Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. März 2024 zum Aktenzeichen 5 C 5.22 entschieden, dass die Regelung der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg (§ 15 Abs. 1 Satz 5 BVO BW), wonach Beamtinnen und Beamten des Landes jährlich ein nach Besoldungsgruppen gestaffelter Betrag von der Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen abgezogen wird, wahrt nicht die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes und ist deshalb unwirksam. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 11/2024 vom 21.03.2024 ergibt sich:
Der Kläger, ein Professor der Besoldungsgruppe W 3 an einer Universität des Landes Baden-Württemberg, erhielt vom beklagten Land eine Beihilfe zu den ihm aus Anlass der medizinischen Versorgung seiner Tochter in den Jahren 2017 und 2018 entstandenen Aufwendungen. Von dem errechneten Beihilfebetrag zog das Land für jedes Jahr eine Kostendämpfungspauschale in Höhe von 275 € ab. Der Kläger stützte seine auf Zahlung weiterer Beihilfe in Höhe von 100 € (50 € für jedes Jahr) gerichtete Klage unter anderem darauf, dass die Kostendämpfungspauschale für die besser verdienenden und deshalb leistungsfähigeren Professoren der Besoldungsgruppe C 4 225 € betrage, während sie für Professoren der Besoldungsgruppe W 3 um 50 € auf 275 € erhöht worden sei. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht, nicht aber vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass § 15 Abs. 1 Satz 5 BVO BW unwirksam ist, weil der auch im Beihilferecht geltende Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nicht gewahrt worden ist. Danach muss der parlamentarische Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Bei Beihilfekürzungen in Form von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen muss der Gesetzgeber wegen deren Auswirkungen auf die Höhe der Alimentation insbesondere selbst entscheiden, welchen Rahmen die Beteiligung der Beamten nicht übersteigen darf. Außerdem muss er vorgeben, ob und gegebenenfalls nach welchen Gesichtspunkten die Kostendämpfungspauschale der Höhe nach gestaffelt werden muss. Deshalb ist eine Kostendämpfungspauschale, die durch eine gegenüber dem Gesetz rangniedrigere Rechtsverordnung eingeführt oder geändert wird, nur wirksam, wenn der parlamentarische Gesetzgeber seine diesbezüglichen Vorstellungen in einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat. Eine Bindung an die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn – wie hier – eine bestehende Verordnungsregelung (§ 15 Abs. 1 Satz 5 BVO) durch den Gesetzgeber selbst geändert worden ist. Sie hat auch in diesem Falle nur den Rang einer Verordnung. An einer danach erforderlichen hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass der Verordnungsregelung fehlt es hier. Der als Ermächtigung allein in Betracht kommenden Vorschrift des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (§ 78 Abs. 2 Satz 3 LBG BW) ist mit der Formulierung „zumutbarer Selbstbehalte“ weder eine Obergrenze der Eigenbeteiligung zu entnehmen, noch ob und nach welchen Kriterien die Kostendämpfungspauschale zu staffeln ist.