Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 17.01.2024 zum Aktenzeichen XII ZB 88/23 entschieden, dass die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände bedarf. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht.
Die Rechtsanwältin hat anwaltlich versichert dargelegt, weshalb sie ihre Beschwerdebegründung nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht hat. Diese Ausführungen hat sie durch einen weiteren Schriftsatz ergänzt, der per Fax am 30. Mai 2022 beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die nach §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Die Antragstellerin hat auch nicht aufzuzeigen vermocht, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf ihre Verfahrensgrundrechte, oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich wäre. Das Oberlandesgericht hält sich mit seiner Entscheidung im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Das Beschwerdegericht ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Beschwerdebegründungsschrift nicht form- und fristgerecht eingereicht worden ist.
Gemäß §§ 112 Nr. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, §§ 520 Abs. 5, 130 d Satz 1 ZPO war die von der Antragstellerin als Rechtsanwältin eingereichte Beschwerdebegründung grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln. Zwar ist nach § 130 d Satz 2 ZPO eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit nach § 130 d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO jedoch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Dies ist der Antragstellerin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht gelungen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22 – FamRZ 2022, 1957 Rn. 15 mwN zu § 14 b FamFG; BGH Beschluss vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22 – FamRZ 2023, 1045 Rn. 11 mwN). Glaubhaft zu machen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände genügt (vgl. BGH Beschluss vom 21. Juni 2023 – V ZB 15/22 – FamRZ 2023, 1564 Rn. 21 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27; vgl. auch BGH Beschluss vom 25. Januar 2023 – IV ZB 7/22 – FamRZ 2023, 625 Rn. 14). Technische Gründe liegen aber nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vor, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (vgl. BGH Beschluss vom 25. Januar 2023 – IV ZB 7/22 – FamRZ 2023, 625 Rn. 13 mwN; Bacher MDR 2022, 1441, 1444; Biallaß NJW 2023, 25, 26). Entsprechend stellen Verzögerungen bei der Einrichtung der technischen Infrastruktur keinen vorübergehenden technischen Grund dar (vgl. BT-Drucks. 17/12634 Rn. 27 f.; vgl. auch BGH Beschluss vom 8. Dezember 2022 – AnwZ (Brfg) 21/22 – juris Rn. 13 zu § 55 d VwGO).
Die Antragstellerin hat zur Glaubhaftmachung geltend gemacht, die Nutzungspflicht nach § 130 d ZPO sei ihr bekannt. Indessen sei ihr eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, was sie anwaltlich versichere.
Ihr Fehlbedienungszähler sei abgelaufen. Sie habe sich daher an die zuständige Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer gewandt. Wie der von ihr beauftragte Dienstleister ihr am 24. Mai 2022 per E-Mail bestätigt habe, zeige ihre beA-Karte an, dass der Fehlbedienungszähler abgelaufen sei. Um diesen zurückzusetzen, sei vergeblich versucht worden, das „Secure Framework“ zu starten, weil dies gemeldet habe, dass es „ein Update will was aber auch nicht geht“. Auch der nachfolgende Versuch der Deinstallation der bei der Antragsgegnerin installierten Version sei gescheitert, weil „Probleme am PC sind“. Aus diesem Grund habe auch keine neue Version installiert werden können. Mit E-Mail vom 25. Mai 2022 habe die Zertifizierungsstelle mitgeteilt: „Wie telefonisch besprochen übersenden wir Ihnen die Anleitung. Sollten Sie Ihre PIN dreimal falsch eingegeben haben, wird die PIN-Eingabe gesperrt. Um die PIN-Eingabe wieder freizuschalten, wird die PUK aus dem PIN-Brief benötigt.“ Diesen Ausführungen habe sich eine Anleitung zur Zurücksetzung des Fehlbedienungszählers angeschlossen. Mit der Sachbearbeiterin bei der Bundesnotarkammer habe sie noch am selben Tag einen Termin mit einem IT-Fachmann der Zertifizierungsstelle für den Nachmittag vereinbart. In dem für sie eingestellten zweistündigen Slot habe sich aber niemand bei ihr gemeldet. Auf Anraten der Zertifizierungsstelle habe sie der Bundesnotarkammer einen Sperrauftrag mit der Begründung „falscher Zugangscode“ erteilt und (kostenpflichtig) eine neue beA-Karte beantragt, deren Erstellung und Zusendung aber ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könnten.
Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2022 hat die Antragstellerin abschließend mitgeteilt, dass die vorübergehende technische Störung behoben worden und das besondere elektronische Anwaltspostfach jetzt vollumfänglich funktionstüchtig sei.
Dieses Vorbringen wird den höchstrichterlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer aus technischen Gründen vorübergehenden Unmöglichkeit im Sinne des § 130 d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO nicht gerecht, weil aus den Ausführungen der Antragstellerin nicht in sich schlüssig und nachvollziehbar hervorgeht, ob sie die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorgehalten hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt etwa eine Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs oder des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) sowie der temporäre Ausfall der Netzwerkkarte grundsätzlich zu einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit (vgl. BGH Urteil vom 25. Mai 2023 – V ZR 134/22 – NJW 2023, 2484 Rn. 9 mwN; BGH Beschlüsse vom 21. Juni 2023 – V ZB 15/22 – FamRZ 2023, 1564 Rn. 18 und vom 19. Mai 2023 – V ZR 14/23 – juris Rn. 1). Eine solche Konstellation liegt hier indessen nicht vor. Denn nach dem von der Antragstellerin gehaltenen Vortrag besteht nicht die zur Glaubhaftmachung erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22 – FamRZ 2023, 879 Rn. 15 und vom 26. Januar 2022 – XII ZB 227/21 – FamRZ 2022, 647 Rn. 11 mwN) dafür, dass die behauptete Unmöglichkeit auf technischen und nicht auf in der Person der Antragstellerin liegenden Gründen beruht.
Eine technische Unmöglichkeit ist dann nicht glaubhaft gemacht, wenn die Angaben auch den Schluss zulassen, dass der zugelassene Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet und dessen Funktionsfähigkeit vor der erstmaligen Nutzung nicht überprüft worden ist (vgl. BGH Beschluss vom 15. Dezember 2022 – I ZB 35/22 – NJOZ 2023, 437 Rn. 14; Biallaß NJW 2023, 25, 26). Professionelle Einreicher werden durch § 130 d ZPO nicht von der Notwendigkeit entbunden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten (vgl. BT-Drucks. 17/12643 S. 28). Zu den notwendigen technischen Einrichtungen gehört dabei nicht nur ein entsprechendes Endgerät (Hardware), sondern auch die für den Betrieb des Endgeräts und die Einreichung elektronischer Dokumente jeweils erforderliche Software in der jeweils aktuellen Version.
Die Antragstellerin hat sich jedoch in den Schriftsätzen vom 27. und 30. Mai 2022 nicht dazu geäußert, ob sie die so verstandenen technischen Einrichtungen vorgehalten hat. Sie ist auch nicht darauf eingegangen, ob sie – wie von der Zertifizierungsstelle vorgeschlagen – überhaupt versucht hat, mittels der ihr übersandten PUK die PIN-Eingabe zu entsperren, um anschließend entsprechend der Anleitung der Zertifizierungsstelle den Fehlbedienungszähler zurückzusetzen, gegebenenfalls auch unter Aktualisierung der Betriebssoftware des Endgeräts und der Betriebssoftware für die Einreichung von elektronischen Dokumenten. Vielmehr hat sie mit E-Mail vom 30. Mai 2022 an die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer mitgeteilt, dass „keine Dokumente signiert“ worden seien, „somit die übersandte PIN vom 15.02.2022 nicht eingesetzt und infolge auch nicht geändert“ worden sei. Danach legen die Angaben der Antragstellerin den Schluss nahe, dass es sich bei der gescheiterten Übermittlung der Beschwerdebegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach offensichtlich um den erstmaligen Versuch der Verwendung der im Februar 2022 übersandten PIN und damit – zumindest möglicherweise – auch um den erstmaligen Versuch der Übermittlung eines elektronischen Dokuments an ein Gericht handelte und diese an der mangelnden Aktualisierung der Betriebssoftware gescheitert sein könnte.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann dabei dahinstehen, ob ein Rechtsanwalt in jedem Einzelfall dazu vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass die technischen Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung ursprünglich gegeben und funktionstüchtig waren (Dutta/Jacoby/Schwab/Jacoby FamFG 4. Aufl. § 14 b Rn. 4; Mantel ArbRB 2023, 188, 191; Biallaß NJW 2023, 25, 26). Denn jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – auf der Grundlage des Vorbringens des Rechtsanwalts davon auszugehen ist, dass Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bestand, diese jedoch unterblieben ist (vgl. BGH Beschluss vom 15. Dezember 2022 – I ZB 35/22 – NJOZ 2023, 437 Rn. 14), muss der Rechtsanwalt darlegen, dass die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente ursprünglich vorhanden und einsatzfähig waren.
Fehlt wie hier die Glaubhaftmachung nach § 130 d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO, so ist auch die Ersatzeinreichung unwirksam (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22 – FamRZ 2022, 1957 Rn. 18 mwN).