Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 14. Juni 2023 zum Aktenzeichen 4 Sa 123 öD/22 entschieden, dass wenn eine Gebietskörperschaft eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte nur für Frauen aber nicht für Personen ausschreibt, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind (zusammengefasst drittes Geschlecht), dies im Einzelfall eine Entschädigung nach § 15 AGG rechtfertigen kann.
Aus der Pressemitteilung des LAG SH vom 15.11.2023 ergibt sich:
Die beklagte Gebietskörperschaft hatte die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten ausgeschrieben und dabei ausschließlich die weibliche Form ohne weitere Zusätze wie „w/d“ verwandt. Die klagende Partei, die von Geburt an weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, hatte sich beworben, nahm an Vorstellungsgesprächen teil und erhielt am Ende die Stelle nicht.
Mit ihrer Klage macht die klagende Partei eine Entschädigung geltend. Sie sei u.a. wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Die Benachteiligung wegen des Geschlechts sei weder durch die Anforderung der konkreten Tätigkeit noch durch die Vorgaben des – aus ihrer Sicht verfassungswidrigen – § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH gerechtfertigt. Die beklagte Gebietskörperschaft führt aus, dass die klagende Partei überhaupt nicht benachteiligt worden sei. Jedenfalls sei eine unterschiedliche Behandlung gemäß § 8 Abs. 1 AGG zulässig, da die gesetzliche Grundlage in Schleswig-Holstein in § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH für kommunale Gleichstellungsbeauftragte nur Frauen vorsehe.
Vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte die klagende Partei Erfolg. Die spezifisch nur für Frauen ausgeschriebene Stellenanzeige lässt eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten. Die beklagte Gebietskörperschaft hat die Vermutung nicht widerlegt, da die geschlechtsspezifische Besetzung zumindest Teil des Motivbündels für die Auswahlentscheidung war. Die Benachteiligung war auch nicht nach § 8 AGG gerechtfertigt. Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind (drittes Geschlecht), können nicht generell gem. § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH vom Amt der Gleichstellungsbeauftragten ausgeschlossen werden. § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH ist verfassungskonform mit der Maßgabe auszulegen, dass jedenfalls neben Frauen auch diese Personen grundsätzlich Gleichstellungsbeauftragte sein können.
Art. 3 Abs. 2 GG rechtfertigt zwar im binären Verhältnis zwischen Mann und Frau eine kompensatorische Förderung von Frauen, ist aber nicht geeignet, auch im Geschlechterverhältnis zwischen Frauen und Personen dritten Geschlechts den Frauen eine günstigere Behandlung zu verschaffen.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG kann nur durch zwingende sachliche Gründe oder im Wege einer Güterabwägung mit kollidierenden Gütern von Verfassungsrang gerechtfertigt werden. Solche Gründe sind bei der Ungleichbehandlung von Frauen und intergeschlechtlichen Personen für den Zugang zur Gleichstellungsbeauftragtenstelle durch einen pauschalen gesetzlichen Ausschluss wie in § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH nicht ersichtlich. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an unter Berücksichtigung sowohl des Stellenzuschnitts als auch der Eigenschaften und Erfahrungen der nicht-binären Personen.
Dass in § 2 Abs. 3 Kreisordnung-SH nur in der weiblichen Form formuliert wurde, ist allein dem Umstand geschuldet, dass seinerzeit im binären Verhältnis gedacht wurde und Männer jedenfalls nicht Gleichstellungsbeauftragte werden sollten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber erkennbar zwingend mit dieser Formulierung andere als männliche Geschlechter von der Wahrnehmung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten ausschließen wollte.
Der konkrete Stellenzuschnitt für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten vermag im Einzelfall eine Begrenzung auf Frauen zu rechtfertigen. Hierzu bedarf es bezogen auf Personen des dritten Geschlechts eines direkten, objektiv durch eine entsprechende Analyse belegten und überprüfbaren Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte mit der Folge, dass allein das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ist.
Das Gericht hielt ebenso wie das Arbeitsgericht eine Entschädigung i.H.v. 3.600,00 Euro für angemessen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es ist Revision beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 8 AZR 214/23 eingelegt worden.