochschulrat gibt Empfehlungen zur Profilbildung der Hochschule und zur Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre sowie zur Weiterentwicklung des Studienangebots. Darüber hinaus hat er folgende Aufgaben:

[…]

  1. Entgegennahme des Jahresberichts des Präsidiums.

(2) Die zuständigen Organe und Gremien der Hochschulen haben die Empfehlungen nach Absatz 1 Satz 1, die Entscheidungen des Hochschulrats nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2, die Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 bis 5 und die Stellungnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 bis 8 zu würdigen und bei ihren jeweiligen Entscheidungen zu berücksichtigen. Weicht ein Organ oder ein Gremium in einer Entscheidung von Beschlüssen, Empfehlungen oder Stellungnahmen des Hochschulrats ab, hat es seine abweichende Entscheidung gegenüber dem Hochschulrat substantiiert zu begründen. Der Hochschulrat hat das Recht, das Erscheinen von Mitgliedern des Präsidiums der Hochschule zu seinen Sitzungen zu verlangen und von allen anderen Hochschulorganen die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nötigen Informationen einzuholen.

(3) Der Hochschulrat hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zehn und an den anderen Hochschulen nach Maßgabe der Grundordnung sechs oder acht Mitglieder mit Stimmrecht. Die Grundordnung regelt, dass

  1. entweder sämtliche seiner Mitglieder mit Stimmrecht

oder

  1. mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder mit Stimmrecht

Externe sind. Die Mitglieder des Hochschulrats werden vom Ministerium für eine Amtszeit von vier Jahren bestellt; mehrfache Wiederbestellung und Wiederwahl sind möglich.

(4) Bestimmt und gewählt werden können nur mit dem Hochschulwesen vertraute Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft oder Politik, die nicht dem Ministerium angehören.

(5) Zur Auswahl der Mitglieder des Hochschulrats wird ein Auswahlgremium gebildet, dem zwei Vertreter des Senats und zwei Vertreter des bisherigen Hochschulrats mit je einer Stimme sowie ein Vertreter des Landes mit zwei Stimmen angehören. Das Auswahlgremium erarbeitet einvernehmlich eine Liste. Lässt sich im Gremium kein Einvernehmen über eine Liste erzielen, unterbreiten die Vertreter des Senats und der Vertreter des Landes dem Gremium eigene Vorschläge für jeweils die Hälfte der Mitglieder. Das Auswahlgremium beschließt sodann die gesamte Liste mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Stimmen. Die Liste bedarf der Bestätigung durch den Senat mit Stimmenmehrheit sowie anschließend der Zustimmung des Ministeriums. Im Fall des Rücktritts oder der sonstigen Beendigung der Mitgliedschaft im Hochschulrat gelten für die Auswahl des nachfolgenden Mitglieds die Sätze 1 bis 5 entsprechend.

Der Gesetzentwurf enthielt folgende Begründung zu § 32 ThürHG (LTDrucks. 4/2296, S. 160 f.):

„Den in § 32 vorgesehenen Hochschulräten sollen überwiegend Persönlichkeiten angehören, die nicht Mitglieder der Hochschule oder des Ministeriums sind. Die Hochschulräte sollen zukünftig wesentliche Beratungs-, Steuerungs- und Aufsichtsfunktionen übernehmen. Sie werden damit die Entwicklung der Hochschule in wichtigen Bereichen mitbestimmen. Durch sie wird im hohen Maße externer Sachverstand in die Entscheidungen der Hochschulen einfließen, der sich positiv auf die Arbeit der Hochschulen und ihre Profilbildung auswirken wird. Die Hochschulräte sind Organe der Hochschulen. Als solche haben sie auch mit entscheidenden Einfluss in grundsätzliche Struktur-, Profilbildungs-, und Finanzfragen. Bis auf die Wahl des Präsidenten sowie bei Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 haben die Hochschulräte jedoch keine Letztentscheidungskompetenz. Die für die Angelegenheit jeweils zuständigen Organe (Präsidium oder Senat) haben die Beschlüsse des Hochschulrats jedoch zu würdigen und müssen, wollen sie sich in einer Angelegenheit über einen Beschluss oder eine Empfehlung des Hochschulrats hinwegsetzen, ihre abweichende Entscheidung substanziiert gegenüber dem Hochschulrat begründen (Absatz 2).

Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass der Hochschulrat zum einen Empfehlungen zur Profilbildung der Hochschule und zur Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre sowie zur Weiterentwicklung des Studienangebots abgibt; dadurch wird auch seine Rolle als Beratungsorgan auch in grundlegend strategischen Angelegenheiten der Hochschulen unterstrichen.“

Die Thüringer Landesregierung – die Anhörungsberechtigte zu 1. – brachte am 14. September 2017 den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften in den Landtag ein (LTDrucks. 6/4467). Am 10. Mai 2018 wurde das Gesetz beschlossen (GVBl. S. 149), mit dem die von der Antragstellerin angegriffenen Vorschriften des § 6 Abs. 3 ThürHG, des § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Alt. 1 ThürHG sowie des § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürHG die nunmehr geltende Fassung erhielten.

Die Begründung zu § 6 Abs. 3 ThürHG im Gesetzentwurf lautete (LTDrucks. 6/4467, S. 150):

„Absatz 3 enthält eine Erweiterung des passiven Wahlrechts bei der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin. Wählbar sind nunmehr alle weiblichen Beschäftigten mit der angegebenen Qualifikation, nicht jedoch die Studierenden.“

Zur Begründung des § 34 ThürHG wurde ausgeführt (LTDrucks. 6/4467, S. 173 ff.):

„Der im Jahr 2006 an den Hochschulen des Landes eingeführte Hochschulrat hat sich in der Praxis bewährt. Die aus Präsidium, Senat und Hochschulrat bestehende Leitungs- und Organisationsstruktur der Hochschule auf zentraler Ebene ist zu einem funktionsfähigen Gesamtgefüge zusammengewachsen. Am Hochschulrat soll deshalb festgehalten werden. Dem Hochschulrat wird auch in Zukunft in seiner Funktion als ‚kritischer Freund‘ und aufgrund seiner externen Kompetenz eine wichtige Rolle in diesem Gesamtgefüge zukommen. Dabei werden diesem vorrangig Beratungs- und Kontrollaufgaben übertragen. Der Schwerpunkt liegt im strategischen Bereich. Im Vordergrund steht die Aufgabe, die Hochschule in ihrer strategischen Entwicklung und Profilbildung zu beraten und zu unterstützen sowie konkrete Empfehlungen zu geben. Hierbei kann der weiterhin überwiegend extern besetzte Hochschulrat Impulse geben, Akzente setzen und externe Expertise und Erfahrungen einbringen. Dementsprechend werden den Hochschulratsmitgliedern Mitwirkungsmöglichkeiten an der Struktur- und Entwicklungsplanung der Hochschule in der Hochschulversammlung eingeräumt. […] Darüber hinausgehend wird die Verantwortung des Hochschulrats im Finanzbereich gestärkt. Der Hochschulrat erhält aufsichtsratsähnliche Kontroll- und Aufsichtspflichten in finanziellen Angelegenheiten der Hochschule. So hat der Hochschulrat künftig die Aufgabe, […] den vom Präsidium aufgestellten und durch einen Abschlussprüfer geprüften Jahresabschluss festzustellen und die Entlastung des Präsidiums zu erteilen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10). […] Zudem wird künftig eine aus internen und externen Mitgliedern gemischte Besetzung des Hochschulrats vorgegeben. Die Neuregelungen sollen den Informationsaustausch zwischen Hochschulrat und den übrigen Gremien der zentralen Ebene und damit die Transparenz und Akzeptanz der Hochschulratsarbeit innerhalb der Hochschule verbessern. Sie dienen gleichzeitig dem Interesse einer Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses, welches Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Hochschulgremien insbesondere im Hinblick auf die zahlreich verschränkten Mitwirkungsrechte und -pflichten an Entscheidungen der Hochschule ist. Durch die Änderung des Besetzungsverfahrens erhalten der Senat und damit die Hochschulmitglieder maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung des Hochschulrats. Dieses Verfahren genügt den Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit ebenso wie dem Grundsatz der akademischen Selbstverwaltung. Gleichlaufend zu den Abwahlmöglichkeiten der Präsidiumsmitglieder wird im Gesetz die Möglichkeit zur Abberufung der Hochschulratsmitglieder vorgesehen.

Absatz 1 Satz 1 übernimmt den Regelungsinhalt des bisherigen § 32 Abs. 1 Satz 1. Damit soll deutlich werden, dass auch weiterhin die zentrale Aufgabe des Hochschulrats nach Absatz 1 Satz 1 darin besteht, auf der Grundlage externer Expertise und dem vielgestaltigen Erfahrungshintergrund der Hochschulratsmitglieder die Hochschule in Fragen der strategischen Entwicklung zu beraten, Empfehlungen zur Profilbildung der Hochschule und zur Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre sowie zur Weiterentwicklung des Studienangebots zu geben.

[…]

In Abweichung von der Verwaltungsvorschrift zu § 74 der Thüringer Landeshaushaltsordnung vom 17. Januar 2003 ist der vom Präsidium aufgestellte und durch einen Abschlussprüfer geprüfte Jahresabschluss nach Nummer 10 vom Hochschulrat festzustellen. Dies entspricht der Aufsichtsratsfunktion des Hochschulrats und ist Teil der Stärkung der Verantwortung des Hochschulrats in finanziellen Bereichen der Hochschule.

[…]

Absatz 3 enthält Bestimmungen über die Größe und Zusammensetzung des Hochschulrats, die für alle Hochschulen einheitlich in diesem Gesetz festgesetzt wird.

Das gesetzliche Regelungsmodell geht von einer aus hochschulextern und -intern gemischten Besetzung aus, wobei die externen Mitglieder über die Mehrheit der Stimmen verfügen. Zusätzlich gehört dem Hochschulrat ein Vertreter des Ministeriums an.

Eine gemischte Besetzung des Hochschulrats entspricht dem Selbstverwaltungsgrundsatz und kann zu einer höheren Akzeptanz der Hochschulratsarbeit innerhalb der Hochschule führen. Vorteile sind des Weiteren eine stärkere Einbindung des Hochschulrats in hochschulinterne Prozesse, die Förderung des direkten Dialogs von Hochschulmitgliedern und Externen. Die Besetzung trägt zur Perspektivenvielfalt bei, so dass Impulse aus dem Hochschulalltag sowie externen Bereichen zu einer Bereicherung der Hochschulratsarbeit beitragen können. Vor dem Hintergrund der zentralen Beratungsfunktionen des Hochschulrats (siehe Absatz 1) und der damit verbundenen Notwendigkeit externer Expertise und Erfahrungen verfügen die externen Mitglieder über die Mehrheit der Stimmen.

Mindestens drei der Hochschulratsmitglieder sollen weiblich sein. Die Quote ist als Soll-Bestimmung ausgestaltet und damit nicht zwingend. Welcher der drei Gruppen von Hochschulratsmitgliedern nach Nummer 1 bis 3 die weiblichen Mitglieder angehören, ist für die Erfüllung der Soll-Bestimmung unerheblich.

In Nummer 1 wird die Zahl der externen Mitglieder gesetzlich auf fünf festgelegt. Gleichzeitig werden die persönlichen Qualifikationsanforderungen an Personen bestimmt, die zu Mitgliedern des Hochschulrats gewählt werden können.

Die Auswahl der Hochschulratsmitglieder erfolgt durch den Senat. Dies sichert eine hohe Identifikation und Akzeptanz der Hochschulratsmitglieder in der Hochschule. Der Einfluss der Hochschulmitglieder auf die Besetzung des Hochschulrats wird im Vergleich zur bisherigen Rechtslage deutlich gestärkt. Dies entspricht einerseits den Vorgaben der akademischen Selbstverwaltung, die einen effektiven Einfluss der Hochschulmitglieder auf die Besetzung der Hochschulorgane erfordert, andererseits, im Zusammenhang mit dem Bestellungsverfahren nach Absatz 4, dem Prinzip der doppelten Legitimation.

Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hochschulrat und Hochschulleitung einerseits und Hochschulrat und Ministerium andererseits zu gewährleisten, erhalten Hochschulleitung und Ministerium ein Vorschlagsrecht.

Nummer 2 enthält Regelungen zur Besetzung des Hochschulrats mit zwei hochschulinternen Mitgliedern. Dabei besteht die Vorgabe, dass diese aus zwei unterschiedlichen Mitgliedergruppen der Hochschule im Sinne des § 21 Abs. 2 gewählt werden müssen. Auch aus diesem Bereich soll eine möglichst große Perspektivenvielfalt die Arbeit des Hochschulrats bereichern. Das Wahlrecht hat auch hier aus den zu Nummer 1 genannten Gründen der Senat.

In Nummer 3 wird die stimmberechtigte Mitgliedschaft eines Vertreters des Fachministeriums im Hochschulrat eingeführt. Das Wahlrecht hat auch hier aus den zu Nummer 1 genannten Gründen der Senat.

Auf diese Weise soll der Informationsfluss und eine bessere Anbindung des Ministeriums an die hochschulinternen Verfahrensabläufe gewährleistet werden. Die Einbindung eines Vertreters des Fachministeriums bietet für den Hochschulrat den Vorteil, dass ein Experte mit Fachkompetenz für eine Beratung, aber auch eine inhaltliche Rückkoppelung zur Verfügung steht.

Satz 3 stellt klar, dass dem Ministeriumsvertreter und den externen Mitgliedern im Hochschulrat nicht die Funktion eines Interessenvertreters zukommt. Ebenso wie die übrigen internen Hochschulratsmitglieder, die als Persönlichkeit, nicht als Interessenvertreter der Gruppe, der sie angehören, gewählt werden, sollen auch der Ministeriumsvertreter und die anderen externen Mitglieder im Interesse der Hochschule entscheiden. Insofern kommen insbesondere dem Ministeriumsvertreter die Aufgabe und auch die Verantwortung zu, auf eine Rollentrennung zu achten.“

Die antragsgegenständlichen Regelungen des Thüringer Hochschulgesetzes widersprechen nicht der Thüringer Verfassung (§ 44 Satz 1
ThürVerfGHG).

Die Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs ist im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens umfassend. Der Verfassungsgerichtshof überprüft die angegriffenen Normen auf ihre Vereinbarkeit mit der Thüringer Verfassung, ohne dabei auf die im Antrag erhobenen Rügen beschränkt zu sein (§ 44 Satz 2 ThürVerfGHG). Maßstab für die Überprüfung der antragsgegenständlichen Regelungen des Thüringer Hochschulgesetzes sind nach Art. 80 Abs. 1 Nr. 4 ThürVerf i. V. m. § 11 Nr. 4, § 42 Nr. 1 ThürVerfGHG die Bestimmungen der Thüringer Verfassung.

Anhaltspunkte, die auf eine Unvereinbarkeit mit formellen Vorschriften der Thüringer Verfassung schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere verletzen § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG und § 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG nicht das Zitiergebot nach Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 42 Abs. 3 Satz 2 ThürVerf. Das Zitiergebot des Art. 42 Abs. 3 Satz 2 ThürVerfG ist inhaltsgleich zum Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Es gilt für Grundrechte, die aufgrund Gesetzesvorbehalts eingeschränkt werden können. Art. 6 Abs. 3 ThürVerf erlaubt eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Gesetz. Durch die Benennung des Eingriffs im Gesetzeswortlaut soll gesichert werden, dass der Gesetzgeber nur Eingriffe vorsieht, die ihm als solche bewusst sind und über deren Auswirkungen auf die betroffenen Grundrechte er sich Rechenschaft ablegt. Die ausdrückliche Benennung erleichtert es auch, die Notwendigkeit und das Ausmaß des beabsichtigten Grundrechtseingriffs in öffentlicher Debatte zu klären (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 -, BVerfGE 120, 274 [343] = juris Rn. 301 m. w. N.). Jedoch wird das Zitiergebot nur durch zielgerichtete (finale) Grundrechtseingriffe ausgelöst (BVerfG, Beschluss vom 11. August 1999 – 1 BvR 2181/98 -, juris Rn. 56). Das Gesetz muss darauf abzielen, ein Grundrecht über die in ihm selbst angelegten Grenzen hinaus einzuschränken (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 746/68 -, BVerfGE 28, 55 [62] = juris Rn. 24; Beschluss vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46/80 -, BVerfGE 64, 72 [79 f.] = juris Rn. 29; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 72, jeweils mit weiteren Nachweisen). An einem solchen zielgerichteten Eingriff des Gesetzgebers fehlt es vorliegend. § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG und § 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG sind nicht auf einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerichtet. Insbesondere die von der Antragstellerin beschriebene Fallgestaltung, wonach die angegriffenen Regelungen im Falle einer Änderung des Geschlechts zu einer Offenbarungspflicht führen können, sind atypische Einzelfälle, auf die weder § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG noch § 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG final gerichtet sind.

Auch in materieller Hinsicht sind die angegriffenen Vorschriften mit der Thüringer Verfassung vereinbar.

Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin weiblichen Geschlechts sein müssen, ist sowohl mit den Gleichheitsrechten des Art. 2 ThürVerf vereinbar (aa) als auch mit dem aus Art. 44 Abs. 1 ThürVerf abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz, der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 ThürVerf und dem Demokratieprinzip nach Art. 44, 45 ThürVerf (bb).

Die aus § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG folgende Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts ist durch das Gleichstellungsgebot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gerechtfertigt.

Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Personengruppe im Vergleich zu einer anderen Personengruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. zu Art. 3 GG BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 1 BvL 50/79 -, BVerfGE 55, 72 [88] = juris Rn. 47). Insbesondere verbietet Art. 2 Abs. 3 ThürVerf Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts.

Auf Ebene des Grundgesetzes ist anerkannt, dass differenzierende Regelungen zulässig sein können, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind (BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 -, BVerfGE 85, 191 [207] = juris Rn. 55). Fehlt es an solchen zwingenden Gründen, lässt sich die Ungleichbehandlung nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 -, BVerfGE 114, 357 [364] = juris Rn. 2). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1987 klargestellt, dass zu solchem kollidierenden Verfassungsrecht auch das Gleichberechtigungsgebot nach Art. 3 Abs. 2 GG gehört. Der Gesetzgeber ist daher befugt, faktische Benachteiligungen von Frauen durch Regelungen auszugleichen, die Frauen in angemessenem Umfang begünstigen (BVerfGE, Beschluss vom 28. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 -,
BVerfGE 74, 163 [181] = juris Rn. 50). Mit der Einführung des Verfassungsauftrages in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist das Gleichberechtigungsgebot durch einen expliziten Verfassungsauftrag zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Beseitigung bestehender Nachteile normativ weiter aufgewertet worden (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 -, BVerfGE 92, 91 [109] = juris Rn. 68; Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 -, BVerfGE 114, 357 [364] = juris Rn. 42; BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2016
– 1 BvR 3634/13 -, juris Rn. 22 m. w. N.). Geboten ist nicht nur, Rechtsnormen zu beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale knüpfen, sondern auch auf die faktische Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern hinzuwirken (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 2 BvC 46/19 -, BVerfGE 156, 224 [257 f.] = juris Rn. 93). Daher sind insbesondere auch mittelbare strukturelle Benachteiligungen von Frauen, die etwa an Teilzeitarbeit anknüpfen, mitzubedenken (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 1986 – Rs. C-170/84 – Bilka -, juris Rn. 32 ff.).

Auch die Thüringer Verfassung enthält in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ein Förderungsgebot und kann somit geschlechtsbezogene Ungleichbehandlungen rechtfertigen. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf sind das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern. Der Umfang der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf begründeten Verpflichtung reicht inhaltlich über den Gehalt der bundesverfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG „fördert“ der Staat „die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Demgegenüber verlangt die Thüringer Verfassung „die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern“ und verpflichtet nicht nur dazu, diese „zu fördern“, sondern auch „zu sichern“. In Anbetracht der Verfassungsautonomie der Länder wirkt sich Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht begrenzend auf die weitergehende Gewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf aus (ThürVerfGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – VerfGH 2/20 -,
LVerfGE 31, 527 [555] = juris Rn. 113 ff.; allgemein zur Zulässigkeit landesverfassungsrechtlicher grundrechtlicher Mehrgewährleistungen: Klafki, in:
Brenner/Hinkel/Hopfe/Poppenhäger/von der Weiden, Verfassung des Freistaats
Thüringen, 2. Aufl. 2023, E4 Rn. 21 f.).

Bei der Umsetzung des Gleichstellungsauftrags kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum bezüglich der Maßnahmen zu, die er zur Durchsetzung der Geschlechtergleichheit in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ergreift (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 2 BvC 46/19 -, BVerfGE 156, 224 [258 f.] = juris Rn. 94 ff.). Auch bei der Prüfung, ob strukturelle Benachteiligungen fortwirken, hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative und darf sich einer typisierenden Betrachtungsweise bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 -,
BVerfGE 74, 163 [180 f.] = juris Rn. 47 f.).

Aus § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG resultiert eine Ungleichbehandlung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ThürVerf. Der Zugang zum Amt der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin wird unmittelbar auf das weibliche Geschlecht beschränkt. Personen anderen Geschlechts werden damit von vornherein von einer Wahl für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten und deren Stellvertreterin ausgeschlossen.

Diese Ungleichbehandlung ist jedoch als Maßnahme zur Beseitigung strukturell bedingter Benachteiligungen von Frauen im Hochschulbereich durch das Gleichstellungsgebot nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gerechtfertigt. Mit der geschlechtsbezogenen Zugangsbeschränkung hat der Gesetzgeber seine Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die geschlechtsbezogene Anknüpfung erweist sich in Anbetracht des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums zum jetzigen Zeitpunkt als verhältnismäßig.

Die Beschränkung des Amtes auf Personen des weiblichen Geschlechts in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG verfolgt das legitime Regelungsziel, die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ThürHG fördern und sichern die Hochschulen die tatsächliche Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter; sie wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben darauf hin, dass Personen jedes Geschlechts ihrer Qualifikation entsprechend gleiche Entwicklungsmöglichkeiten haben und bestehende Nachteile beseitigt werden.

Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit dem Thüringer Gleichstellungsgesetz vom 6. März 2013 (ThürGleichG), das nach § 1 Satz 4 ThürGleichG auch für die Hochschulen des Landes gilt, soweit im Thüringer Hochschulgesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürGleichG werden Frauen und Männer zur Durchsetzung der Gleichstellung gefördert. Ziel der Förderung sind nach § 2 Abs. 1 Satz 3 ThürGleichG insbesondere Bedingungen, die für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen (Nr. 1), der Ausgleich von Nachteilen, die als Folge einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung entstehen (Nr. 2), die Erhöhung des Anteils von Frauen oder Männern, soweit sie in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert sind (Nr. 3), und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien (Nr. 4). Unterrepräsentanz liegt nach § 3 Abs. 5 ThürGleichG vor, wenn der Frauen- oder Männeranteil jeweils unter 40 vom Hundert liegt.

§ 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHGist eine geeignete Regelung, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Dem Gesetzgeber ist in Bezug auf die Bewertung und die Auswahl der für das Regelungsziel in Erwägung zu ziehenden Maßnahmen ein weiter Beurteilungs- und Prognosespielraum eingeräumt. Verfassungswidrig ist eine Regelung insoweit nur, wenn sie offensichtlich oder schlechthin ungeeignet ist, das Regelungsziel zu erreichen (BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1985 – 1 BvL 15/84 -, BVerfGE 71, 206 [215] = juris Rn. 36).

Die Annahme des Gesetzgebers in § 6 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3 ThürHG, dass an Thüringer Hochschulen strukturell bedingte faktische Benachteiligungen für Frauen bestehen, ist im Hinblick auf die weite Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht zu beanstanden (aa). Auch ist die Begrenzung des Amtes auf weibliche Personen nicht von vornherein ungeeignet (bb). Ebenso erweist sich der weite Zuständigkeitsbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten als geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu verwirklichen (cc).

Frauen sind derzeit in den Ämtern der höheren Besoldungsgruppen sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch im Bereich der Hochschulverwaltung unterrepräsentiert (i). Die Annahme des Gesetzgebers, dass die Unterrepräsentanz Folge nach wie vor bestehender struktureller Benachteiligungen ist, erscheint mit Blick auf die wissenschaftliche Studienlage hierzu hinreichend plausibel (ii). Den Gesetzgeber trifft bezüglich der Frage des Fortbestands der strukturellen Benachteiligungen eine Beobachtungs- und Anpassungspflicht (iii).

Frauen sind auf der Ebene der Professuren – deutlich – unterrepräsentiert, wie die Tabelle der 27. Fortschreibung des Datenmaterials (2021/2022) zu Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung“ der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz – GWK – zeigt. Danach waren im Jahr 2021 nur 23 Prozent der C4- bzw. W3-Professuren weiblich besetzt. Betrachtet man alle Professuren einschließlich der nur befristeten Juniorprofessuren, so ergibt sich ein Frauenanteil von 27,2 Prozent. Auch in den Entscheidungsgremien und Leitungspositionen der Hochschulverwaltung sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Ausweislich des Datenreports „Geschlechtergleichstellung in Entscheidungsgremien von Hochschulen (2020 / 2021)“ des GESIS – Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften sind nur 20 Prozent der Dekanate weiblich besetzt. Betrachtet man die zentrale Leitungsebene sind Frauen mit nur 24 Prozent auf Ebene der Rektorate bzw. Präsidien sowie 30 Prozent auf Ebene des Kanzlerpostens deutlich unterrepräsentiert.

Die allgemeine Unterrepräsentanz von Frauen auf den höheren Führungsebenen im öffentlichen Dienst in Thüringen lässt sich dem Dritten Gleichstellungsbericht aus dem Jahr 2023 entnehmen, wonach der Frauenanteil bei Beamtinnen und Beamten in leitenden Funktionen im höheren und gehobenen Dienst (Dienststellen- oder Behördenleitung, Abteilungsleitung, Dezernatsleitung, Referats- und Sachgebietsleitung) zum Stichtag 30. Juni 2017 25,2 Prozent und zum Stichtag 30. Juni 2020 25,7 Prozent betrug; ein positiver Trend hinsichtlich der Steigerung der Frauenanteile sei nicht zu erkennen.

Die Wertung des Gesetzgebers, diese Unterrepräsentanz resultiere aus einer strukturell bedingten faktischen Benachteiligung von Frauen an Hochschulen, bewegt sich im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative. Mit Blick auf das Hochschulwesen lässt sich die Annahme einer strukturellen Benachteiligung auf eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien stützen. Das gilt sowohl für das wissenschaftliche Personal als auch für den Bereich der Hochschulverwaltung.

Im wissenschaftlichen Bereich hat sich zur Beschreibung der strukturellen Benachteiligung von Frauen das Beschreibungskonzept der „leaky pipeline“ etabliert. Es beschreibt den im Wissenschaftssystem geringer werdenden Anteil von Frauen im Verlauf der akademischen Karrierestufen; Frauen haben ein höheres Risiko des „Drop-Outs“ als Männer (vgl. Universität Kassel, Gleichstellungsstrukturelle Maßnahmen zur Leaky Pipeline, 2016). Die engen zeitlichen Befristungen für die zu erbringenden Qualifikationsleistungen, die dem Wissenschaftssystem immanent und auch in den Bestimmungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes niedergelegt sind, begründen nach der Einschätzung des Wissenschaftsrates strukturelle Benachteiligungen für Wissenschaftlerinnen, da Frauen in den für die akademische Karriereentwicklung entscheidenden Jahren nach wie vor stärker von Familienpflichten beansprucht werden als Männer (Wissenschaftsrat, Drs. 8036-07, S. 20; siehe auch Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, 2021, S. 163 ff.). Aufgrund biologischer Gegebenheiten liegt der Zeitpunkt der Familiengründung bei Frauen typischerweise im wesentlichen Qualifikationszeitraum. In seiner Bestandsaufnahme zum Jahr 2012 und darauf aufbauenden Empfehlungen führt der Wissenschaftsrat dazu aus, dass insbesondere Teilzeitbeschäftigungen ein karrierehinderlicher Kompromiss vornehmlich für Frauen seien, die wissenschaftliche Berufstätigkeit und Familienaufgaben vereinbaren wollen (Wissenschaftsrat, Drs. 2218-12, S. 22 ff.). Auch kommt der Wissenschaftsrat zu der Feststellung, dass die Benachteiligungen struktureller Natur seien und kein Ausdruck freier individueller Entscheidung. Vielmehr erlebten „Frauen im Gegensatz zu Männern eher ‚ein Organisationsklima geschlechtsbezogener Ungleichheit‘“ (Wissenschaftsrat, Drs. 2218-12, S. 24).

Auch mit Blick auf die Unterrepräsentanz von Frauen in der Hochschulverwaltung ist die gesetzgeberische Annahme, dass es sich um eine Folge struktureller Benachteiligung handelt, hinreichend plausibel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Hochschulbereich gerade in den höheren Besoldungsstufen eine enge personelle Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Hochschulverwaltung besteht. So rekrutieren sich die Leitungsämter im Hochschulbereich aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren. Auch auf Dezernentenebene finden sich vielfach Personen, die zuvor an der jeweiligen Hochschule promoviert haben. Der Bericht der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz „25. Fortschreibung des Datenmaterials (2019/2020) zu Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen“ legt zudem eine allgemeine strukturell bedingte Benachteiligung von Teilzeitkräften im Hochschulbereich nahe (S. 13 ff.).

Der gesetzgeberischen Beobachtungsobliegenheit, ob das Gleichstellungsziel erreicht und somit die Notwendigkeit der Regelung entfallen ist, kommt der Thüringer Gesetzgeber durch die gesetzlich vorgesehenen Gleichstellungsberichte nach. Nach § 14 Satz 1 und 2 ThürGleichG legt die Landesregierung dem Landtag alle sechs Jahre einen Erfahrungsbericht über die Gleichstellung von Frauen und Männern in den in § 1 ThürGleichG genannten Verwaltungen vor; insbesondere ist die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen und in höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen darzulegen. Zudem müssen Hochschulen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ThürHG i. V. m. § 4 Abs. 1 ThürHG für jeweils sechs Jahre einen Gleichstellungsplan erstellen, in dem die Bedienstetenstruktur auszuweisen ist. Dabei sind nach § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 3 ThürGleichG die Anteile von Frauen und Männern insgesamt bei Bewerbungen, Einstellungen, Höhergruppierungen, Beförderungen, Fortbildung und Gremienbesetzung in den einzelnen Bereichen darzustellen und im Falle von Unterrepräsentanz zu begründen. Aus den Gleichstellungsplänen der Thüringer Hochschulen wird ersichtlich, dass das Gleichstellungsziel noch nicht erreicht ist (siehe etwa Gleichstellungsplan der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 13. April 2021, S. 6 f.; Gleichstellungsplan der Bauhaus-Universität Weimar vom 7. April 2021, S. 5; Gleichstellungsplan der Technischen Universität Ilmenau vom 6. Juli 2021, S. 6; Gleichstellungsplan der Fachhochschule Erfurt vom 27. April 2022, S. 10).

Die gesetzgeberische Annahme, die Beschränkung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auf das weibliche Geschlecht sei für eine effektive Förderung der Gleichstellung an Hochschulen geeignet, bewegt sich ebenfalls im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative. So erscheint es plausibel, dass strukturelle Nachteile besonders gut aus der Sicht des benachteiligten Geschlechts erkannt, beurteilt und behoben werden können (vgl. auch BTDrucks. 14/5679, S. 27 zum Bundesgleichstellungsgesetz). Solange und soweit weibliche Beschäftigte strukturelle Benachteiligungen erfahren und diese das Alltagsleben anderer Geschlechtergruppen nicht in gleicher Weise betreffen, verfügen Frauen bei einer typisierenden Betrachtung eher über das erforderliche Wissen und die erforderlichen Fähigkeiten (LVerfG M-V, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 7/16 -, juris Rn. 104; VG Augsburg, Beschluss vom 16. Juni 2004 – Au 2 E 04.890 -, juris, Rn. 16;
VG Berlin, Beschluss vom 7. Dezember 2012 – 5 L 419.12 -, juris Rn. 13; vgl. auch schon BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 – 2 BvR 445/91 -, BVerfGE 91, 228 [245] = juris Rn. 49: „Da für den Posten der Gleichstellungsbeauftragten erfahrungsgemäß Frauen eher in Betracht kommen als Männer […]“).

Schließlich ist der weite Zuständigkeitsbereich der Gleichstellungsbeauftragten für das erstrebte allgemeine Gleichstellungsziel an Hochschulen nicht von vornherein ungeeignet. In § 6 Abs. 2 ThürHG wird insoweit ausdrücklich Bezug auf das – auch im europäischen Primärrecht in Art. 8 AEUV verankerte – Konzept des „Gender Mainstreamings“ genommen, wonach das geschlechtsspezifische Gleichstellungsgebot in Organisationssystemen umfassend zu berücksichtigen ist. Eine solche integrierte Gleichstellungsorientierung verlangt über die Befassung mit offensichtlichen Diskriminierungstatbeständen hinaus, auch bei Entscheidungen, die auf den ersten Blick keinen geschlechtsspezifischen Problemgehalt haben, Gleichstellungsaspekte mitzubedenken (vgl. BTDrucks. 19/24615, S. 63 ff.; Stiegler, Gender Mainstreaming, in: Wiechmann, Genderpolitik: Konzepte, Analysen und Befunde aus Wirtschaft und Politik, 2016, S. 243 ff.). § 6 Abs. 2 ThürHG wurde mit dem Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 2006 eingeführt und soll nach der Gesetzesbegründung der Verankerung von „Gender Mainstreaming“ als durchgängigem Leitprinzip im Hochschulbereich dienen. Es soll gewährleisten, dass bei allen hochschulpolitischen und administrativen Entscheidungsprozessen und Maßnahmen die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig berücksichtigt werden. Es sollen stets die unterschiedlichen Auswirkungen von Regelungsvorhaben auf alle Geschlechter geprüft und die Dimension der Chancengleichheit frühzeitig in Lösungs- und Handlungsoptionen staatlich administrativen Handels einbezogen werden (LTDrucks. 4/2296, S. 149).

Diesem Konzept entspricht der in § 6 Abs. 5 Satz 1 ThürHG breit gefasste Zuständigkeitsbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten. So wirkt die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule allgemein auf die Herstellung der Chancengleichheit der Geschlechter in der Hochschule hin. Sie macht nach § 6 Abs. 5 Satz 3 ThürHG Vorschläge und nimmt Stellung gegenüber den zuständigen Stellen der Hochschule in allen Angelegenheiten, die die Belange der Chancengleichheit, insbesondere diejenigen der Frauen in der Hochschule berühren, insbesondere in Berufungsverfahren und bei der Besetzung der Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie des sonstigen Personals. Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin sollen Benachteiligungen abbauen, die für Frauen an Thüringer Hochschulen bestehen. Die Gleichstellungsziele sollen insbesondere dadurch gefördert werden, dass die Verhältnisse an der Hochschule insgesamt aus Sicht des benachteiligten Geschlechts beurteilt werden.

Die in § 6 Abs. 3 ThürHG für die Gleichstellungsbeauftragte vorgesehene Beschränkung des passiven Wahlrechts auf Frauen ist auch erforderlich. Auch insoweit hat die Verfassungsgerichtsbarkeit den Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu achten. Eine Regelung, die der Gesetzgeber für erforderlich hält, kann nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Maßnahmen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen aber weniger belasten (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2000 – 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197 [218] = juris Rn. 77). Zugleich darf sich mit dem milderen Alternativmittel auch für Dritte und die Allgemeinheit keine zusätzliche Belastung verbinden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 -, BVerfGE 113, 167 [259] = juris, Rn. 243). Angesichts dieses eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs ist weder zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das Amt der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht für Personen anderen Geschlechts geöffnet hat, noch, dass der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich nicht auf die von der Unterrepräsentanz betroffenen höheren Besoldungsebenen beschränkt hat.

Das Amt der Gleichstellungsbeauftragten bzw. ihrer Stellvertreterin für Personen jeden Geschlechts zu öffnen, wäre zwar eine mildere Maßnahme. Es ist jedoch nicht sicher feststellbar, dass die Vorschrift die gleiche Wirksamkeit zur Erreichung des Gleichstellungsgebots entfalten würde. So ist nicht auszuschließen, dass männliche Gleichstellungsbeauftragte bei den zu fördernden weiblichen Beschäftigten weniger Akzeptanz finden, was die Effektivität der Aufgabenerfüllung beeinträchtigen würde (LVerfG M-V, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 7/16 -, juris Rn. 104; vgl. auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 -, juris Rn. 62 ff.; vgl. mit Blick auf Frauen muslimischen Glaubens BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 -, juris Rn. 30 ff.; BTDrucks. 14/5679, S. 27 zum Bundesgleichstellungsgesetz). Es erscheint plausibel, dass Frauen sich wegen Diskriminierungen, die etwa an Ausfallzeiten infolge von Schwangerschaft und Mutterschaft anknüpfen, eher an Personen desselben Geschlechts wenden (VG Augsburg, Beschluss vom 16. Juni 2004 – Au 2 E 04.890 -, juris Rn. 16; VG Arnsberg, Urteil vom 14. August 2013 – 2 K 2669/11 -, juris Rn. 90; siehe auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 -, juris Rn. 64). Auch im Falle eines von sexuellen Übergriffen beeinflussten Arbeitsbereiches ist es naheliegend, dass eine weibliche Gleichstellungsperson – bei typisierender Betrachtung – von Frauen als zugänglicher empfunden wird (siehe dazu Hillermann, Die Gleichstellungsbeauftragte, 2022, S. 41 ff. m. w. N.).

Eine paritätische Ausgestaltung des Gleichstellungsamtes mit einem zusätzlichen männlichen Gleichstellungsbeauftragten wäre keine gleich geeignete mildere gesetzliche Regelung, da eine solche Doppelstruktur die ohnehin begrenzte Einwirkungsmacht der Gleichstellungsbeauftragten schwächen würde. Zudem würde die Allgemeinheit dadurch angesichts der zusätzlichen Ressourcenbindung zusätzlich belastet, zumal eine anteilige Wahrnehmung der Tätigkeit wegen des ganzheitlichen Gleichstellungsauftrages in § 6 ThürHG nicht in Betracht kommt (so auch LVerfG M-V, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 7/16 -, juris Rn. 93 ff.; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 -, juris Rn. 63; Hillermann, Die Gleichstellungsbeauftragte, 2022, S. 41 ff.).

Ebenso wenig wäre eine Beschränkung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten auf die Ebenen, in denen die statistische Unterrepräsentanz von Frauen offen zu Tage tritt, geeignet, das Gleichstellungsziel gleichermaßen effektiv zu fördern. Bei typisierender Betrachtung ist es naheliegend, dass die Ursachen von auf strukturellen Nachteilen beruhenden Unterrepräsentanzen auf höheren Karrierestufen ebenenübergreifender und multifaktorieller Natur sind (vgl. dazu auch VG Berlin, Beschluss vom 7. Dezember 2012 – 5 L 419.12 – juris Rn. 12; Erzinger, NVwZ 2016, 359, 360). Im Hochschulbereich erweist sich ein ebenenübergreifender Gleichstellungsansatz als besonders plausibel. So müssen schon auf Ebene der studentischen Assistenzstellen oder in den Eingangsämtern der Hochschulverwaltung strukturell diskriminierende Verhältnisse vermieden werden, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern auf nachfolgenden Karrierestufen entsprechend Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf fördern und sichern zu können. Erfahren etwa Teilzeitkräfte schon auf niedrigster Karrierestufe Benachteiligungen durch überwiegend männliche Dienstvorgesetzte, so beeinträchtigt das unmittelbar ihre weitere berufliche Entwicklung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich wissenschaftliche Karrieren – anders als sonst im Öffentlichen Dienst – nicht linear in Laufbahngruppen vollziehen, so dass sich eine auf Gleichstellung gerichtete Förderung im Hochschulbereich als komplexes Unterfangen erweist. So sind Wissenschaftskarrieren durch befristete Stellen, personale Abhängigkeitsverhältnisse sowie häufige Wechsel von Haushalts- und Drittmittelstellen an unterschiedlichen Universitäten geprägt. Teilweise werden auch Stellen in der Hochschulverwaltung, die etwa Koordinierungszwecken dienen, für die wissenschaftliche Karriereentwicklung in der Promotions- und Post-Doc-Phase fruchtbar gemacht. Die Leitungsebenen der Hochschulverwaltung rekrutieren sich überdies regelmäßig aus dem wissenschaftlichen Bereich. Insoweit sind wissenschaftliche und hochschulverwaltungsrechtliche Personalentwicklung miteinander verwoben, so dass ein Hinwirken auf ein übergreifendes Gleichstellungskonzept für die gesamte Hochschule zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu beanstanden ist. Es steht dem Gesetzgeber daher frei, den Aufgabenbereich der weiblichen Gleichstellungsbeauftragten auch auf untere Karriereebenen zu erstrecken, auf denen keine signifikanten Ungleichbehandlungen in der Einstellungspraxis erkennbar sind, solange signifikante Geschlechtsunterschiede auf höheren Karriereebenen bestehen, die sich plausibel auf strukturelle Benachteiligungen zurückführen lassen.

Schließlich bestehen zum jetzigen Zeitpunkt keine durchgreifenden Bedenken bezüglich der Angemessenheit des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG. Durch die Beschränkung des passiven Wahlrechts auf weibliche Hochschulmitglieder hat der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. So ist die Intensität der Beeinträchtigung gering und der Vorteil der Regelung zur Erfüllung des Verfassungsauftrages nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 ThürVerf hinreichend plausibel.

Die Intensität der Beeinträchtigung der Belange derjenigen, die von der Wahl als Gleichstellungsbeauftragte oder Stellvertretende ausgeschlossen werden, ist gering. So wird Personen anderen Geschlechts durch § 6 Abs. 3 ThürHG allein die Möglichkeit genommen, ein temporäres Wahlamt zu übernehmen, das kein statusrechtliches Amt begründet. Die Gleichstellungsbeauftragte hat nach § 6 Abs. 5 Satz 3 bis 6 ThürHG überwiegend Antrags- und Rederechte. Auch das Einspruchsrecht des § 6 Abs. 6 ThürHG begründet keine echte Vetoposition, sondern vermag Entscheidungen allenfalls zu verzögern. Die Intensität der Ungleichbehandlung wird weiter dadurch abgemildert, dass der Gesetzgeber weitere Ämter im Gleichstellungsbereich vorsieht, die nicht auf das weibliche Geschlecht beschränkt sind. So ist nach § 6 Abs. 9 ThürHG ein Beirat für Gleichstellungsfragen zu bilden, der allen Geschlechtern offensteht. Ferner ist gem. § 7 ThürHG ein Beauftragter für Diversität zu bestellen, der sich generell für die Vielfalt an Hochschulen – auch mit Blick auf die Geschlechter – einsetzen soll. Dieses Amt steht Personen aller Geschlechter offen. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 ThürHG erstreckt sich sein Zuständigkeitsbereich auf alle Mitglieder und Angehörigen der Hochschule. Er fördert unabhängig von der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der geschlechtlichen Identität oder der sexuellen Orientierung gleichberechtigt die Teilhabe an der Forschung, der Lehre, dem Studium und der Weiterbildung innerhalb der Hochschule. Der Beauftragte für Diversität übernimmt damit eine Schutzfunktion, die auch Überschneidungen mit der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten aufweist.

Angesichts des geringen Beeinträchtigungsgrades des § 6 Abs. 3 ThürHG und der noch fortbestehenden strukturellen Benachteiligungen im Hochschulbereich überschreitet die gesetzgeberische Entscheidung, die tatsächliche Gleichstellung durch die Beschränkung des Amts der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auf Personen weiblichen Geschlechts besonders zu fördern, zum derzeitigen Zeitpunkt nicht die Grenze zur Unangemessenheit. Die gesetzgeberische Annahme, dass die Begrenzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auf Frauen ihre Aufgabenwahrnehmung besonders zu effektuieren vermag, ist nicht zu beanstanden (vgl. LVerfG M-V, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 7/16 -, juris Rn. 100 ff.). Siehe auch schon VG Augsburg, Beschluss vom 16. Juni 2004 – Au 2 E 04.890 -, juris Rn. 16; VG Arnsberg, Urteil vom 14. August 2013 – 2 K 2669/11 -, juris Rn. 67 ff.; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17 -, juris Rn. 72).

Die Bestimmung des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach nur weibliche Personen für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule und deren Stellvertreterin wählbar sind, ist auch vereinbar mit dem aus Art. 44 Abs. 1 ThürVerf abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz (1), der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 ThürVerf (2) und dem Demokratieprinzip nach Art. 44, 45 ThürVerf (3).

§ 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHGist hinreichend bestimmt. Das Gesetz ist klar und unmissverständlich formuliert und lässt keine Zweifel an seiner Bedeutung.

Auch mit der Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen aus Art. 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf ist § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG vereinbar. Die Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten ist allenfalls mittelbar wissenschaftsrelevant. Die Gleichstellungsbeauftragte wirkt gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 ThürHG auf die Herstellung der Chancengleichheit der Geschlechter in der Hochschule hin und macht dafür gegenüber den zuständigen Stellen der Hochschule, insbesondere in Berufungsverfahren und bei der Besetzung der Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie des sonstigen Personals Vorschläge und nimmt Stellung. Sie hat in Sitzungen des Senats, des Hochschulrats, der Hochschulversammlung, der Selbstverwaltungsgremien unterhalb der zentralen Ebene sowie deren Ausschüssen, insbesondere Berufungskommissionen, zu denen sie wie ein Mitglied zu laden ist, nach § 6 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1 ThürHG ein Teilnahme-, Antrags- und Rederecht; eine Entscheidungsbefugnis kommt ihr jedoch nicht zu. Jedenfalls ist § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG vom gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum erfasst. Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung bestehen nicht. Davon abgesehen verbleibt den Hochschulen ein weiter Spielraum, die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten näher auszugestalten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 – 2 BvR 445/91 -, BVerfGE 91, 228 [243 f.] = juris Rn. 44).

Schließlich steht § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG auch mit dem Demokratieprinzip in Einklang. Die Gleichstellungsbeauftragte wird gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 bis 4 ThürHG vom Senat auf Vorschlag des Beirats für Gleichstellungsfragen gewählt und von der Hochschule für die Dauer von jeweils bis zu drei Jahren bestellt, die mehrmalige Wiederwahl ist zulässig. Durch die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten durch den Senat lässt sich somit eine personelle demokratische Legitimation der Gleichstellungsbeauftragten mittelbar von der Legitimation des Senats als Selbstverwaltungsorgan ableiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, jedoch erst jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter anzusehen (vgl. Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VerfGH 14/18 -, juris, Rn. 116; Urteil vom 25. September 2018 – VerfGH 24/17 -, juris Rn. 224 f.; BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 – 2 BvR 134, 268/76 -, BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43; Urteil vom 31. Oktober 1990 – 2 BvF 3/89 -, BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39; Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37 [68] = juris Rn. 139; Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98 -, BVerfGE 107, 59 [87] = juris Rn. 131; Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 -, BVerfGE 135, 155 [221] = juris Rn. 157). Mit den Befugnissen der Gleichstellungsbeauftragten geht keine eigene Letztentscheidungsbefugnis in diesem Sinne einher (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 – 2 BvR 445/91 -, BVerfGE 91, 228 [244] = juris Rn. 45). Zwar hat die Gleichstellungsbeauftragte die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 6 ThürHG gegen einen Beschluss oder eine Entscheidung eines Organs, eines Gremiums oder einer Kommission der Hochschule Einspruch einzulegen. Dieser Einspruch kann aber gemäß § 6 Abs. 6 Satz 3 bis 5 ThürHG von der betroffenen Stelle selbst unter Angabe von Gründen zurückgewiesen werden. Das Demokratieprinzip wird durch ein solches rein prozedurales suspensives Beanstandungsrecht nicht tangiert.

Die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Alt. 1 ThürHG steht im Einklang mit dem Demokratieprinzip nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45 ThürVerf (aa) und der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf (bb).

Die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat begründet keinen Verstoß gegen das Demokratieprinzip nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45 ThürVerf.

Die Maßgaben des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sind wegen der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG bei der Auslegung des landesverfassungsrechtlichen Demokratieprinzips aus Art. 44 und Art. 45 ThürVerf zu beachten. Das Demokratieprinzip erstreckt sich auf alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt (Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VerfGH 14/18 -, juris, Rn. 116; Urteil vom 25. September 2018 – VerfGH 24/17 -, juris Rn. 224 f.; BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 – 2 BvR 134/76 -, BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, jedenfalls jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 – 2 BvR 134, 268/76 -, BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43; Urteil vom 31. Oktober 1990 – 2 BvF 3/89 -, BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39; Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37 [68] = juris Rn. 139; Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98 -, BVerfGE 107, 59 [87] = juris Rn. 131; Urteil vom 28. Januar 2014
– 2 BvR 1561/12 -, BVerfGE 135, 155 [221] = juris Rn. 157). Insoweit ist es unerheblich, ob es sich um unmittelbar außenwirksame Entscheidungen handelt oder nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12, 1562/12, 1563/12, 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 [221] = juris Rn. 157). Demokratische Legitimation wird nach dem in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten klassischen Modell der Verwaltungslegitimation zunächst durch das Zusammenwirken mehrerer Legitimationsmodi bzw. Legitimationsstränge (funktionelle und institutionelle, organisatorisch-personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation) gewährleistet. Die verschiedenen Legitimationsmodi müssen in ihrem Zusammenwirken ein „hinreichendes“ Legitimationsniveau erreichen (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 2 BvF 3/89 -, BVerfGE 83, 60 [72] = juris Rn. 37; Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37 [66 f.] = juris Rn. 135; Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5, 6/98 – BVerfGE 107, 59 [87] = juris Rn. 132). Eine verminderte Legitimation des einen Stranges kann durch eine verstärkte Legitimation des anderen Stranges ausgeglichen werden (BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 – 2 BvR 133/10 -, BVerfGE 130, 76 [124] = juris Rn. 167).

Daneben ist das Demokratiegebot offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Insbesondere ist in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die funktionale Selbstverwaltung als Ausprägung des Demokratieprinzips anerkannt. Die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen ergänzt und verstärkt das demokratische Prinzip. Darin verwirklicht sich die freiheitlich-demokratische Idee des sich selbst bestimmenden Menschen i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG. Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt deshalb, durch formelles Gesetz für bestimmte öffentliche Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98 -, BVerfGE 107, 59 [91 f.] = juris Rn. 143).

Sofern Selbstverwaltungsorganen verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter gegenüber Dritten eingeräumt wird, bedarf es indes zusätzlicher legitimatorischer Absicherung – etwa durch den sachlich-inhaltlichen Legitimationsstrang –, um die demokratische Rückkopplung an das Volk zu gewährleisten. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem vom Parlament beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98 -, BVerfGE 107, 59 [94] = juris Rn. 148).

Bei der Feststellung des Jahresabschlusses handelt es sich um die Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf. Nach § 2 Abs. 1 ThürHG sind die Hochschulen des Landes rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen. Sie erfüllen ihre Aufgaben durch eine Einheitsverwaltung (§ 2 Abs. 4 Satz 1 ThürHG), die das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze ausübt (§ 2 Abs. 3 ThürHG) und Auftragsangelegenheiten in eigener Zuständigkeit wahrnimmt (§ 2 Abs. 4 Satz 2 ThürHG). Zu den staatlichen Auftragsangelegenheiten zählt gem. § 2 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 ThürHG unter anderem die Bewirtschaftung und Verwendung der zugewiesenen Stellen und Mittel. Die Hochschulen werden haushaltsrechtlich nach § 14 Abs. 3 Satz 1 ThürHG wie Landesbetriebe geführt, was zugleich bedeutet, dass sie nicht wie Behörden nach kameralistischen Grundsätzen Rechnung legen. § 14 Abs. 3 Satz 2 ThürHG sieht daher vor, dass sie entsprechend § 26 ThürLHO einen Wirtschaftsplan aufstellen, nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung buchen (vgl. § 74 Abs. 1 ThürLHO), und einen Jahresabschluss i. S. d. § 87 ThürLHO aufstellen. Näheres zur Aufstellung des Jahresabschlusses u. a. regelt gem. § 14 Abs. 3 Satz 4 ThürHG das Ministerium im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung. Die gesamte Tätigkeit unterfällt damit bereits von Gesetzes wegen dem Bereich der staatlichen Auftragsangelegenheiten der Hochschulen.

Es ist im Hinblick auf das Demokratieprinzip nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses einem Organ zugewiesen hat, das nicht in die hierarchische Ministerialverwaltung eingegliedert ist. Der Hochschulrat ist das dritte Hauptorgan der universitären Einheitsverwaltung im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 1 ThürHG. Seine Mitglieder werden gem. § 35 Abs. 1 Satz 3 ThürHG vom Senat als zentralem Selbstverwaltungsorgan gewählt und nach ihrer Wahl gem. § 34 Abs. 4 Satz 2 ThürHG vom zuständigen Ministerium bestellt. Seine personelle demokratische Legitimation leitet sich daher mittelbar sowohl von der Legitimation des Senats als hauptsächlich Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmendes Hochschulorgan als auch von der über den Landtag vermittelten demokratischen Legitimation des Ministeriums ab. Seine Aufgaben sind hinreichend bestimmt und die Anforderungen an die staatliche Beaufsichtigung werden gewährleistet (ausführlich zu diesen Anforderungen Kahl, AöR 130 [2005], 225, 236 ff.).

Die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Hochschulorgane im Allgemeinen und des Hochschulrats im Besonderen werden durch das Thüringer Hochschulgesetz genau bestimmt. So trifft § 34 Abs.1 und 2 ThürHG detaillierte Regelungen zu Aufgaben und Befugnissen des Hochschulrates. Zudem unterstehen sämtliche Hochschulorgane nach § 18 ThürHG und mithin auch der Hochschulrat einer detailliert geregelten Staatsaufsicht. Insoweit verfügt der Hochschulrat auch über materiell-inhaltliche Legitimation. Insgesamt wird dadurch ein hinreichendes Legitimationsniveau erreicht.

Ferner lassen die Regelungen in § 14 Abs. 8 ThürHG eine umfassende inhaltliche Kontrolle des Jahresabschlusses durch das Ministerium zu. Hiernach werden der Jahresabschluss und der Lagebericht der Hochschule in entsprechender Anwendung der für große Kapitalgesellschaften geltenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres aufgestellt und von einem Abschlussprüfer geprüft. Die Prüfung erfolgt entsprechend § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Der Jahresabschluss enthält eine Darstellung der Trennung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit (Trennungsrechnung). Der geprüfte Jahresabschluss ist dem Ministerium bis zum 31. Mai des auf das Wirtschaftsjahr folgenden Jahres vorzulegen. Der festgestellte Jahresabschluss ist dem Ministerium bis zum 31. August des auf das Wirtschaftsjahr folgenden Jahres anzuzeigen.

Welche haushalterischen Schlussfolgerungen das Ministerium aus dem festgestellten Jahresabschluss zieht, regelt § 14 Abs. 8 ThürHG dagegen nicht. Vielmehr verbleibt es in der Verantwortung des Ministeriums, u. a. auf der Grundlage der im Jahresabschluss enthaltenen Informationen, eine eigene haushaltsrechtliche Beurteilung vorzunehmen. Sie fließt, bezogen auf das zurückliegende Haushaltsjahr, in die Haushaltsrechnung der Landesregierung nach Art. 102 Abs. 1 ThürVerf ein, die dem Landtag vorzulegen ist. Unberührt von der hochschulrechtlichen Regelung sind auch der Umfang und Inhalt der Kontrolle des Haushaltsvollzugs durch den Landesrechnungshof nach Art. 102 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 ThürVerf. Schließlich bleibt, bezogen auf künftige Haushaltsjahre, die Verantwortung der Landesregierung ungeschmälert, Haushaltspläne nach Art. 98 ThürVerf aufzustellen, die sodann der Feststellung durch Parlamentsgesetz bedürfen, Art. 99 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf.

Dieser Analyse entspricht die Rechtslage aufgrund der gem. § 14 Abs. 3 Satz 5 ThürHG erlassenen Rechtsverordnung. Nach § 7 Abs. 3 der Thüringer Hochschulfinanzverordnung (Thüringer Verordnung über die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen der staatlichen Hochschulen des Landes – ThürHSFVO – vom 20. August 2021, GVBl. S. 428) leitet das Ministerium dem für die Finanzen zuständigen Ministerium und dem Rechnungshof den festgestellten Jahresabschluss nebst dem Ergebnis seiner verwaltungsmäßigen Prüfung nach Absatz 1 Satz 2 zu. Das Ministerium entscheidet im Einvernehmen mit dem für die Finanzen zuständigen Ministerium über die Verwendung des jeweiligen Jahresüberschusses oder die Abdeckung des jeweiligen Jahresfehlbetrags (Ergebnisverwendung) unter Beachtung der Inhalte der jeweils geltenden Rahmenvereinbarung nach § 12 ThürHG und teilt die Entscheidung zur Ergebnisverwendung der jeweiligen Hochschule mit. Die Prüfungsrechte des Rechnungshofs bleiben unberührt.

Die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat verstößt nicht gegen die von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf gewährleistete Wissenschaftsfreiheit.

Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf sind Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Die Wissenschaftsfreiheit schützt „die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“ (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 -, BVerfGE 35, 79 [112 f.] = juris Rn. 92). Wesentliche Elemente der Freiheit der Forschung sind die freie Wahl der Fragestellung, die Methode, die Durchführung des Forschungsprojektes sowie seine Bewertung und die Art und Weise, wie die Forschungsergebnisse publiziert werden. Die Lehrfreiheit erfasst insbesondere deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen (Strauch/Böttner, in: Brenner/Hinkel/Hopfe/Poppenhäger/von der Weiden, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 2. Auflage 2023, Art. 27 Rn. 27). Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf haben Hochschulen das Recht auf Selbstverwaltung. Die in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf garantierte Hochschul-Selbstverwaltung schützt die Freiheit von Forschung und Lehre und setzt daher staatsunmittelbaren Einflussnahmen im Bereich der Organisation des Wissenschaftsbetriebes Grenzen (vgl. Dörr, in: Brocker/Droege/Jutzi, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Auflage 2022, Art. 39 Rn. 5; dazu unter 1). Insbesondere folgt aus Art. 27 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf, dass Professorinnen und Professoren maßgeblicher Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen zukommen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1982 – 1 BvR 1470/80 -, BVerfGE 61, 260 [280] = juris Rn. 85; dazu unter 2).

Zu den Kernelementen der zu gewährenden Selbstverwaltung zählen Angelegenheiten, die „wissenschaftsrelevant“ sind, d. h. die Forschung und Lehre unmittelbar berühren. Zu diesen Angelegenheiten gehören insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Aufstellung von Lehrprogrammen, die Planung des Lehrangebotes, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen, die Harmonisierung der Lehraufgaben mit den Forschungsvorhaben, die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben sowie Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrerschaft und des wissenschaftlichen Mittelbaus (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 -, BVerfGE 35, 79 [123] = juris Rn. 115).

Der unmittelbare Bezug zu Forschung und Lehre ist wertend zu bestimmen. Wissenschaftsrelevante Entscheidungen sind nicht nur Entscheidungen über konkrete Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch über die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrichtung und über die Ordnungen, die für die eigene Organisation gelten sollen. Wissenschaftsrelevant sind auch alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt, denn das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit liefe leer, stünden nicht auch die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Ressourcen zur Verfügung, die Voraussetzungen für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Freiheit sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 3217/07 -, BVerfGE 136, 338 [363 f.] = juris Rn. 58; nochmals bestätigt mit Kammerbeschluss vom 5. Februar 2020 – 1 BvR 1586/14 -, juris Rn. 17). Haushalts- und Budgetentscheidungen müssen daher die verfassungsrechtlich in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf garantierten Anforderungen an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit hinreichend beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014
– 1 BvR 3217/07 -, BVerfGE 136, 338 [371] = juris Rn. 71). Grundlegende ökonomische Entscheidungen einer Hochschule sind daher wissenschaftsrelevant.

Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf verpflichtet den Staat zu Schutz und Förderung wissenschaftlicher Betätigung und garantiert über Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zugleich die Teilhabe am Wissenschaftsbetrieb. Das dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen; denn im Kern wissenschaftliche Entscheidungen müssen der Wissenschaft selbst überlassen sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2015 – 1 BvR 1501/13 -, BVerfGE 139, 148 [182 f.] = juris Rn. 68). Der Staat muss für funktionsfähige Institutionen eines freien universitären Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist. Zur Organisation der Wissenschaftsfreiheit bedarf es daher eines Gesamtgefüges, in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle durch die wissenschaftlich Tätigen so beschaffen sind, dass Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung vermieden werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 3217/07 -, BVerfGE 136, 338 [363] = juris Rn. 57; Beschluss vom 12. Mai 2015 – 1 BvR 1501/13 -, BVerfGE 139, 148 [182 f.] = juris Rn. 68).

Bei der Beurteilung, ob eine hochschulorganisatorische Regelung Strukturen schafft, die sich gefährdend auswirken können, ist das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge mit seinen unterschiedlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere die Zusammensetzung der hochschulrechtlich vorgesehenen Gremien (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 -, BVerfGE 35, 79 [120 f.] = juris Rn. 110) und die Bedeutung der jeweiligen Entscheidung für die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 911/00 -, BVerfGE 111, 333 [355] = juris Rn. 139).

Solange der Gesetzgeber ein in diesem Sinne hinreichendes Maß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger sicherstellt, ist er frei, den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen zu regeln, um die unterschiedlichen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und die Interessen aller daran Beteiligten in Wahrnehmung seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Der Gesetzgeber ist dabei nicht an überkommene hochschulorganisatorische Strukturen gebunden. Er darf nicht nur neue Modelle und Steuerungstechniken entwickeln und erproben (grundlegend zur Zulässigkeit kollegialer Organisationsformen: Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999, passim), sondern ist sogar verpflichtet, bisherige Organisationsformen kritisch zu beobachten und zeitgemäß zu reformieren. Ihm stehen dabei eine Einschätzungsprärogative und ein Prognosespielraum zu. Insbesondere darf der Gesetzgeber die Art und Weise der Beteiligung der Grundrechtsträger frei gestalten, solange die Strukturen die freie Lehre und Forschung hinreichend gewährleisten. Er kann etwa eine direkte oder repräsentative Beteiligung an Entscheidungen, eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme, Entscheidungs-, Veto-, Mitwirkungs- oder Anhörungsrechte, Aufsichts-, Informations- oder Kontrollrechte regeln, je nachdem, welche organisatorischen Strukturen ihm für eine funktionsfähige Wissenschaftsverwaltung geeignet erscheinen. Die zur Sicherung der Wissenschaftsadäquanz von hochschulorganisatorischen Entscheidungen gebotene Teilhabe der wissenschaftlich Tätigen muss nicht in jedem Fall im Sinne der herkömmlichen Selbstverwaltung erfolgen. Auch hochschulexterne Institutionen können dazu beitragen, einerseits staatliche Steuerung wissenschaftsfreiheitssichernd zu begrenzen und andererseits der Gefahr der Verfestigung der Interessenlagen zu begegnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 911/00 -, BVerfGE 111, 333 [355 f.] = juris Rn. 140 f.).

Organe der Hochschulen sind gem. § 28 Abs. 1 ThürHG auf der zentralen Ebene das Präsidium, der Hochschulrat, der Senat und die Hochschulversammlung. Die Einrichtung von Hochschulräten ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers grundsätzlich erfasst (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 911/00 -, BVerfGE 111, 333 [363] = juris Rn. 166). Es handelt sich um ein in vielen Ländern vorgesehenes innovatives hochschulrechtliches Organ, das – gerade wegen seines Blicks von außen – in positiver Weise auf die Arbeit der Hochschulen einwirken und sie bei ihrer Profilbildung unterstützen soll. Die in den Hochschulräten vertretene externe Expertise und die Erfahrungen sollen dazu genutzt werden, die Hochschulen in ihrer strategischen Entwicklung zu beraten und zu unterstützen sowie konkrete Empfehlungen zu geben (vgl. LTDrucks. 4/2296, S. 160 f. und LTDrucks. 6/4467, S. 173 ff.).

Auch die Binnenorganisation der Thüringer Hochschulräte ist nicht zu beanstanden. Die Zusammensetzung der Thüringer Hochschulräte entspricht ihrer Zielsetzung, denn den Hochschulräten gehören überwiegend Persönlichkeiten an, die nicht Mitglieder der jeweiligen Hochschule oder des Ministeriums sind. § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG schreibt vor, dass die Hochschulratsmitglieder nicht die Interessen der Einrichtung oder des Gremiums vertreten, denen sie angehören, sondern im Interesse der gesamten Hochschule handeln sollen. Die Mitglieder des Hochschulrats werden vom Senat gewählt und können nach § 34 Abs. 5 Satz 1 ThürHG vom Senat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder abgewählt werden. Damit wird ein Arbeiten gegen den viertelparitätisch besetzten Senat (§ 35 Abs. 3 Satz 1 ThürHG) organisationrechtlich verhindert.

Die Aufgaben der Hochschulräte sind in § 34 Abs. 1 ThürHG im Einzelnen festgelegt. Grundsätzlich ist jede Befugnis des Hochschulrats insoweit einzeln zu prüfen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Mai 2008 – Vf. 19-VII-06 -, juris Rn. 94). Um die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des Hochschulrates und die konkrete Bedeutung der Entscheidung für die Wissenschaftsfreiheit angemessen beurteilen zu können, muss jedoch auch der für die Befugnis maßgebliche regulatorische Rahmen und das hochschulorganisationsrechtliche Gesamtkonzept Berücksichtigung finden. Die Befugnisse der Thüringer Hochschulräte sind überwiegend beratender und empfehlender Natur. Auch die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 ThürHG verstößt nicht gegen die organisationsrechtlichen Maßgaben der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf. Der Jahresabschluss informiert lediglich über die wirtschaftliche Lage einer Hochschule und vermittelt keine wirtschaftlichen Entscheidungsbefugnisse. Insbesondere handelt es sich nicht um ein Instrument der Wissenschaftsführung.

Die Feststellung des Jahresabschlusses ist Teil der Regelungen zur Wirtschaftsführung und des Rechnungswesens der Hochschulen. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 ThürHG werden die Thüringer Hochschulen wie Landesbetriebe geführt, so dass sich Wirtschaftsführung und Rechnungswesen gem. § 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 ThürHG nach den kaufmännischen Regeln des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften und die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung richten. Das Nähere, insbesondere zum Jahresabschluss, regelt das Ministerium gem. § 14 Abs. 3 Satz 5 ThürHG im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung – dies erfolgt durch die Thüringer Hochschulfinanzverordnung (ThürHSFVO). Im Übrigen finden nach § 14 Abs. 3 Satz 6 ThürHG die Bestimmungen der Thüringer Landeshaushaltsordnung Anwendung.

Zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres wird der Jahresabschluss in entsprechender Anwendung der für große Kapitalgesellschaften geltenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) von der Hochschule aufgestellt und nach § 14 Abs. 8 Satz 1 ThürHG von einem Abschlussprüfer geprüft. Für die Aufstellung des Jahresabschlusses ist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ThürHG das Präsidium zuständig. Dem Senat ist gem. § 35 Abs. 1 Nr. 13 ThürHG Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der durch den Abschlussprüfer geprüfte Jahresabschluss ist dem Ministerium im Vorfeld der Testierung zur verwaltungsmäßigen Prüfung vorzulegen. Aus dieser verwaltungsmäßigen Prüfung resultierende Hinweise und Korrekturbedarfe teilt das Ministerium der jeweiligen Hochschule binnen zehn Arbeitstagen mit. Die Hochschule veranlasst die Überarbeitung des geprüften Jahresabschlusses und dessen Testierung durch den Abschlussprüfer (§ 7 Abs. 1 ThürHSFVO). Der durch den Abschlussprüfer geprüfte und testierte Jahresabschluss ist dem Ministerium anschließend gem. § 7 Abs. 2 ThürHSFVO i. V. m. § 14 Abs. 8 Satz 4 ThürHG wieder vorzulegen.

Der Beschluss und die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen sodann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 ThürHG durch den Hochschulrat. Der festgestellte Jahresabschluss ist dem Ministerium hiernach gem. § 14 Abs. 8 Satz 5 ThürHG bis zum 31. August des auf das Wirtschaftsjahr folgenden Jahres anzuzeigen. Das Wissenschaftsministerium leitet dem Finanzministerium und dem Rechnungshof den festgestellten Jahresabschluss nebst dem Ergebnis seiner verwaltungsmäßigen Prüfung zu und entscheidet im Einvernehmen mit dem Finanzministerium über die Verwendung des jeweiligen Jahresüberschusses oder die Abdeckung des jeweiligen Jahresfehlbetrags (Ergebnisverwendung) und teilt nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürHSFVO die Entscheidung zur Ergebnisverwendung der jeweiligen Hochschule mit.

Der Jahresabschluss ist gem. § 243 Abs. 1 HGB nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung aufzustellen. Dazu gehören die Grundsätze der Dokumentation wie Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) sowie Vollständigkeit (§ 239 Abs. 2 HGB) und weitere Grundsätze der Rechenschaft wie das Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB), die Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) oder der Vorsichtsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB).

Der Jahresabschluss setzt sich aus der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zusammen. Die Bilanz ist ein das Verhältnis von Vermögen und Schulden darstellender Abschluss und die Gewinn- und Verlustrechnung die Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge (vgl. § 242 Abs. 1 bis 3 HGB). Die Jahresbilanz ist ein Abschluss, der auf der Aktivseite das Vermögen und auf der Passivseite die Schulden aufzeigt und gegenüberstellt. Aus der Aktivseite ist die Mittelverwendung und aus der Passivseite die Mittelherkunft ersichtlich. Aktiv- und Passivseite sind definitionsgemäß stets gleich groß; dies wird erreicht durch Ansatz des Jahresüberschusses bzw. Jahresfehlbetrages auf der Passivseite (Merkt, in: Hopt, Handelsgesetzbuch, 42. Auflage 2023, § 242 Rn. 2). Vermögen und Schulden sind in der Bilanz zum Abschlussstichtag aufzunehmen. Die Bilanz ist mithin lediglich ein stichtagsbezogenes Informationsinstrument (G. Roth, in: Heidel/Schall, HGB, 3. Auflage 2020, § 242 Rn. 10). Der Saldo aus Erträgen und Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung schlägt sich in der Bilanz als Veränderung des Eigenkapitals nieder. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist somit ein zeitraumbezogenes Informationsinstrument
(Böcking/Gros, in: Ebenroth u. a., HGB, Band 1, 4. Auflage 2020, § 242 Rn. 13).

Grundlage der Wirtschaftsführung einer Hochschule ist demgegenüber der jährlich aufzustellende Wirtschaftsplan, der gem. § 14 Abs. 7 Satz 2 ThürHG aus dem Erfolgs- und dem Investitionsplan sowie dem Stellenplan und einer nachrichtlichen Stellenübersicht besteht. Daran sind akademische Selbstverwaltungsorgane maßgeblich beteiligt. So nimmt der Senat gem. § 35 Abs. 1 Nr. 12 ThürHG zum Entwurf des Wirtschaftsplans Stellung. Anschließend ist der Wirtschaftsplan vom Hochschulrat gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 ThürHG zu bestätigen. Im Wirtschaftsplan wird die aufgaben-, leistungs- und evaluationsbezogene Verteilung von Stellen und Mitteln auf die Organisationseinheiten der Hochschule abgebildet. Grundlage dafür sind die nach § 14 Abs. 5 Satz 2 ThürHG aufzustellenden Grundsätze der Ausstattung und der internen Mittelverteilung. Zu diesen muss der Senat nach § 35 Abs. 1 Nr. 11 ThürHG sein Einvernehmen erteilen und der Hochschulrat gibt dazu nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 ThürHG eine Stellungnahme ab. Vereinbarungen zur Hochschulfinanzierung werden in der mit dem Ministerium abzuschließenden Ziel- und Leistungsvereinbarung nach § 13 Abs. 1 ThürHG getroffen. Auch hierzu muss der Senat sein Einvernehmen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 ThürHG erteilen. Der Hochschulrat gibt nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ThürHG lediglich eine Stellungnahme dazu ab.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Befugnis des Hochschulrats, den Jahresabschluss zu beschließen und festzustellen, als letzte Stufe im Verfahren zur Erfüllung der der Hochschule obliegenden Pflicht, ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ordnungsgemäß zu dokumentieren. Ob diese überhaupt Wissenschaftsrelevanz hat, ist zweifelhaft. Selbst wenn man aber eine Wissenschaftsrelevanz annähme, so läge kein Verstoß gegen die Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen vor. Zwar wird dem Hochschulrat ein Vetorecht vermittelt, das im Ernstfall zu einer Verzögerung der ministeriellen Entscheidung über die Ergebnisverwendung führen kann und somit im Einzelfall auch kurzfristig die Wirtschaftsführung des nachfolgenden Jahres mittelbar beeinflussen könnte. Eine rein abstrakt denkbare Blockademöglichkeit vermag die Funktionsfähigkeit der wissenschaftlichen Selbstverwaltung jedoch nicht zu gefährden (vgl. dazu in anderem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 911/00 -, BVerfGE 111, 333 [364 f.] = juris Rn. 170). Eine konkrete Gefahr struktureller Blockaden des Jahresabschlusses durch den Hochschulrat besteht nicht, da sich die Aufsicht nach dem regulatorischen Zusammenhang nur auf handelsrechtlich detailliert geregelte buchhalterische Fragen bezieht. Zudem wird der Jahresabschluss dem Hochschulrat erst vorgelegt, nachdem er sowohl durch den Abschlussprüfer als auch das Ministerium geprüft wurde, so dass es nur äußerst selten Grund für Beanstandungen geben dürfte. Organisationsrechtlich sind die Hochschulratsmitglieder nach § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG überdies verpflichtet, im Interesse der gesamten Hochschule zu handeln. Schließlich können die Hochschulratsmitglieder nach § 34 Abs. 5 Satz 1 ThürHG mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder vom Senat abgewählt werden, so dass selbst bei einem endgültigen Veto keine dauerhafte Blockade droht.

Die Besetzung des Hochschulrats ist verfassungskonform. So ist die Regelung des § 34 Abs. 3 S. 1 ThürHG, wonach drei der acht Mitglieder des Hochschulrates Frauen sein sollen, durch das Gleichstellungsgebot des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gerechtfertigt (aa). Die Bestimmung des § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG verstößt nicht gegen den aus Art. 44 Abs. 1 ThürVerf folgenden Bestimmtheitsgrundsatz (bb) und steht auch mit den organisationsrechtlichen Maßgaben, die aus der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 ThürVerf resultieren, in Einklang (cc). Art. 33 Abs. 2 GG ist vom Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen (dd).

Die aus § 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG resultierende Ungleichbehandlung ist durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gerechtfertigt.

§ 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach drei der acht Mitglieder des Hochschulrats Frauen sein sollen, verfolgt ein legitimes Regelungsziel, das auf einem hinreichend schlüssigen Gesamtkonzept basiert. § 34Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 ThürHG i. V. m. § 1 Satz 4, § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ThürGleichG kann die Zielsetzung entnommen werden, die Repräsentanz von Frauen im Hochschulrat zu fördern, die auf bestehenden Nachteilen basiert. Frauen sind in Hochschulräten mit 32 Prozent deutlich unterrepräsentiert, wie die Abbildung im „Datenreport: Geschlechtergleichstellung in Entscheidungsgremien von Hochschulen (2020 / 2021)“ des GESIS – Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften zeigt. Die Wertung des Gesetzgebers, auch diese Unterrepräsentanz resultiere aus der strukturell bedingten faktischen Benachteiligung von Frauen im Wissenschaftsbereich, ist nicht zu beanstanden.

§ 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHGist geeignet und erforderlich, das legitime Ziel zu fördern. Dem Gesetzgeber kommt insoweit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Die Regelung, dass von den acht Mitgliedern des Hochschulrates drei Frauen sein sollen, fördert eine Mindestrepräsentanz von Frauen in diesem Gremium. Auch die Annahme des Gesetzgebers, die Regel sei erforderlich, ist nicht zu beanstanden. § 34 Abs. 3 Satz 1 ThürHG soll einen angemessenen Frauenanteil in Hochschulräten bewirken. Der Gesetzgeber darf im Hinblick auf die ihm bekannten Tatsachen und bisher gemachten Erfahrungen davon ausgehen, dass andere Alternativen nicht in gleicher Weise geeignet sind, die hinreichende Beteiligung von Frauen in Hochschulräten zu gewährleisten.

Es bestehen auch keine Bedenken bezüglich der Angemessenheit des § 33 Abs. 3 Satz 1 ThürHG. Fünf von acht und damit die Mehrzahl der Sitze im Hochschulrat bleiben für eine Besetzung für Personen anderen Geschlechts offen. Eine im Gegensatz zum Regelungsziel der Beseitigung der Unterrepräsentanz gewichtigere Benachteiligung von Männern ist damit auch deshalb nicht zu besorgen, da es sich um eine Soll-Regelung handelt, die nicht zwingend ist (LTDrucks. 6/4467, S. 176) und jedenfalls Ausnahmen in atypischen Fällen ermöglicht (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007
– 2 BvR 2433/04 -, BVerfGE 119, 331 [351] = juris Rn. 111) – etwa, wenn nicht genügend geeignete Bewerberinnen zur Verfügung stehen.

§ 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHGist mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, denn sein Bedeutungsgehalt lässt sich durch Auslegung hinreichend genau ermitteln.

Das Gebot der Klarheit und der Bestimmtheit von Rechtsnormen folgt aus den Grundrechten selbst sowie aus dem in Art. 44 Abs. 1, Art. 47 Abs. 3 ThürVerf verankerten Rechtsstaatsprinzip. Normen müssen in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar formuliert sein, dass die Rechtslage für Betroffene erkennbar ist und sie ihr Verhalten darauf ausrichten können. Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind dabei umso höher, je tiefer die Norm in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingreift und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer die Materie ist, die sie regelt. Demgegenüber kann insbesondere die hohe Komplexität des zu regelnden Sachverhalts geringere Anforderungen an die Bestimmtheit rechtfertigen. Dem Gebot der Klarheit und Bestimmtheit von Rechtsnormen steht nicht entgegen, dass eine Norm auslegungsbedürftig ist, weil sie unbestimmte Rechtsbegriffe oder Generalklauseln enthält. Nur dann, wenn sich der Bedeutungsgehalt einer Norm nicht mehr durch Auslegung ermitteln lässt, etwa weil sie völlig unklar oder in sich widersprüchlich ist, ist das Gebot der rechtsstaatlichen Bestimmtheit mit der Folge der Nichtigkeit der Norm verletzt (ThürVerfGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – VerfGH 12/18 -, juris Rn. 119).

Aus § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG selbst und in Verbindung mit der Gesetzesbegründung lassen sich hinreichend bestimmte Auswahlkriterien der Mitglieder des Hochschulrates ableiten. Die Besetzung des Hochschulrats soll zur Perspektivenvielfalt beitragen. Angestrebt werden externe Expertise und Praxiserfahrung. Das Mitglied aus dem Ministerium soll den Informationsfluss und eine bessere Anbindung des Ministeriums an die hochschulinternen Verfahrensabläufe gewährleisten (LTDrucks. 6/4467, S. 176 f.). Die Mitglieder aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft müssen somit Erfahrungen gesammelt haben, die es ermöglichen, für die hochschulischen Entscheidungsprozesse bedeutungsvolle externe Perspektiven einzubringen. Um dabei gleichzeitig auf die Spezifika der Hochschule eingehen zu können, bedarf es darüber hinaus gleichzeitig eines grundsätzlichen hochschulbezogenen Verständnisses. Die zwei Mitglieder einer anderen Hochschule müssen eine für die wissenschaftsbezogenen Entscheidungsprozesse des Hochschulrats fruchtbare Außenperspektive einbringen können. Der Vertreter des Ministeriums muss gewährleisten, dass ein angemessener Informationsaustausch zwischen der Hochschule und dem Ministerium erfolgt.

Auch mit der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 ThürVerf ist die Besetzung des Hochschulrats nach § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG vereinbar.

Die Zusammensetzung des Hochschulrates entspricht der Zielsetzung, die wissenschaftliche Profilbildung durch Einbeziehung externer Kompetenzen zu fördern. § 34 Abs. 3 Satz 2 ThürHG schreibt vor, dass die Hochschulratsmitglieder nicht die Interessen der Einrichtung oder des Gremiums vertreten, denen sie angehören, sondern die Interessen der gesamten Hochschule. Eine hinreichende organisationsrechtliche Rückbindung an die Organe der wissenschaftlichen Selbstverwaltung ist gegeben, indem die Mitglieder des Hochschulrates vom Senat gewählt werden und nach § 34 Abs. 5 Satz 1 ThürHG ein Hochschulratsmitglied mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder vom Senat abgewählt werden kann. Damit wird bereits organisationsrechtlich gewährleistet, dass der Hochschulrat im Interesse der Hochschule mit dem Senat zusammenarbeitet.

Art. 33 Abs. 2 GG ist vom Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen. Art. 33 Abs. 2 GG – der als spezielle Ausgestaltung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes den diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Ämtern garantiert – hat kein Pendant in der Thüringer Verfassung (ThürVerfGH, Beschluss vom 7. März 2002 – VerfGH 5/00 -, S. 5 f. des amtlichen Umdrucks). Stellt man in Rechnung, dass die Thüringer Verfassung viele mit dem Grundgesetz wortgleiche Bestimmungen enthält und in Art. 96 ThürVerf Fragen der Rechtsstellung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes regelt, ist eine unmittelbare Übertragung der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Grundsätze in die Thüringer Landesverfassung nicht möglich (ThürVerfGH, Beschluss vom 26. März 2007 – VerfGH 49/06 -, juris Rn. 75).

Sondervotum des Mitglieds des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Dr. Klaus Hinkel:

Die Begründung der Mehrheit zu § 6 Abs. 3 Satz 1 des Thüringer Hochschulgesetzes (ThürHG), wonach die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin weiblichen Geschlechts sein müssen, mit den Gleichheitsrechten des Art. 2 ThürVerf vereinbar ist, kann ich – wie drei weitere Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes – nicht mittragen.

Bei der Bildung der Maßstäbe geht die Mehrheit zunächst zutreffend davon aus, dass dann, wenn zwingende Gründe für eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG fehlen, die Ungleichbehandlung nur noch im Wege der Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht gerechtfertigt werden könne. Ebenfalls zuzustimmen ist der Annahme, dass zum kollidierenden Verfassungsrecht auch das Gleichberechtigungsgebot nach Art. 3 Abs. 2 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gehört (vgl. II. 3. a) aa) (1) des Urteilsumdrucks).

Sodann verbindet die Mehrheit jedoch die Erwägungen eines weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers mit dessen Einschätzungsprärogative und einer typisierenden Betrachtungsweise. Dabei gerät aus dem Blick, dass es sich bei der Anknüpfung an das Geschlecht in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG um ein Differenzierungsverbot nach Art. 2 Abs. 3 ThürVerf handelt, dessen verfassungsrechtliches Gewicht einem derart weiten Prüfprogramm entgegensteht.

Zu der mit Art. 2 Abs. 3 ThürVerf vergleichbaren Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, eine Typisierung setze voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen sei dabei umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG liege und ende dort, wo die speziellen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG betroffen seien (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 -, BVerfGE 133, 377-443, juris Rn. 88 m. w. N.).

Warum diese in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grenzen einer typisierenden Betrachtung für die vergleichbare Situation des Art. 2 Abs. 3 ThürVerf nicht gelten sollen, damit setzt sich die Mehrheit nicht auseinander. Dies hätte sich hier umso mehr aufgedrängt, als der Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG auf Personen des weiblichen Geschlechts beschränkt ist und der damit verbundene Ausschluss von Personen anderer Geschlechter nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft. Darüber hinaus stellt die Anknüpfung an das weibliche Geschlecht einen intensiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, weil sie an das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 2 Abs. 3 ThürVerf anknüpft und Personen anderen Geschlechts von vornherein und ohne jegliche Ausnahmemöglichkeit von diesem Amt ausschließt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht zu der mit Art. 2 Abs. 3 ThürVerf vergleichbaren Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach niemand unter anderem wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden darf, ausgeführt hat, dass diese Verfassungsnorm den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstärkt, indem sie der dort dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsfreiheit engere Grenzen setzt. Danach darf das Geschlecht grundsätzlich nicht Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein. Dies gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 -, BVerfGE 114, 357-371 = juris Rn. 24 m. w. N.).

Von einer entsprechend engen Grenzziehung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bleibt in der von der Mehrheit vorgenommenen Maßstabsbildung kaum etwas übrig. Vielmehr legt sie ein derart weites Prüfprogramm zu Grunde, dass es dem verfassungsrechtlichen Gewicht des besonderen Diskriminierungsverbots des Art. 2 Abs. 2 ThürVerf nicht mehr gerecht wird. Dies wirkt sich dann jedenfalls im Rahmen der Angemessenheitsprüfung aus (dazu unter e) aa) (1)).

Die Mehrheit geht davon aus, dass Frauen derzeit in den Ämtern der höheren Besoldungsgruppen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Hochschulverwaltung an Thüringer Hochschulen unterrepräsentiert sind.

Zur Begründung ihrer Auffassung verweist die Mehrheit zunächst auf die Tabelle der 27. Fortschreibung des Datenmaterials (2021/2022) zu Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung“ der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz – GWK – sowie auf den Datenreport „Geschlechtergleichstellung in Entscheidungsgremien von Hochschulen (2020 / 2021)“ von GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.

Die in diesen Quellen enthaltenen Daten belegen zwar die Unterrepräsentanz von Frauen insbesondere im wissenschaftlichen Bereich der Hochschulen. Für die hier allein maßgebliche Frage der Unterrepräsentanz an Thüringer Hochschulen zum Zeitpunkt des Erlasses von § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG im Jahr 2018 sind beide Datengrundlagen jedoch zu unspezifisch. Sie beziehen sich auf Referenzzeiträume der Jahre 2020 bis 2022 und auf bundesweite Erhebungen ohne gesonderte Auswertung der Situation an den Thüringer Hochschulen.

Sodann verweist die Mehrheit zur Begründung einer generellen Unterrepräsentanz von Frauen auf den höheren Führungsebenen des öffentlichen Dienstes in Thüringen auf den Dritten Gleichstellungsbericht aus dem Jahr 2023, wonach der Frauenanteil bei den Beamtinnen und Beamten in Leitungsfunktionen des höheren und gehobenen Dienstes (Dienststellen- oder Behördenleitung, Abteilungsleitung, Dezernatsleitung, Referats- und Sachgebietsleitung) zum Stichtag 30. Juni 2017 lediglich 25,2 Prozent betrug. Dies belegt zwar eine deutliche Unterrepräsentanz von Frauen auf den Führungsebenen der Verwaltung, bleibt aber für die spezifische Situation an den Thüringer Hochschulen ohne nennenswerte Aussagekraft.

Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an. Denn es dürfte unstreitig sein, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern gerade auch im Wissenschaftsbereich bisher nicht erreicht werden konnte, sodass hier weitere Anstrengungen erforderlich sind (vgl. Seidler, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, 61. Lieferung, 6/2023, § 6 HRG, 3. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und Gleichstellungsauftrag, Rn. 25). Angesichts der bestehenden erheblichen Unterrepräsentanz von Frauen bei der Besetzung von Professuren kommt der Frage der Frauenförderung in der Wissenschaft erhebliche Bedeutung zu. Es erscheint wesentlich, Barrieren abzubauen, damit Frauen ihre Potenziale auch in der Wissenschaft entfalten können (Kreuzer, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, 61. Lieferung, 6/2023, § 3 HRG, I. Die Ausgangslage und Entstehungsgeschichte, Rn. 1).

Diese generelle Annahme wird in Bezug auf die Situation an den Thüringer Hochschulen durch die von der Landesregierung mit Schriftsatz vom 12. April 2019 (Anlage 1) übermittelten Daten gestützt, die das Personal an den Thüringer Hochschulen zum 1. Dezember 2017 auf der Grundlage des Quellenmaterials des Thüringer Landesamtes für Statistik und eigener Berechnungen des TMWWDG ausweisen. Danach beträgt der Anteil der weiblichen Beschäftigten an den Thüringer Hochschulen insgesamt 54,3 Prozent, wobei sich dieser Wert unterschiedlich verteilt auf 41,3 Prozent weibliche Beschäftigte im Bereich des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals und 70,2 Prozent weibliche Beschäftigte im Bereich des Verwaltungs-, technischen und sonstigen Personals. Dies belegt eine deutliche Unterrepräsentanz von Frauen im Wissenschaftsbereich der Thüringer Hochschulen. Insofern geht mein Sondervotum – anders als die Mehrheit, die hierfür an die 40-Prozent-Grenze des § 3 Abs. 5 ThürGleichG anknüpft – auch dann von einer verfassungsrechtlich relevanten Unterrepräsentanz aus, wenn der Frauen- oder Männeranteil – wie hier im Wissenschaftsbereich der Thüringer Hochschulen – zwar über 40 Prozent liegt, aber dennoch nicht annähernd gleich ist. Insofern sieht das Sondervotum die einfachrechtliche Grenzziehung in § 3 Abs. 5 ThürGleichG nicht als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verständnisses einer Unterrepräsentanz.

Die Auffassung der Mehrheit, die Annahme des Gesetzgebers, die Beschränkung des Amtes der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auf das weibliche Geschlecht sei geeignet, die Gleichstellung an den Hochschulen effektiv zu fördern, halte sich im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, begegnet erheblichen Bedenken. Zur Begründung ihrer Auffassung führt die Mehrheit aus, es erscheine plausibel, dass strukturelle Benachteiligungen aus der Perspektive des benachteiligten Geschlechts besonders gut erkannt, beurteilt und behoben werden könnten, und verweist insoweit auf die Gesetzesbegründung zum Bundesgleichstellungsgesetz. Dies vermag angesichts der konkreten Aufgabenbeschreibung der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG, die sich insoweit maßgeblich von anderen Regelungsmodellen, insbesondere im Bundesrecht, unterscheidet, nicht zu überzeugen.

Die Gesetzesbegründung zum Bundesgleichstellungsgesetz, auf die sich die Mehrheit zur Begründung ihrer Auffassung stützt, dass strukturelle Benachteiligungen aus der Sicht des benachteiligten Geschlechts besonders gut erkannt, beurteilt und beseitigt werden können, lässt sich nicht auf das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach dem Thüringer Hochschulgesetz übertragen.

Abgesehen davon, dass weder der Wortlaut von § 6 ThürHG noch dessen Gesetzesbegründung auf das Bundesgleichstellungsgesetz und die dortige Gleichstellungsbeauftragte verweisen, unterscheiden sich die Ämter der Gleichstellungsbeauftragten nach dem Bundesgleichstellungsgesetz und der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach dem Thüringer Hochschulgesetz hinsichtlich des normativen Aufgabenbereichs so deutlich, dass die Begründung des Bundesgleichstellungsgesetzes nicht auf die Thüringer Rechtslage übertragbar ist.

Während das Bundesgleichstellungsgesetz in § 25 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich den Schutz behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz als Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten nennt, fehlt im Thüringer Hochschulgesetz eine vergleichbare, explizit das weibliche Geschlecht adressierende Aufgabenzuweisung an die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin. Vielmehr formuliert § 6 Abs. 5 Satz 1 ThürHG geschlechterneutral, dass die Gleichstellungsbeauftragte auf die Herstellung der verfassungsrechtlich garantierten Chancengleichheit der Geschlechter an der Hochschule hinwirkt. Bereits die Verwendung des Plurals verdeutlicht, dass damit auch die Perspektive der männlichen Beschäftigten der Thüringer Hochschulen zum Aufgabenspektrum der zentralen Gleichstellungsbeauftragten sowie ihrer Stellvertreterin gehört. Auch soweit in Satz 2 der Vorschrift formuliert wird, „zwischen ihr und den Beschäftigten ist der Dienstweg nicht einzuhalten“, ist nichts dafür ersichtlich, dass es sich hierbei ausschließlich oder vorrangig um weibliche Beschäftigte handeln soll. Soweit es dann in Satz 3 der Vorschrift heißt, dass die zentrale Gleichstellungsbeauftragte in allen Angelegenheiten Vorschläge macht und Stellung gegenüber den zuständigen Stellen der Hochschule nimmt, die die Belange der Chancengleichheit, insbesondere diejenigen der Frauen in den Hochschulen berühren, insbesondere in Berufungsverfahren und bei der Besetzung der Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie des sonstigen Personals, zeigt bereits die Verwendung des „insbesondere“, dass es sich hierbei nicht um eine abschließende Zuständigkeit im Sinne der ausschließlichen Förderung des weiblichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals handelt.

Aus den beiden mit „insbesondere“ eingeleiteten Aufzählungen kann nicht geschlossen werden, dass es dem Gesetzgeber trotz der Bezeichnung als Gleichstellungsbeauftragte in Wahrheit ausschließlich oder prägend um Frauenförderung geht. Zwar mag es bei isolierter Betrachtung dieser Gesetzespassage („insbesondere in Berufungsverfahren und bei der Besetzung der Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen … Personals“) gute Gründe für die Annahme geben, dass eine weibliche Gleichstellungsbeauftragte unter den gegenwärtigen Bedingungen an den Thüringer Hochschulen gerade für die weiblichen wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigten in Berufungsverfahren und bei der Besetzung von Stellen besser geeignet erscheint, ihre frauenspezifische Benachteiligungssituation hinreichend zu verdeutlichen. Allein aus diesen Erwägungen zu folgern, dass zur Erfüllung der Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin das weibliche Geschlecht durch die spezifische Art der Tätigkeit oder die besonderen Bedingungen ihrer Ausübung gerechtfertigt ist, würde jedoch den Kontext der mit „insbesondere“ eingeleiteten Aufzählung außer Acht lassen. So wird diese beispielhafte Aufzählung sogleich ergänzt durch die gleichrangige Nennung des „sonstigen Personals“ als von den Belangen der Chancengleichheit berührt. Wenn nach den statistischen Angaben (dazu unter b)) im Bereich des Verwaltungs-, technischen und sonstigen Personals männliche Beschäftigte an den Thüringer Hochschulen deutlich unterrepräsentiert sind, wird klar, dass sich nach der dem Gesetz zu Grunde liegenden Wertung ein prägender Aufgabenbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auch auf diese Beschäftigtengruppe erstreckt. Im Übrigen ist die mit „insbesondere“ eingeleitete Aufzählung in Satz 3 der Vorschrift im Lichte der generalklauselartigen Aufgabenbeschreibung in § 6 Abs. 5 Satz 1 ThürHG zu verstehen, die – wie ausgeführt – die Aufgaben geschlechtsneutral formuliert und damit einem Verständnis entgegensteht, es handele sich bei der Formulierung „Gleichstellungsbeauftragte“ um eine unschädliche Falschbezeichnung und in Wahrheit sei ausschließlich oder doch ganz prägend eine Frauenförderung gemeint.

Gegen ein solches enges Normverständnis spricht auch der Verweis in § 6 Abs. 2 ThürHG auf den über die Frauenförderung hinausgehenden, beide Geschlechter adressierenden Ansatz des „Gender Mainstreaming“. Mit der diesem Ansatz folgenden umfassenden Aufgabenzuweisung an die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG ist es unvereinbar, ausnahmslos ein Geschlecht – hier das weibliche – zur notwendigen Voraussetzung für die Übernahme des Amtes zu machen.

Der Begründungsansatz, dass auch ohne eine spezifische Aufgabenzuweisung, wie sie etwa in § 25 Abs. 1 Satz 2 BGleiG enthalten ist, Frauen bei typisierender Betrachtung eher über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten als Gleichstellungsbeauftragte verfügen, solange und soweit weibliche Beschäftigte strukturelle Benachteiligungen erfahren und diese den Alltag anderer Geschlechtergruppen nicht in gleicher Weise betreffen, übersieht, dass dieser Begründungsansatz zwar in den Fällen tragen mag, in denen die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten im Sinne einer Frauenförderung auf die spezifischen Belange von Personen des weiblichen Geschlechts ausgerichtet sind. Eine solche spezifische Ausrichtung des Aufgabenbereichs der zentralen Gleichstellungsbeauftragten nach dem Thüringer Hochschulgesetz kommt jedoch weder in dessen Wortlaut zum Ausdruck noch finden sich entsprechende Hinweise in der Gesetzesbegründung. Vielmehr sprechen insbesondere die Systematik der Vorschrift sowie ihr Sinn und Zweck dafür, dass ihr ein über das enge Verständnis einer spezifischen Frauenförderung hinausgehender Ansatz zu Grunde liegt, der Benachteiligungssituationen beider Geschlechter adressiert, sodass es jedenfalls als in sich widersprüchlich erscheint, die spezifischen Benachteiligungserfahrungen eines Geschlechts zum Maßstab für den Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin zu machen. Insofern wird sich der Gesetzgeber entscheiden müssen, ob er mit dem Amt der Gleichstellungsbeauftragten eine spezifische Frauenförderung verbinden will, oder ob er ein umfassenderes Verständnis von Geschlechtergleichheit zu Grunde legt, das die Benachteiligungen beider Geschlechter einbezieht. Nur im ersten Fall ist die Begründung, Frauen verfügten eher über die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, überhaupt geeignet, die Differenzierung zu rechtfertigen. Wird demgegenüber entsprechend dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG und auch entsprechend dem Verweis in § 6 Abs. 2 ThürHG auf den Ansatz des „Gender Mainstreaming“ ein umfassenderes Verständnis von Geschlechtergleichheit zugrunde gelegt, das die Benachteiligungen beider Geschlechter einbezieht, kann die Anforderung eines bestimmten Geschlechts für die Aufgabenerfüllung jedenfalls nicht damit gerechtfertigt werden, dass Personen dieses Geschlechts eher über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, weil damit zugleich notwendig die Perspektive des anderen Geschlechts ausgeblendet wird, das aber gleichrangig ebenfalls vom normativen Aufgabenspektrum erfasst wird.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von der Mehrheit als Beleg für ihre Auffassung, Frauen verfügten bei typisierender Betrachtung eher über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten als zentrale Gleichstellungsbeauftragte, herangezogenen Entscheidungen bei näherer Betrachtung der Entscheidungsgründe diese Wertung überwiegend nicht tragen. Soweit das hierzu herangezogene Urteil des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern die Auffassung der Mehrheit stützt, vermag der Verweis auf diese Entscheidung deshalb nicht zu überzeugen, weil die Mehrheit die nicht unerhebliche Kritik an dieser Entscheidung unerwähnt lässt.

Soweit sich die Mehrheit für ihre Auffassung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 1994 (- 2 BvR 445/91 -, BVerfGE 91, 228 [245] = juris Rn. 49) beruft und hierfür die dortige Passage zitiert, „[d]a für den Posten der Gleichstellungsbeauftragten erfahrungsgemäß Frauen eher in Betracht kommen als Männer […]“, lässt dies den Kontext der Ausführung außer Acht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung nicht zur Vereinbarkeit einer Frauenquote für kommunale Gleichstellungsbeauftragte mit dem Gleichheitssatz geäußert, sondern ausschließlich zu Art. 28 GG. Insofern dürfte der zitierte Satz eher als tatsächliche Beschreibung denn als normative Wertung zu verstehen sein (vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Die einzelnen Grundrechte, Bd. IV/2, 2011, S. 1682 Fn. 521).

Demgegenüber befassen sich die beiden zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (VG Augsburg, Beschluss vom 16. Juni 2004 – Au 2 E 04.890 -, juris, Rn. 16 und VG Berlin, Beschluss vom 7. Dezember 2012 – 5 L 419.12 -, juris Rn. 13) zwar mit der Vereinbarkeit der Beschränkung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten bzw. der Frauenbeauftragten auf das weibliche Geschlecht mit dem Gleichheitssatz. Beide Entscheidungen tragen die Auffassung der Mehrheit jedoch nicht, weil ihnen jeweils eine von der Thüringer Rechtslage abweichende Aufgabenbeschreibung der Gleichstellungsbeauftragten bzw. der Frauenbeauftragten zu Grunde liegt.

So bleibt letztlich der Verweis auf das Urteil des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Oktober 2017 (7/16 -, juris Rn. 104) als Beleg für die Mehrheitsmeinung. Zwar geht diese Entscheidung in Bezug auf das dortige Landesrecht von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf Frauen aus, soweit es um die Besetzung des Amtes einer Gleichstellungsbeauftragten geht, weil die darin liegende geschlechtsbezogene Benachteiligung durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sei. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Entscheidung selbst erheblicher Kritik ausgesetzt ist. Diese Kritik lautet zusammengefasst (vgl. Hillermann, Die Gleichstellungsbeauftragte, 2022, S. 38 f.):

„Vor diesem Hintergrund wird angeführt, dass ein pauschaler Ausschluss von Männern vom passiven Wahlrecht, welcher nicht nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien (Eignung, Leistung, fachliche Befähigung) differenziert, einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 33 Abs. 2 GG darstelle. Es handele sich um eine „100%ige Frauenquote“ bei der Amtsbesetzung, welche den Voraussetzungen einer zulässigen Ausgestaltung als flexible Entscheidungsquote (gleiche Qualifikation, Vorliegen einer Unterrepräsentanz, Härtefallklausel) nicht gerecht würde. Ein Verweis auf die Benachteiligung von Frauen generell in den Gesetzeszielen reiche als Rechtfertigung nicht aus. Ob eine faktische Benachteiligung des Geschlechts vorliege, müsse typisierend erfasst werden und sei zudem nicht auf die konkrete Dienststelle bezogen zu untersuchen. Zudem könne auch das Argument, dass Frauenförderung im Allgemeinen geboten sei, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausschlaggebend sein. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Ausgleichsmaßnahme „weibliche Gleichstellungsbeauftragte“ und der Beseitigung von frauenspezifischer Diskriminierung sei nicht erkennbar. Auch eine Rechtfertigung durch biologische Gründe scheide aus, weil sich auch Angehörige eines anderen Geschlechts `für die Belange von Frauen einsetzen können´.“

Zwar ist auch dieser Kritik nicht in allen Punkten zuzustimmen, sodass Hillermann anschließend entgegen der von ihr zunächst ausgeführten Kritik zu der Einschätzung gelangt, dass von einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beschränkung des Zugangs zum Amt der Gleichstellungsbeauftragten auf weibliche Beschäftigte auszugehen sei (S. 41 f.). Dabei geht sie allerdings von einer im Vergleich zu den Aufgaben im Thüringer Hochschulgesetz stärker auf das weibliche Geschlecht ausgerichteten Aufgabenbeschreibung der Gleichstellungsbeauftragten aus und argumentiert, dass sich die Zugangsbeschränkung „vor allem im Hinblick auf die Unterstützung in Fällen sexueller Belästigung, von denen ganz überwiegend Frauen betroffen sind, als angemessen dar[stellt]“ (dort, S. 42). Insofern unterscheidet sich die Aufgabenbeschreibung der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG jedoch beispielsweise von den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten nach dem Bundesgleichstellungsgesetz. Während § 25 Abs. 1 Satz 2 BGleiG, wie bereits ausgeführt, u. a den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausdrücklich nennt, so fehlt bereits im Wortlaut des § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG eine vergleichbare explizit auf frauenspezifische Belange ausgerichtete Aufgabenbeschreibung. Vielmehr belegen die Systematik des Thüringer Hochschulgesetzes und die Gesetzesbegründung, dass der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz keine prägende Aufgabe der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach dem Thüringer Hochschulgesetz darstellt und zudem ein bestimmtes Geschlecht für die Wahrnehmung der Aufgabe des Schutzes vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz jedenfalls nach Auffassung des Thüringer Landesgesetzgebers nicht erforderlich ist. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass insbesondere die Aufgabe des Schutzes vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – aber auch Fragen der Diversität (vgl. § 5 Abs. 7, 8 ThürHG) – dem vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 8 ThürHG geforderten „Ansprechpartner für Fälle sexueller Belästigung“ obliegen soll.

Nach § 5 Abs. 8 ThürHG wirken die Hochschulen u. a. darauf hin, dass Benachteiligungen insbesondere aus Gründen des Geschlechts oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden. Zur Begründung führt der Gesetzgeber hierzu aus, dass der neu eingefügte Absatz 8 im Zusammenhang mit den zuvor geregelten Teilhaberechten stehe. Ergänzend dazu sollen mit dieser Regelung die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegenüber und zugunsten aller Mitglieder und Angehörigen, also insbesondere auch der Studierenden, umgesetzt werden. Zu diesem Zweck wird den Hochschulen die Aufgabe übertragen, durch geeignete Maßnahmen auf die Verwirklichung der Ziele des § 1 AGG hinzuwirken. Eine solche geeignete Maßnahme wäre etwa die Etablierung von Ansprechpartnern für Fälle sexueller Belästigung (vgl. LTDrucks. 6/4467, S. 149).

Wenn der Thüringer Gesetzgeber die Aufgabe des Schutzes vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einem nach § 5 Abs. 8 ThürHG eigens dafür zu etablierenden Ansprechpartner zuweist, stellt diese Aufgabe jedenfalls keinen normativen Schwerpunkt der Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG dar, zumal diese Aufgabe in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG keine eigenständige Erwähnung findet. Zudem macht der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung deutlich, dass er ein bestimmtes Geschlecht des Ansprechpartners für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht für erforderlich hält. Dies entspricht im Übrigen auch dem weiten Verständnis von Gleichberechtigung nach dem Ansatz des „Gender Mainstreaming“, da auch Männer Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werden können. Wenn aber nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Geschlecht des primär zuständigen „Ansprechpartners“ keine Rolle spielt, muss dies erst recht für die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin gelten, soweit sie auch Aufgaben in diesem Bereich wahrnehmen.

Demgegenüber vertritt die Mehrheit die Auffassung, dass es auch im Fall eines von sexuellen Übergriffen betroffenen Arbeitsbereichs nahe liege, dass eine weibliche Gleichstellungsbeauftragte – bei typisierender Betrachtung – von Frauen als zugänglicher wahrgenommen werde. Dies verkürzt die Betrachtung entgegen dem vom Thüringer Hochschulgesetz verfolgten Ansatz des „Gender-Mainstreaming“ unter Ausblendung der männlichen allein auf die weibliche Opferperspektive und rückt zudem eine in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG nicht explizit aufgeführte Aufgabe der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin, die nach der gesetzlichen Konzeption einer anderen Zuständigkeit, dem speziellen Ansprechpartner, zugeordnet ist, in den Mittelpunkt der Begründung für die Notwendigkeit des weiblichen Geschlechts zur Aufgabenerfüllung. Eine nach dem Thüringer Hochschulgesetz nicht prägende Aufgabe ist jedoch nicht geeignet, die Notwendigkeit eines bestimmten Geschlechtes für die Aufgabenwahrnehmung zu begründen.

Schließlich kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es trotz der Bezeichnung als „Gleichstellungsbeauftragte“ in der täglichen Praxis tatsächlich um Frauenförderung gehe.

Soweit der Wertung für die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmung die Erwägung zu Grunde liegen sollte, dass auch dann, wenn der Wortlaut die Möglichkeit offen lässt, gegebenenfalls auch für Männer bestehende Nachteile zu beseitigen und etwa deren Anteil an bestimmten Studiengängen zu erhöhen, in der Realität Gegenstand des § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG allein oder doch ganz vorrangig die Beseitigung bestehender Nachteile von Frauen insbesondere im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich der Thüringer Hochschulen sowie in Leitungsfunktionen der Hochschulverwaltung ist, kann diese Überlegung aus den nachfolgenden Gründen nicht tragen.

Zwar mag es tatsächlich so sein, dass die Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten nach wie vor überwiegend Frauen betreffen und damit in der Praxis das Ziel der Förderung vor allem die Erhöhung des Anteils der Frauen in der Wissenschaft ist. Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Unterstützung bei der Überwindung von Hindernissen auf dem Weg zu Leitungspositionen dürften Frauen prozentual häufiger beschäftigen als Männer. Vielfach wird sich eine Notwendigkeit der Beurteilung der Verhältnisse aus der Sicht des unterrepräsentierten und in dieser Hinsicht benachteiligten weiblichen Geschlechts feststellen lassen. Allerdings kann aus einer mit der Verfassung in Einklang stehenden Praxis nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der zu Grunde liegenden Norm geschlossen werden.

Abgesehen von dieser allgemeinen Erwägung verbietet sich auch im konkreten Fall dieser Schluss. Wäre er zulässig, zeigte er im Übrigen, dass die Gesetzessystematik dafür spräche, dass grundsätzlich auch Männer als geeignet für die Ausübung des Amtes einer zentralen Gleichstellungsbeauftragten angesehen werden müssen. Während § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG nur die Bestellung einer zentralen Gleichstellungsbeauftragten vorsieht (weibliche Form), soll bei vergleichbarem Wortlaut nach § 6 Abs. 8 ThürHG in den dezentralen Organisationseinheiten auch ein Mann als Gleichstellungsbeauftragte gewählt werden können. Die Verfahrensbeteiligten haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend vorgetragen, dass für die dezentrale Gleichstellungsbeauftragte nach § 6 Abs. 8 ThürHG das weibliche Geschlecht nicht Voraussetzung sei und zur Begründung hierfür angeführt, dass aufgrund des Mangels weiblicher Beschäftigter in einzelnen „dezentralen Organisationseinheiten“ an Thüringer Hochschulen das Amt ansonsten nicht besetzt werden könnte, wenn nicht auch auf Männer zurückgegriffen werden könnte. Wenn in diesem Fall auch die Wahl eines Mannes möglich ist und für die dezentrale Gleichstellungsbeauftragte, die die zentrale Gleichstellungsbeauftragte berät und unterstützt, ein bestimmtes Geschlecht nicht als notwendig zur Aufgabenerfüllung angesehen wird, legt dies den Schluss nah, dass das weibliche Geschlecht für die Ausübung des Amtes und die Erledigung der Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin keine notwendige Voraussetzung ist. Insofern kann bei im Wesentlichen vergleichbarem Aufgabenzuschnitt – Absatz 8 von § 6 ThürHG verweist auf dessen Abs. 1 – nichts Anderes für das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und deren Stellvertreterin gelten.

Die Mehrheit geht ferner davon aus, dass der weite Zuständigkeitsbereich der Gleichstellungsbeauftragten nicht von vornherein ungeeignet ist, das angestrebte allgemeine Gleichstellungsziel an Hochschulen zu erreichen. Abgesehen davon, dass die Ausführungen zum Verständnis des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG vor dem Hintergrund des im europäischen Primärrecht in Art. 8 AEUV verankerten Konzepts des „Gender-Mainstreaming“ zuzustimmen ist (dazu unter aa)), wäre hier die Frage zu stellen gewesen, ob der nach dem Ansatz des „Gender-Mainstreaming“ weit gefasste Aufgabenbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin einer ausnahmslosen Beschränkung des Zugangs zu diesem Amt auf weibliche Personen entgegensteht. Insofern ist nach Auffassung des Sondervotums aus dem Verständnis von „Gender-Mainstreaming“ gerade die gegenteilige Schlussfolgerung geboten, dass dieser Ansatz nach Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG entgegensteht, soweit sie für die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin ausnahmslos das weibliche Geschlecht vorschreibt (dazu unter bb)). Darüber hinaus ist zu kritisieren, dass die Mehrheit mit der zutreffenden Anknüpfung an das Konzept des „Gender-Mainstreaming“ zwar den argumentativen Raum zum Unionsrecht öffnet, was für die Auslegung auch des Landesverfassungsrechts und insbesondere des Gleichstellungsauftrags in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf zu begrüßen ist, dann aber die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die einer solchen ausnahmslosen Quotenregelung, wie sie in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG enthalten ist, entgegensteht, nahezu vollständig ausblendet (dazu unter cc)).

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Mehrheit zum Verständnis des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG auf das in Art. 8 AEUV verankerte Konzept des „Gender Mainstreaming“ abstellt. Zutreffend weist die Mehrheit darauf hin, dass § 6 Abs. 2 ThürHG insoweit ausdrücklich auf die Verankerung des Prinzips des „Gender Mainstreaming“ verweist, dem die Erkenntnis zugrunde liegt, dass es keine geschlechtsneutrale Politik gibt, und dass Institutionen, Unternehmen, Programme, Gesetze, Regelungen und Maßnahmen den Belangen sowohl von Frauen als auch von Männern gleichermaßen gerecht werden und dazu beitragen müssen, bestehende Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten zu beseitigen, und dass der Landesgesetzgeber bei der Einführung dieser Vorschrift im Jahr 2006 ausdrücklich auf dieses Konzept Bezug genommen hat. Damit sollen stets die unterschiedlichen Auswirkungen von Regelungsvorhaben auf alle Geschlechter geprüft und die Dimension der Chancengleichheit frühzeitig in die Lösungs- und Handlungsoptionen staatlichen Verwaltungshandelns einbezogen werden (LTDrucks. 4/2296, S. 149).

Dies entspricht dem Konzept des „Gender Mainstreaming“, das die Kommission auch als – politische – Reaktion auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Jahre 1996 auf den Weg gebracht und wie folgt formuliert hat:

„Die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern erfordert daher nicht nur die Durchführung von gezielten Frauenfördermaßnahmen, um z.B. den Zugang von Frauen zur allgemeinen und zur beruflichen Bildung oder zur Beschäftigung zu erleichtern. Dazu sind auch Maßnahmen notwendig, die die soziale Organisation an die Erfordernisse einer besseren Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern anpaßt: z.B. Gestaltung einer Arbeitsorganisation, die Frauen wie Männern hilft, Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen; Verbesserung der Möglichkeiten zur Mehrfachbeschäftigung im Rahmen der Entwicklung auf lokaler Ebene, damit flexiblere Lösungen im Bereich der Beschäftigung möglich werden, und zwar sowohl für Frauen wie für Männer; die Sicherung der Rechte der Väter ebenso wie die der Mütter, so daß von beiden erwartet werden kann, daß sie ihrer Verantwortung und ihren Pflichten voll und ganz nachkommen; …“ (Mitteilung der Kommission vom 21. Februar 1996 „Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft“, KOM(96) 67 endg., S. 5).“

Inhalt dieses Konzepts ist die umfassende Integration des Gleichstellungszieles auch in die sonstigen Unionspolitiken, soweit sie direkte oder indirekte Auswirkungen auf das Leben von Frauen und Männern haben. Die Gleichstellungspolitik der EU geht damit über den Erlass spezifischer Frauenfördermaßnahmen hinaus. Positivrechtlichen Niederschlag hat der Ansatz des „Gender-Mainstreaming“ im durch den Vertrag von Amsterdam eingeführten Art. 3 Abs. 2 – jetzt Art. 8 AEUV – gefunden, der die Herstellung von Chancengleichheit verbindlich als Querschnittsaufgabe für alle Tätigkeitsbereiche der Union festlegt (vgl. Langenfeld/Lehner, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 80. EL August 2023, AEUV Art. 157 Rn. 18).

Zu kritisieren ist, dass aus der Anknüpfung zum Verständnis von § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG an das Konzept des „Gender Mainstreaming“ nicht die gebotene Konsequenz gezogen wird. Zu wenig würdigt die Begründung der Mehrheit, dass der normative Aufgabenbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG entsprechend dem umfassenden Ansatz des „Gender Mainstreaming“ – wie bereits ausgeführt – über den Bereich spezifischer Frauenförderung hinausgeht. Die landesgesetzliche Regelung verfolgt nicht nur eine Angleichung der benachteiligten Frauen an die bevorzugten Männer, sondern definiert die Aufgaben der der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin bezogen auf Frauen und Männer entsprechend des Konzepts des „Gender Mainstreaming“ in einem weiten Ansatz (dazu unter d) aa)). Schon auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts erscheint es daher in einem inneren Widerspruch stehend, das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auf das weibliche Geschlecht zu begrenzen.

Ungeachtet dessen ob das von der Kommission implementierte Konzept des „Gender Mainstreaming“ auch als – politische – Reaktion auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen, insbesondere in der Rechtssache Kalanke (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1995 – C-450/93 – Kalanke), zu verstehen ist, hätte es gerade bei dem Begründungsansatz, der den diskursiven Raum zum Unionsrecht öffnet, nahegelegen, auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu berücksichtigen.

Danach sind unionsrechtlich insbesondere Quotenregelungen für die Einstellung oder den beruflichen Aufstieg von Frauen problematisch (hierzu sowie zum Folgenden insgesamt: Mohr, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2024, RL 2006/54/EG Art. 3 Rn. 2 f.). Nach Art. 157 Abs. 4 AEUV gilt, dass Regelungen zur Beseitigung einer Unterrepräsentanz von Frauen in bestimmten Bereichen zulässig sind, soweit sie nicht zu einer starren Ergebnisgleichheit führen. In seiner Entscheidung in der Rechtssache Kalanke aus dem Jahr 1995 erklärte der Europäische Gerichtshof eine Regelung des Bremer Gleichstellungsgesetzes als für unzulässig, die Frauen bei gleicher Qualifikation mit ihren männlichen Mitbewerbern einen absoluten und unbedingten Vorrang bei der Einstellung einräumte, weil sie über eine Förderung der Chancengleichheit hinausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 1995, Kalanke – C-450/93 -, juris Rn. 22 ff.). Demgegenüber können Fördermaßnahmen unionsrechtlich zulässig sein, sofern sie zu keinem derartigen Automatismus führen. Der Europäische Gerichtshof hat dies entschieden für eine Quotenregelung, die eine Öffnungsklausel enthält und den männlichen Bewerbern, die die gleiche Qualifikation wie die weiblichen Bewerber besitzen, in jedem Einzelfall garantiert, dass die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der alle die Person der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 1997, Marschall – C-409/95 -, juris Rn. 32 f.). Maßgeblich ist danach, dass der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen. Diese Rechtsprechungslinie setzte der Europäische Gerichtshof in mehreren Folgeurteilen fort (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 2000, Abrahamsson – C-407/98 -, juris Rn. 61 f. und vom 28. März 2000, Badeck – C-158/97 -, juris Rn. 17 ff., 38). Demgegenüber unterzog er eine ergebnisbezogene Quote bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen im öffentlichen Dienst einer differenzierten Betrachtung (vgl. EuGH, Urteil vom 28. März 2000, Badeck – C-158/97 -, juris Rn. 50 ff.). Die in Rede stehende Regelung forderte zwar, dass Frauen mindestens die Hälfte der Ausbildungsplätze erhalten mussten. Sie bewirkt nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs jedoch keine absolut starre Quote, da für den Fall, dass nicht genügend Bewerbungen von Frauen um freie Ausbildungsplätze vorlagen, mehr als die Hälfte dieser Plätze mit Männern besetzt werden durfte. Die Quote galt außerdem nur für Ausbildungsplätze, die auch von privaten Arbeitgebern angeboten wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 28. März 2000, Badeck – C-158/97 -, juris Rn. 53, 55). Im Jahr 2002 erklärte der Europäischen Gerichtshof eine Regelung für rechtmäßig, die ausschließlich Einfluss auf die Berufswahl und die Berufsausübung von Frauen nahm, um die Ursachen für ihre geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eliminieren (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2002, Lommers – C-476/99 -, juris Rn. 38, 50). In diesem Fall wurde Kindern von Beamtinnen eine beschränkte Anzahl von Betreuungsplätzen vorbehalten, sofern nicht bei den männlichen Beamten ein Notfall vorlag. Zweck der Regelung war es, der erheblichen Unterrepräsentanz von Frauen bei den Beschäftigten entgegenzuwirken. Die Regelung zielte somit anders als Quotenregelungen nicht auf eine kompensatorische Entscheidungsbindung des Arbeitgebers ab, sondern auf die Herstellung einer tatsächlichen Chancengleichheit von Männern und Frauen. Der Europäische Gerichtshof betonte dabei ausdrücklich, dass jeder Eingriff in das individuelle Recht auf Gleichbehandlung verhältnismäßig sein muss (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2002, Lommers – C-476/99 -, juris Rn. 39). Maßgeblich war dabei für den Europäischen Gerichtshof auch, dass die zugunsten der männlichen Beamten vorgesehene Ausnahme insbesondere dahin ausgelegt wird, dass sie alleinerziehenden männlichen Beamten den Zugang zu diesem Kinderbetreuungssystem zu den gleichen Bedingungen eröffnet wie den weiblichen Beamten (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2002, Lommers – C-476/99 -, juris Rn. 46 f., 50).

Aus dieser Rechtsprechung ist der übergreifende Grundsatz zu folgern, dass „starre“, d. h. absolute und unbedingte Quoten zur bevorzugten Berücksichtigung des unterrepräsentierten Geschlechts mit Unionsrecht unvereinbar sind, während flexible Quoten, die Öffnungs- und Abwägungsklauseln für besondere Fallkonstellationen enthalten, grundsätzlich zulässig sind (vgl. Boysen, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 171; Kingreen, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 223. Lieferung, 2024, Art. 3 Rn. 458).

Mit dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die landesrechtliche Norm des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG unvereinbar. Sie statuiert eine starre Quotenregelung, die männlichen Bewerbern den Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und deren Stellvertreterin ohne jegliche Ausnahme selbst dann versperrt, wenn ein Mann fachlich (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 3 ThürHG) der bestgeeignete Bewerber ist und auch ungeachtet dessen, ob er in eigener Person berufliche Nachteile aufgrund etwa von Kindererziehungszeiten oder allgemein von Familienarbeit hat hinnehmen müssen, also im Einzelfall über entsprechende Diskriminierungserfahrungen verfügt. Eine solche starre und ausnahmslose Quotenregelung ist mit der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu vereinbaren und daher jedenfalls eine unverhältnismäßige Benachteiligung männlicher Personen.

An der Geltung dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ändern weder Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union etwas noch Art. 8 AEUV (vgl. Mohr, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2024, RL 2006/54/EG Art. 3 Rn. 3, GRC Art. 23 Rn. 17 und AEUV Art. 8 Rn. 13), sodass sie weiterhin Wirkung entfaltet. Sie ist bei der Auslegung des Fördergebots gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf schon deshalb im Rahmen der Auslegung des Landesverfassungsrechts mit zu berücksichtigen, weil die wesentlichen rechtlichen Impulse in Fragen der Gleichberechtigung der Geschlechter im Berufsleben unionsrechtlich geprägt und die unionsrechtlichen Grundsätze zudem aufgrund der Verweisung in § 6 Abs. 2 ThürHG im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen sind (vgl zu der diesen Bereich prägenden Rechtsprechung des EuGH: Bickenbach, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 33 Rn. 86; zur Orientierung des Bundesverfassungsgerichts an der Rechtsprechung des EuGH vgl. etwa BVerfGE 85, 191; 89, 276, 290 f.; 97, 35, 43 f.; 104, 373, 393; 121, 241, 254 ff.; vgl. auch: Nußberger, in: Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 263). Zudem hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass sich die Verpflichtung zur Beachtung unionsrechtlicher Vorgaben für den Freistaat Thüringen aus Art. 23 Abs. 1 GG ergibt (ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – VerfGH 18/20 -, juris Rn. 527). Dies gilt unabhängig davon, ob die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorliegend nach ihrem Art. 51 Geltung beansprucht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 -, BVerfGE 152, 152-215 = juris Rn. 41 ff.).

Entgegen der Auffassung der Mehrheit ist die Intensität der Beeinträchtigung der Belange der Personen, die allein wegen ihres Geschlechts von der Wahl zur zentralen Gleichstellungsbeauftragten oder ihrer Stellvertreterin ausgeschlossen sind, nicht gering, sondern stellt einen intensiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar.

Zunächst ist im Rahmen der Angemessenheitsprüfung darauf hinzuweisen, dass die Beeinträchtigungen derjenigen Personen, die allein aufgrund ihres Geschlechtes von der Wahl als zentrale Gleichstellungsbeauftragte oder deren Stellvertreterin ausgeschlossen sind, einen intensiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellen. Dies folgt daraus, dass mit der Maßgabe eines bestimmten Geschlechts in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG bereits an ein Merkmal des speziellen Diskriminierungsverbots des Art. 2 Abs. 2 ThürVerf angeknüpft wird. Nach diesem speziellen Diskriminierungsverbot darf das Geschlecht grundsätzlich kein Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein. Dabei verstärkt diese Verfassungsnorm den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl. unter a)). Ist der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen dabei umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind und dort endet, wo die speziellen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 -, BVerfGE 133, 377-443 = juris Rn. 88 m. w. N.), dann muss zugleich angenommen werden, dass es sich bei der Anknüpfung des Gesetzgebers in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG an das Geschlecht um einen intensiven Eingriff in den allgemeinen Gleichheitssatz handelt.

Soweit die Mehrheit meint, die Intensität der Beeinträchtigung der Belange der nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG von der Wahl zur zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin ausgeschlossenen Personen sei deshalb gering, weil ihnen lediglich die Möglichkeit genommen werde, ein temporäres Wahlamt zu übernehmen, das kein statusrechtliches Amt begründe, trifft dies nicht zu.

Nach § 6 Abs. 4 ThürHG kann die Aufgabe der zentralen Gleichstellungsbeauftragten an bestimmten Thüringer Hochschulen hauptberuflich wahrgenommen werden. In diesen Fällen ist die Stelle öffentlich auszuschreiben und die zentrale Gleichstellungsbeauftragte kann für eine Amtszeit von bis zu acht Jahren gewählt werden. Diese Regelung ermöglicht es den Hochschulen, an denen die Messzahl von 1.200 überschritten wird, sich für eine berufliche Wahrnehmung der Aufgabe der zentralen Gleichstellungsbeauftragten zu entscheiden. Im Gegensatz zu Absatz 3 der Vorschrift können sich dann auch Personen auf die öffentliche Ausschreibung bewerben, die nicht Mitglieder der Hochschule sind (LTDrucks. 6/4467, S. 151). Wenn sich aber unter bestimmten Voraussetzungen auch Externe auf ein hauptberuflich auszuübendes Amt an der Hochschule bewerben können, muss die Situation dieser Personen der Begründung eines statusrechtlichen Amtes gleichgestellt werden. Werden hiervon gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG Personen nicht weiblichen Geschlechts von vornherein und ohne jede Ausnahmemöglichkeit ausgeschlossen, stellt dies einen intensiven Eingriff in deren Rechtsposition dar.

Darüber hinaus ist im Rahmen einer umfassenden Angemessenheitsprüfung auch zu berücksichtigen, dass die in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG statuierte starre Quotenregelung zugunsten weiblicher Bewerber mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbar ist (dazu unter d) cc)). Da sie eine nicht weibliche Person allein aufgrund des Geschlechtes vom Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auch dann ausschließt, wenn sie besser geeignet ist und im konkreten Einzelfall über entsprechende Diskriminierungserfahrungen wie Frauen verfügt, geht die Vorschrift jedenfalls über das mit ihr verfolgte Ziel einer kompensatorischen Maßnahme hinaus. Dies allein spricht bereits überwiegend dafür, die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG zugunsten weiblicher Personen als nicht mehr angemessen und damit als unverhältnismäßig anzusehen.

Zur Begründung ihrer Auffassung, dass die Intensität der Beeinträchtigung der Belange der Personen, die aufgrund ihres Geschlechts von der Wahl der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin ausgeschlossen sind, gering sei, verweist die Mehrheit darauf, dass die Intensität der Ungleichbehandlung dadurch gemildert werde, dass der Gesetzgeber weitere Ämter im Gleichstellungsbereich vorsehe, die nicht auf das weibliche Geschlecht beschränkt seien. Die Mehrheit bezieht sich insoweit auf den Beirat für Gleichstellungsfragen (§ 6 Abs. 9 ThürHG) und den Beauftragten für Diversität (§ 7 ThürHG). Dieser Begründungsansatz ist abzulehnen.

Für das individuelle Recht auf Gleichbehandlung kann es hinsichtlich der Frage des Zugangs zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten oder deren Stellvertreterin keine entscheidende Rolle spielen, ob in der Hochschule genügend andere Ämter oder Stellen zur Verfügung stehen, auf die männliche Bewerber verwiesen werden können. Eine solche Bevormundung widerspricht der individuellen Rechtsposition der in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzten Bewerber nicht weiblichen Geschlechts und erinnert an längst überwunden geglaubte Argumentationsmuster. So hat der Europäische Gerichtshof bereits durch Urteil vom 11. Januar 2000 in der Rechtssache Tanja Kreil (C-285/98, Kreil -, juris) den Ausschluss von Frauen vom freiwilligen Waffendienst in der Bundeswehr als unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts gewertet und dem zur Rechtfertigung vorgebrachten Argument, Frauen könnten stattdessen problemlos im Sanitäts- und Militärmusikdienst der Bundeswehr tätig werden, zu Recht keine durchschlagende Bedeutung beigemessen. Das von der Mehrheit angeführte Argument stellt insofern einen systematischen Bruch dar, als die vorgegebene individualrechtliche Ausrichtung der Grundrechte, die auch für die Gleichheitssätze gilt, verlassen wird. Der dem Gesetzgeber hier von der Mehrheit eingeräumte Spielraum, statt des angestrebten Amtes auf andere Ämter zu verweisen, die Männer stattdessen wahrnehmen könnten, entzieht jedem Ansatz zur Herstellung von Geschlechtergleichheit im Berufsleben weitgehend den Boden. Ein derart weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers böte entgegen den etwa in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf zum Ausdruck kommenden verfassungsrechtlichen Wertungen keinen Schutz vor einer möglichen gesetzgeberischen Revitalisierung überkommener geschlechtstypischer Berufs- und Rollenbilder und könnte so letztlich zur Verfestigung einer überkommenen Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern beitragen.

Darüber hinaus ist im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auch zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin weiblichen Geschlechts sein müssen, eine teilweise Durchbrechung des das Recht des öffentlichen Dienstes prägenden Leistungsprinzips darstellt.

Zwar ist der Mehrheit darin zuzustimmen, dass Art. 33 Abs. 2 GG – der als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes den diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Ämtern gewährleistet – vom Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen ist. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob insoweit nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz zumindest in seiner Funktion als Willkürverbot, wie es durch Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gewährleistet wird, zurückgegriffen werden muss (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 26. März 2007 – VerfGH 49/06 -, juris Rn. 77 ff.; Lindner, in: Link/Baldus/Lindner/Poppenhäger/Ruffert, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 2013, Art. 96 Rn. 14; Storr, ThürVBl 2007, 232 ff.). Dabei hätte es sogar nahegelegen, den Regelungsgehalt des Art. 33 Abs. 2 GG, der einen besonderen Gleichheitssatz enthält, weil er Eignung, Befähigung und fachliche Leistung als ausschließliche Auswahlkriterien zulässt, insgesamt und nicht nur als Willkürkontrolle auf Art. 2 Abs. 1 ThürVerf bei Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst Thüringens zu übertragen. Denn an dem materiellen Gehalt dieser Vorschrift kommen weder der Landesgesetzgeber noch die Auswahlbehörde oder die Landesgerichte vorbei, auch wenn sie nicht unmittelbar Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist (vgl. Storr, ThürVBl 2007, 232, 233 f.).

Ungeachtet dessen steht die zutreffende Erwägung, dass Art. 33 Abs. 2 GG vom Thüringer Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen ist, einer Berücksichtigung der einfachgesetzlichen Ausprägung dieser Garantie, wie sie in § 9 BeamtStG, § 2 ThürLaufbG und § 8 Abs. 1 ThürGleichG zum Ausdruck kommt, im Rahmen einer umfassenden Angemessenheitsprüfung jedenfalls nicht entgegen. So sind nach § 9 BeamtStG Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht u. a. auf das Geschlecht oder die sexuelle Identität vorzunehmen. § 8 Abs. 1 ThürGleichG sieht als Ausnahme vor, dass Frauen oder Männer, wenn sie in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert sind, bei der Besetzung von u. a. Beamten– und Arbeitnehmerstellen sowie bei Beförderungen oder der befristeten Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung so lange bevorzugt zu berücksichtigen sind, bis die Unterrepräsentanz beseitigt ist. Eine Bevorzugung ist unzulässig, soweit in der Person eines Mitbewerbers des anderen Geschlechts liegende Gründe für eine Einstellung überwiegen.

Es ist offenkundig, dass die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, wonach nur Frauen als zentrale Gleichstellungsbeauftragte und als ihre Stellvertreterin in Betracht kommen, mit dem oben beschriebenen einfachgesetzlichen Leistungsprinzip unvereinbar ist. Sie knüpft im Gegensatz zu § 9 BeamtenStG an das Geschlecht an, ohne dass eine Ausnahme nach § 8 Abs. 1 ThürGleichG vorliegt. Vergleichbar einem konstitutiven Anforderungsprofil werden Personen, die nicht weiblichen Geschlechts sind, allein deshalb von vornherein von der Auswahl ausgeschlossen, weil sie dieses Merkmal nicht erfüllen, unabhängig davon, ob eine der ausgeschlossenen Personen besser geeignet ist als eine Mitbewerberin, die diesem Merkmal genügt (vgl. zum konstitutiven Anforderungsprofil Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage 2020, § 3 Einstellung, Beförderung, Rn. 62). Eine Ausnahme für den Fall, dass in der Person eines Mitbewerbers des anderen Geschlechts liegende Gründe für die Einstellung oder Auswahl überwiegen, wie sie auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fordert (dazu unter d) cc)), sieht § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG nicht vor. Erst auf einer zweiten Stufe im Vergleich mit Personen, die das konstitutive Merkmal des weiblichen Geschlechts erfüllen, kommt das Leistungsprinzip zur Anwendung, sodass jedenfalls ein teilweiser Verstoß gegen das einfachgesetzliche Leistungsprinzip vorliegt. Eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Leistungsprinzips auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 ThürGleichG, der erkennbar der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt, scheitert im Übrigen auch daran, dass es für den Bereich der Gleichstellungsbeauftragten bereits an einer Unterrepräsentanz von Frauen fehlen dürfte. Aus der gesetzlichen Formulierung („so lange bevorzugt zu berücksichtigen […], bis keine Unterrepräsentanz mehr besteht“) folgt, dass die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen, abgesehen von weiteren Maßgaben, nur in dem („einzelnen“) Bereich möglich ist, in dem die Unterrepräsentanz besteht. Mit dieser Norm ist es nicht vereinbar, einen einzelnen Bereich ausschließlich für weibliche Beschäftigte zu generieren, hier für die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin, weil in einem oder mehreren anderen Bereichen der Hochschule, insbesondere bei den Professuren und in der Leitungsebene der Verwaltung, eine Unterrepräsentanz besteht, sofern nicht andere Gründe diese Bevorzugung rechtfertigen, die hier allerdings nicht ersichtlich sind.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in der Praxis regelmäßig nur neben einem Hauptamt an der jeweiligen Hochschule wahrgenommen wird. Abgesehen von dem bereits beschriebenen Fall der hauptamtlichen Wahrnehmung dieses Amtes kommt es für die Geltung des Leistungsprinzips nicht darauf an, ob das Amt hauptberuflich wahrgenommen wird. Auch Neben- und Ehrenämter unterliegen ihm (vgl. Bickenbach, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 33 Rn. 58 m. w. N.). Gleiches gilt, soweit darauf abgestellt wird, dass die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin auf Zeit bestellt und vom Senat der Hochschule gewählt werden. Zwar setzt sich der dem Demokratieprinzip immanente Gedanke der freien und gleichen Wählbarkeit gegen die staatsorganisationsrechtlich gebotene Bestenauslese durch, soweit öffentliche (politische) Ämter auf Zeit vergeben werden bzw. eine politische Verantwortung besteht. Ist der Aufgabenbereich jedoch gesetzlich näher bestimmt, wie hier bei der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin, ist trotz der Wahl durch den Senat das Leistungsprinzip zu beachten (vgl. Bickenbach, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 33 Rn. 59 m. w. N.).

Darüber hinaus ist im Rahmen einer umfassenden Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen, dass vorliegend kein Ausnahmetatbestand nach § 8 Abs. 1 AGG gegeben ist, der eine Benachteiligung wegen eines in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Grundes – hier des Geschlechts – zulassen würde. Nach dieser Vorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung wegen u. a. des Geschlechts zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (dazu unter d) cc)) verwiesen werden, zumal das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz der Umsetzung von Unionsrecht dient, sowie auf die Ausführungen zu § 8 Abs. 1 ThürGleichG. Danach liegt kein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG vor, der eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – hier des Geschlechts – zulassen würde.

Das Erfordernis des weiblichen Geschlechts in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG kann nicht als eine Ausnahmemaßnahme angesehen werden, die durch die spezifische Art der hier in Rede stehenden Tätigkeit oder die besonderen Bedingungen ihrer Ausübung gerechtfertigt wäre.

Eine Differenzierung nach dem Geschlecht wird insbesondere dann anzuerkennen sein, wenn es um die Wahrung der Intimsphäre oder des Schamgefühls Dritter geht, z. B. bei einer Nachtwache in einem Mädcheninternat oder bei Belegärzten, die überwiegend gynäkologische Operationen bei Patientinnen muslimischen Glaubens durchführen. Eine geschlechtsspezifische Differenzierung kann auch bei besonderen Beratungs- oder Fachkompetenzen angenommen werden. So hatte das Bundesarbeitsgericht über die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zu entscheiden, die u. a. einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der Integrationsarbeit mit zugewanderten muslimischen Frauen haben sollte (vgl. BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 -, juris Rn. 25, 30 ff.). Ähnliches kann für einen „wissenschaftlichen Mitarbeiter für Frauenfragen“ und bei der Durchführung eines Projekts gegen Zwangsverheiratung gelten (zu den vorstehenden und zu weiteren Beispielen: BeckOGK/Benecke, Stand: 01. Dezember 2023, AGG § 8 Rn. 33 f. m. w. N.).

Demgegenüber ist nach der Aufgabenzuweisung des Thüringer Hochschulgesetzes das weibliche Geschlecht für die Wahrnehmung der Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht in gleichem Maße erforderlich. Anders als etwa das Bundesgleichstellungsgesetz enthält § 6 Abs. 5 ThürHG entsprechend seinem umfassenden, über die Frauenförderung hinausgehenden Ansatz keine vergleichbare prägende Hervorhebung solcher Aufgaben, die zur Wahrung der Intimsphäre oder des Schamgefühls ein bestimmtes – weibliches – Geschlecht nahelegen oder gar erfordern.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2010 (- 8 AZR 77/09 -, juris Rn. 30 m. w. N.) darauf hingewiesen, dass ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichstellung von Frauen und Männern mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln kann. Erst recht kann eine männliche Person – entsprechende fachliche Qualifikation vorausgesetzt (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 3 ThürHG) – den in § 6 Abs. 5 Satz 1 ThürHG genannten Aufgabenschwerpunkt des Hinwirkens „auf die Herstellung der verfassungsrechtlich garantierten Chancengleichheit der Geschlechter in der Hochschule“ wahrnehmen. Gleiches gilt auch, soweit die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin den zuständigen Stellen der Hochschule in allen Angelegenheiten, die die Belange der Chancengleichheit berühren, Vorschläge unterbreiten und Stellungnahmen abgeben soll (§ 6 Abs. 5 Satz 3 ThürHG). Nichts anderes gilt insoweit, als die zentrale Gleichstellungsbeauftragte ein Teilnahme-, Antrags- und Rederecht in den Sitzungen des Senats, des Hochschulrats, der Hochschulversammlung, der Selbstverwaltungsgremien nach § 40 ThürHG sowie deren Ausschüssen, insbesondere Berufungskommissionen, hat, zu denen sie wie ein Mitglied zu laden ist (§ 6 Abs. 5 Satz 4 ThürHG) oder die übrigen Organe, Gremien und Kommissionen verpflichtet sind, die Gleichstellungsbeauftragte in den sie betreffenden Angelegenheiten zu ihren Sitzungen wie ein Mitglied zu laden und an den Beratungen zu beteiligen (§ 6 Abs. 5 Satz 5 ThürHG). Es ist nicht ersichtlich, warum eine männliche Person diese Aufgaben bei entsprechender fachlicher Qualifikation (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 3 ThürHG) nicht grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau wahrnehmen können soll. Auch soweit schließlich in § 6 Abs. 6 ThürHG der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin ein Einspruchsrecht gegen bestimmte Beschlüsse und Entscheidungen der Hochschule einräumt, ist nicht ersichtlich, weshalb es für die Wahrnehmung dieser Aufgaben eines bestimmten Geschlechts bedarf, zumal in einigen Bereichen der Thüringer Hochschulen Männer unterrepräsentiert sind.

Insoweit ist die Tatsache, dass eine Person nicht weiblichen Geschlechts ist, keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeiten der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin. Es werden auch keine empirischen Belege oder Erfahrungswerte dafür angegeben, dass Personen, die nicht dem weiblichen Geschlecht angehören, für diese Tätigkeiten nicht akzeptiert werden und damit den Gleichstellungszweck gefährden könnten.

Soweit die Mehrheit zur Begründung der gegenteiligen Auffassung unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. März 2010 (- 8 AZR 77/09 -, juris Rn. 30 ff.) die Möglichkeit der Beratung muslimischer Frauen andeutet, handelt es sich jedenfalls nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 6 Abs. 5 ThürHG nicht um einen prägenden Aufgabenbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin an Thüringer Hochschulen. Auch die von der Mehrheit zur Begründung der gegenteiligen Auffassung angeführte sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nach der gesetzgeberischen Konzeption der Aufgaben der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG und im Gegensatz zur Aufgabenbeschreibung im Bundesgleichstellungsgesetz – wie bereits ausgeführt – kein vergleichbar prägendes Aufgabengebiet.

Diese Erwägungen schließen es allerdings nicht aus, dass die Thüringer Hochschulen, etwa weil hier ein besonderer Bedarf gesehen wird, auf der Ebene des Anforderungsprofils in einem Verfahren zur Besetzung des Amtes der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin z. B. Fragen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz oder der Beratung muslimischer Mitarbeiterinnen hervorheben und damit dann auch das Erfordernis des weiblichen Geschlechts für dieses Amt im konkreten Einzelfall begründen. Für die Besetzung des Amtes mit Frauen kann in einem solchen Fall bei entsprechender Beschreibung im Anforderungsprofil sprechen, dass prägende Aufgaben aus psychologischer Sicht zwingend eine Frau als Gleichstellungsbeauftragte erfordern, wie z. B. die Beratungs- und Unterstützungstätigkeit bei sexueller Belästigung. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das die Frage der Verfassungsmäßigkeit der dem Verfahren zu Grunde liegenden Gleichstellungsgesetze regelmäßig offen gelassen und die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte allein auf der Ebene des Anforderungsprofils aus den genannten Gründen für zulässig erachtet hat (vgl. etwa BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 -, juris Rn. 28).

Schließlich ist im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin allenfalls mittelbar dazu beitragen kann, der strukturellen Benachteiligung von Frauen insbesondere bei der Besetzung von Professuren oder von Leitungsfunktionen in der Verwaltung an den Thüringer Hochschulen entgegenzuwirken. Der Vorteil der Regelung für die Erfüllung des Verfassungsauftrags nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf erscheint entgegen der Mehrheit nicht hinreichend plausibel.

Wie die Senatsmehrheit im Zusammenhang mit der Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen und dem Demokratieprinzip zutreffend ausführt, sind mit den Befugnissen der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin keine Letztentscheidungsbefugnisse verbunden, sodass ihre Tätigkeit auch nicht unmittelbar wissenschaftsrelevant ist (vgl. C. II. 3. a) bb) (2) und (3) des Urteilsumdrucks). So hat die zentrale Gleichstellungsbeauftragte zwar nach § 6 Abs. 6 ThürHG die Möglichkeit, gegen einen Beschluss oder eine Entscheidung eines Organs, eines Gremiums oder einer Kommission der Hochschule Einspruch einzulegen. Dieser Einspruch kann jedoch nach § 6 Abs. 6 Satz 3 bis 5 ThürHG von der betroffenen Stelle selbst unter Angabe von Gründen zurückgewiesen werden. Die erhebliche Unterrepräsentanz von Frauen bei der Besetzung von Professuren oder Leitungsfunktionen in der Hochschulverwaltung wird durch das für Frauen vorbehaltene Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin allerdings nicht unmittelbar verbessert.

Können die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin nach der Aufgabenzuweisung in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG nur mittelbar auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern gerade auch im Wissenschaftsbereich der Thüringer Hochschulen Einfluss nehmen, fehlt es daher weitgehend auch an dem nach § 8 Abs. 1 ThürGleichG erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen Benachteiligung und kompensatorischer Maßnahme. So werden durch das Amt keine zusätzlichen Stellen für weibliches wissenschaftliches Personal oder für Leitungsfunktionen in der Hochschulverwaltung geschaffen. Zudem verlangt § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG, dass die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin auch dann weiblich sein müssen, wenn eine Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft an den Leitungsebenen der Hochschulverwaltung an dem Thüringer Hochschulen nicht mehr bestehen sollte.

Insgesamt belegen die vorstehenden Ausführungen, dass die Beeinträchtigungen individuellen Rechtspositionen von Personen, die nicht weiblichen Geschlechts sind, ganz erhebliches Gewicht aufweisen, während die kompensatorische Maßnahme auf einer anderen Ebene als die bestehende Benachteiligung ansetzt und nur mittelbar dazu beitragen kann, der bestehenden Benachteiligung von Frauen insbesondere im wissenschaftlichen Bereich der Hochschulen und in Leitungsfunktionen der Hochschulverwaltung entgegenzuwirken. Damit stehen der starren Quotenregelung zugunsten von Frauen in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG im Ergebnis Nachteile gegenüber, die außer Verhältnis zu den nur mittelbaren Vorteilen stehen, sodass die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG im Ergebnis jedenfalls als unangemessen erscheint.

Nach Auffassung des Sondervotums führen die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht zwingend zu einer Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG. Vielmehr ist es im Wege der gebotenen verfassungskonformen Auslegung möglich, auch Personen anderen Geschlechts als Frauen den Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin zu eröffnen.

Aus der grundsätzlichen Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes folgt das Gebot, ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform auszulegen. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es, dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Sind unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, der systematischen Auslegung und des Normzwecks unterschiedliche Deutungen einer einfachgesetzlichen Vorschrift möglich, von denen eine als verfassungswidrig zu verwerfen wäre, zumindest aber eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so kommt es nicht in Betracht, die Vorschrift für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären. Grenzen der verfassungskonformen Auslegung ergeben sich allerdings aus den anerkannten Auslegungsmethoden. Ein Normverständnis, das im Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht, kann auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht begründet werden. Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet auch dann aus, wenn sich der Vorschrift ein vom Gesetzgeber gewollter und hinreichend bestimmter Regelungsgehalt nicht entnehmen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 2018 – 2 BvR 780/16 -, BVerfGE 148, 69-147, Rn. 150 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG möglich und geboten. Die Vorschrift ist danach so zu verstehen, dass Personen aller Geschlechter Frauen im Sinne der Vorschrift sind.

Gegen ein solches Normverständnis sprechen vorliegend zwar der klare und eindeutige Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und 6 ThürHG, die durchgängig weibliche Verwendung des Begriffs „Gleichstellungsbeauftragte“ im Thüringer Hochschulgesetz sowie der Vergleich mit § 141 Satz 1 ThürHG, wonach Status- und Funktionsbezeichnungen mit Ausnahme der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten nach § 6 ThürHG jeweils in männlicher und weiblicher Form gelten. Auch die Gesetzesbegründung vom 14. September 2017 spricht durchgängig von der Gleichstellungsbeauftragten in der weiblichen Form (vgl. LTDrucks. 6/4467, S. 23 f., 139 f., 150 ff., 178).

Andererseits sind weder die Gesetzessystematik noch die Gesetzesbegründung so eindeutig, dass sie keine andere Auslegung zulassen. Der Verweis in § 6 Abs. 2 ThürHG und die Begründung des Gesetzgebers des Thüringer Hochschulgesetzes von 2006 (LTDrucks. 4/2296, S. 149), die sich der Gesetzgeber des aktuellen Thüringer Hochschulgesetzes zu eigen gemacht hat, in dem er die Regelung des § 6 Abs. 2 ThürHG unverändert in die aktuelle Fassung des Gesetzes übernommen hat, zeigen, dass die Vorschrift nach Sinn und Zweck am Ansatz des „Gender Mainstreaming“ auszurichten ist. Auch in der Gesetzesbegründung vom 14. September 2017 wird sinngemäß auf diesen Ansatz verwiesen (vgl. LTDrucks. 6/4467, S. 151 f.). Mit dem vom Gesetzgeber darin zum Ausdruck gebrachten Sinn und Zweck der Vorschrift ist es nur vereinbar, wenn sich die Benachteiligungsperspektive beider Geschlechter gerade auch im Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin widerspiegelt. Darüber hinaus haben die vorstehenden Ausführungen belegt, dass für den vom Landesgesetzgeber normierten Aufgabenbereich der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin das Geschlecht keine von der spezifischen Art der Tätigkeit oder die besonderen Bedingungen ihrer Ausübung gerechtfertigte Voraussetzung für eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung darstellt. Dann aber bleibt zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit der Norm keine andere Auslegung als die, dass der Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin beiden Geschlechtern möglich sein muss. Das Auslegungsergebnis erscheint auch deshalb als eindeutig, weil jedenfalls die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen ausnahmslosen Ausschluss männlicher Personen von diesem Amt entgegensteht. Hätte der Landesgesetzgeber diese Rechtsprechung berücksichtigt, hätte er zumindest Ausnahmen aufgenommen, die im Einzelfall auch männlichen Bewerbern das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten ermöglichen, sofern sie über eine entsprechende Qualifikation verfügen und in ihrer Person über vergleichbare Diskriminierungserfahrungen beim Zugang zu Führungspositionen in der Wissenschaft oder der Hochschulverwaltung an Thüringer Hochschulen aufweisen, etwa durch Unterbrechungen ihrer wissenschaftlichen oder beruflichen Biografie aufgrund von Kindererziehung oder Familienarbeit.

Schließlich ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG nicht nur Männer vom Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten ausschließt, sondern auch nicht binäre Personen des „dritten“ Geschlechts. Ungeachtet der Frage, inwieweit das Fördergebot des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf im Lichte der unionsrechtlichen Auslegung bzw. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung männlicher Personen beim Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin rechtfertigen kann, scheidet eine solche Rechtfertigung über das Fördergebot des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf gegenüber nicht binären Personen von vornherein aus. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, nach Art. 2 Abs. 3 ThürVerf vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts geschützt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 -, BVerfGE 147, 1-31 = juris Rn. 58 ff. zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Das Fördergebot des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf kann die darin enthaltene Ungleichbehandlung von nicht binären Personen im Verhältnis zu Frauen jedoch nicht rechtfertigen, da es sowohl nach seinem eindeutigen Wortlaut als auch nach seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck nur im Verhältnis von Frauen und Männern anwendbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 -, BVerfGE 147, 1-31 = juris Rn. 60; Kischel, in: BeckOK GG, Epping/Hillgruber, 56. Aufl., Stand: 15. August 2023, Art. 3 Rn. 183, 196).

Die Frage, inwieweit Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehören, gleichwohl zentrale Gleichstellungsbeauftragte oder deren Stellvertreterin werden können, hat sich dem Landesgesetzgeber nicht gestellt. Dass § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und 6 ThürHG nur in der weiblichen Form formuliert ist, dürfte allein dem Umstand geschuldet sein, dass seinerzeit in binären Verhältnissen gedacht wurde. Dies bedeutet aber angesichts der Aufgabenbeschreibung in § 6 Abs. 5 und 6 ThürHG nicht, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung erkennbar zwingend andere Geschlechter und insbesondere auch Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehören, von der Wahrnehmung des Amtes der zentralen Gleichstellungsbeauftragten ausschließen wollte. Er war sich dieser Problematik offenkundig nicht bewusst und hat daher die Frage der Einbeziehung bzw. des Ausschlusses nicht binärer Personen deshalb nicht geregelt. Angesichts dieser Regelungslücke sieht das Sondervotum Raum für eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass auch nicht binäre Personen grundsätzlich als von § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und 6 ThürHG erfasst anzusehen sind. Es ist nicht erkennbar, dass der Landesgesetzgeber ohne sachlichen Grund und ohne gesicherte objektive Analyse annehmen wollte, dass nicht binäre Personen vom Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin auszuschließen seien, weil sie nicht die unverzichtbare Voraussetzung des weiblichen Geschlechts erfüllen. Dem Landesgesetzgeber dürfte vielmehr bekannt gewesen sein, dass die geschlechtliche Identität grundsätzlich durch Art. 2 Abs. 3 ThürVerf geschützt ist und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf nur auf das binäre Verhältnis zwischen Mann und Frau abstellt. Der Landesgesetzgeber dürfte bei Verabschiedung des § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und 6 ThürHG den verfassungsrechtlichen Schutz von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, übersehen haben. Aufgrund dieser Regelungslücke hält es das Sondervotum für erforderlich, § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und 6 ThürHG jedenfalls mit der Maßgabe verfassungskonform auszulegen, dass auch nicht binäre Personen vom Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht ausgeschlossen sind.

Diese Erwägungen haben wiederum Rückwirkungen auf die Frage des Ausschlusses männlicher Bewerber für das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG. Soweit man den Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht bereits nach den vorstehenden Erwägungen (dazu unter f) bb) (2)) im Wege verfassungskonformer Auslegung auch für männliche Personen als eröffnet ansehen will, gebietet diesen Schluss jedenfalls die Erwägung, dass das Ziel der Frauenförderung in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf wegen der binären Struktur dieser Norm im Verhältnis von Frauen und Männern den Ausschluss nicht binärer Personen vom Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht rechtfertigen kann. Würde man nämlich auch dieser Personengruppe im Wege verfassungskonformer Auslegung den Zugang zum Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin gewähren, wie es die vorstehenden Ausführungen nahelegen (dazu unter f) bb) (3)), so würde diese Personengruppe ihrerseits gegenüber den allein wegen ihres Geschlechts weiterhin von diesen Ämtern ausgeschlossenen männlichen Personen unter Verstoß gegen das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 2 Abs. 3 ThürVerf in unzulässiger Weise bevorzugt. Ist diese Ungleichbehandlung von männlichen Personen und nicht binären Personen mit Art. 2 Abs. 3 ThürVerf unvereinbar, kann diese Konstellation nur dadurch aufgelöst werden, dass in solchen Situationen der Gleichstellungsauftrag des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürHG als restriktiv auszulegende Ausnahme vom Diskriminierungsverbot des Art. 2 Abs. 3 ThürHG zurücktritt und alle Geschlechter formal gleich zu behandeln sind (vgl. die Ansätze in diese Richtung: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. Juni 2023 – 4 Sa 123 öD/22 -, juris Rn. 120 unter Hinweis auf Dutta/Fornasier, Jenseits von männlich und weiblich – Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung im Arbeitsrecht und öffentlichen Dienst des Bundes, Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Seite 85 f.).

Nach diesen Grundsätzen ist die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 ThürHG bei verfassungskonformer Auslegung so zu verstehen, dass Personen aller Geschlechter Frauen im Sinne dieser Vorschrift sind.

Angenommen, man verträte die Auffassung, dass das gefundene Auslegungsergebnis nicht mehr als verfassungskonforme Auslegung, sondern vielmehr als Rechtsfortbildung zu betrachten ist, so wäre es in diesem Fall gleichwohl die Aufgabe des Verfassungsgerichts, sich in der grundlegenden gesellschaftlichen Frage zur Gleichberechtigung der Geschlechter zu äußern.