Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 28. Februar 2024 zum Aktenzeichen IX ZB 30/23 entschieden, dass wenn ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz in qualifiziert elektronischer Form signiert, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat und diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht einreicht, dies wirksam ist. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.
Der Kläger verlangt von dem beklagten Rechtsanwalt als seinem früheren Prozessbevollmächtigten Schadensersatz. Das Amtsgericht hat der Klage statt-gegeben. Gegen das dem Beklagten am 15. Februar 2023 zugestellte Urteil hat dieser mit am 23. Februar 2023 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Dabei legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G. , welcher der Beklagte selbst angehört. Das Berufungsgericht hat die zugleich beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Mai 2023 gewährt.
Am 15. Mai 2023 ist eine auf denselben Tag datierte Berufungsbegründung als elektronisches Dokument beim Landgericht eingegangen. Der Schriftsatz schließt am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des Beklagten und dem Zusatz Rechtsanwalt ab. Der Schriftsatz ist zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur des ebenfalls der Sozietät des Beklagten an-gehörenden Rechtsanwalts J. versehen, über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach der Schriftsatz an das Gericht übermittelt wurde.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine rechtswirksame Berufungsbegründung sei nicht fristgemäß eingegangen. Das eingereichte elektronische Dokument genüge nicht den Vorgaben des § 130a Abs. 3 ZPO. Maßgeblich sei insoweit, dass Rechtsanwalt J. als derjenige, der die Berufungsbegründung qualifiziert signiert und aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt habe, in dem Schriftsatz selbst nicht als verantwortende Person in Erscheinung trete, zumal sich darin auch kein Vertretungsvermerk finde. Deshalb fehle es an einem nach außen in Erscheinung tretenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Beklagten lautenden einfachen Signatur und der qualifizierten elektronischen Signatur des weiteren Rechtsanwalts. Der Umstand, dass beide Rechtsanwälte Mitglied der gleichen Sozietät seien, die sich für den Beklagten zum Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren bestellt hat, sei unerheblich.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Beklagte hat seine Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist wirksam unter Beachtung der Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO begründet.
Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO einreichen.
Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht (BT-Drucks. 17/12634, S. 25; BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 3 StR 89/22, wistra 2022, 389 Rn. 11; BAGE 172, 186 Rn. 16). Wird der Schriftsatz hingegen mit einer qualifizierten elektronischen Sig-natur versehen, entsprechen deren Rechtswirkungen unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift des Rechtsanwalts gemäß § 130 Nr. 6 ZPO (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; vom 18. April 2023 – VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments mit der qualifizierten Signatur eines Rechtsanwalts übernimmt dieser mithin nicht anders als bei einer handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftsatzes die Verantwortung für dessen Inhalt und ist daher verantwortende Person im Sinne von § 130a Abs. 3 Fall 1 ZPO (vgl. BAGE, aaO Rn. 9).
Der Übernahme der Verantwortung durch den qualifiziert elektronisch signierenden und von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt für den Schriftsatzinhalt steht es nicht entgegen, dass das elektronische Dokument am Schluss seiner Ausführungen den Namen eines anderen Rechtsanwalts als Verfasser nennt.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden Schriftsatz, wie etwa für eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO. Damit sollte die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt, den gegebenenfalls von einem anderen formulierten Schriftsatz nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigte und unterschrieb (vgl. BGH, Be-schluss vom 23. Juni 2005 – V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn.10; jeweils mwN). Nach dieser Rechtsprechung verstand es sich zudem für einen unterzeichnenden Rechtsanwalt im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift zugleich auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 – II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; Beschluss vom 14. März 2017, aaO mwN). Schließlich bedurfte es nach dieser Rechtsprechung bei Unterzeichnung eines mit dem maschinenschriftlichen Namen seines Verfassers abschließenden Schriftsatzes durch einen anderen von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt auch nicht eines klarstellenden Zusatzes, wie etwa der Verwendung des Worts „für“. Denn bereits dem Umstand der Unterzeichnung des Schriftsatzes durch einen anderen Rechtsanwalt an sich lässt sich entnehmen, dass er an Stelle des Verfassers die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter der Partei auftreten wollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 – III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn. 11; vom 14. März 2017, aaO).
Für den elektronischen Rechtsverkehr gilt nichts anderes. Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht der Unterschrift des Rechtsanwalts (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; vom 18. April 2023 – VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Der Rechtsanwalt, der das zuvor von einem anderen verfasste elektronische Dokument, das auch mit dessen Namen und Berufsbezeichnung abschließt, qualifiziert elektronisch signiert, bringt wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn. 10). Auch insoweit bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht der Verwendung des Worts „für“.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ergeben sich aus der Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 18. Oktober 2022 – 3 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22) keine abweichenden Vor-gaben. Denn dieser Entscheidung lag der Fall einer von dem Verteidiger maschinenschriftlich signierten Revisionseinlegungsschrift zugrunde, die aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eines nicht am Verfahren beteiligten anderen Rechtsanwalts übersandt und durch diesen qualifiziert elektronisch signiert worden war (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2022, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2023, 3 StR 292/23, NStZ-RR 2024, 25, 26 mwN). Es ging mithin um die qualifizierte elektronische Signatur eines Rechtsanwalts, der nicht zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt, nicht als allgemeiner Ver-treter des Pflichtverteidigers nach § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO tätig war und dem der Angeklagte auch keine Vollmacht als Wahlverteidiger erteilt hatte (vgl. zu den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 6 StR 466/22, JR 2023, 398 Rn. 5 mwN; Temming in Gercke/Temming/Zöller, StPO, 7. Aufl., § 345 Rn. 8). Anders als im Zivilprozess konnte dieser Rechtsanwalt auch nicht als Unterbevollmächtigter des Verteidigers wirksam für den An-geklagten handeln. Die Erteilung einer Untervollmacht durch den Verteidiger ist im Strafprozess nicht statthaft, sie wäre vielmehr unwirksam (vgl. BGH, Be-schluss vom 16. Dezember 1994 – 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356, 357; vom 24. Januar 2023, aaO; jeweils mwN).
Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Rechtsanwalt J. als sozietätsangehöriger und somit von dem Beklagten bevollmächtigter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner qualifizierten elektronischen Signatur hat vertreten wollen. Damit hat Rechtsanwalt J. zugleich im Sinne von § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des von seinem Kollegen verfassten und von diesem nur einfach signierten Berufungsbegründungsschriftsatz übernommen.