Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 31. Januar 2024 zu den Aktenzeichen 11 KN 353/21 und 11 KN 284/21 in zwei Normenkontrollverfahren die Verordnung über das Verbot der Prostitution in Braunschweig der Polizeidirektion Braunschweig vom 15. August 2022 (Sperrbezirksverordnung) insoweit für unwirksam erklärt, als darin die Bordellprostitution verboten wurde.
Aus der Pressemitteilung des OVG Niedersachsen vom 01.02.2024 ergibt sich:
Die Sperrbezirksverordnung enthielt u.a. ein grundsätzliches Verbot der Bordellprostitution für das gesamte Stadtgebiet. Die Bordellprostitution blieb jedoch im historischen Rotlichtviertel der Stadt Braunschweig sowie in im Zeitpunkt des Inkrafttretens legalen Prostitutionsbetrieben erlaubt. Zudem waren in der Sperrbezirksverordnung fünf – flächenmäßig allerdings nur einen kleinen Teil des Stadtgebiets betreffende – Toleranzzonen festgelegt, in denen die Bordellprostitution weiterhin zulässig sein sollte. Die Polizeidirektion Braunschweig hatte die Toleranzzonen ermittelt, indem sie sich von der Stadt Braunschweig die festgesetzten und faktischen Industrie- und Gewerbegebiete mitteilen ließ und sodann anhand einer von ihr entwickelten „Checkliste“ darauf hin überprüfte, ob diese Gebiete im Hinblick auf den Schutz der Jugend sowie des öffentlichen Anstands als schutzbedürftig erschienen. Die Checkliste enthielt Merkmale wie „angrenzendes Wohngebiet“, „Schule inkl. 500 m Umkreis“ oder „soziale Einrichtungen“. Solche Industrie- und Gewerbegebiete, in denen nach wertender Einschätzung der Polizeidirektion ein oder mehrere Merkmale der „Checkliste“ erfüllt waren, wurden als potentielle Toleranzzone verworfen.
Der 11. Senat hat dieses Vorgehen beanstandet. Nach Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sei in einer Stadt wie Braunschweig mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Verbot der Prostitution nur für Teile des Stadtgebiets zulässig. Der Normgeber dürfe die Prostitution nur in solchen Gebieten verbieten, die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet seien, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Polizeidirektion etwa bei Kerngebieten eine Schutzbedürftigkeit pauschal unterstellt habe. Denn die darin baurechtlich zulässigen Nutzungen könnten unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht pauschal als schutzbedürftig eingestuft werden. Ähnliches gelte für Mischgebiete, insbesondere nachdem der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und das Bundesverwaltungsgericht jüngst bestimmte Bordelle im Wege einer Einzelfallbetrachtung auch in Mischgebieten für baurechtlich zulässig gehalten hätten. Hinsichtlich der pauschal unter Schutz gestellten Gebiete im sogenannten unbeplanten Innenbereich habe sich die Polizeidirektion ebenfalls nicht ohne weiteres auf die Einschätzung der Stadt Braunschweig zum Gebietscharakter dieser Gebiete verlassen dürfen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei schließlich, dass die Polizeidirektion auf einen Zuschnitt der Gewerbegebiete verzichtet habe und deshalb stets das gesamte Gewerbegebiet als potentielle Toleranzzone verworfen und als Sperrgebiet ausgewiesen habe, wenn aufgrund der Prüfung anhand der „Checkliste“ schutzwürdige Merkmale festgestellt worden seien. Denn der Zuschnitt der Gewerbegebiete orientiere sich allein an den städtebaulichen Vorstellungen der Stadt Braunschweig und nicht daran, inwieweit ein im Hinblick auf die ordnungsrechtlichen Schutzzwecke des Art. 297 EGStGB schutzwürdiges Gebiet vorliege.