Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 17. November 2023 zum Aktenzeichen 1 BvR 1037/23 entschieden, dass der vollständige Entzug des Sorgerechts eines Vaters für seine Kinder verfassungswidrig ist.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den vollständigen Entzug des Sorgerechts für die drei Kinder des Beschwerdeführers und die Anordnung der Vormundschaft für die Kinder.
Der Beschwerdeführer ist der Vater von drei Kindern, die aus der Ehe des Beschwerdeführers mit der Mutter der Kinder hervorgegangen sind. Zwischen der Mutter und dem Beschwerdeführer traten ab dem Jahr 2017 verstärkt Unstimmigkeiten und verbale Auseinandersetzungen auf, bei denen auch die Kinder anwesend waren. Im November 2020 erklärte der Beschwerdeführer den Kindern, sich von der Mutter trennen zu wollen und stellte zugleich einen Scheidungsantrag, über den noch nicht entschieden wurde. Im Beisein der Kinder kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung der Eltern in der Ehewohnung, zu der auch die Polizei gerufen wurde. Die Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten streitig. Am nächsten Tag verließ der Beschwerdeführer dauerhaft die Ehewohnung. Anfang Dezember 2020 trafen die Eltern vor dem Familiengericht die Vereinbarung, dass die Mutter mit den Kindern weiter in der Ehewohnung leben solle. Für die zu diesem Zeitpunkt bereits verhaltensauffälligen, 2007 beziehungsweise 2008 geborenen Söhne wurde eine psychologische Behandlung vereinbart, für einen Sohn stationär, für den anderen ambulant. Der ältere Sohn besuchte bereits damals seit geraumer Zeit nicht mehr die Schule. Ende November 2020 fand der letzte Umgangskontakt des Beschwerdeführers mit dem jüngeren Sohn statt, danach verweigerten beide Söhne jegliche Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer.
Anfang Februar 2021 kam anlässlich eines Gesprächs der Mutter bei pro familia wegen Verhaltensauffälligkeiten bei der im Jahr 2014 geborenen Tochter der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs durch den Beschwerdeführer auf. Im Zuge dessen wurden die Umgangskontakte des Beschwerdeführers mit der Tochter ausgesetzt. Mittlerweile ist der Verdacht wieder ausgeräumt und es finden unbegleitete Umgangskontakte des Beschwerdeführers mit der seit dem Jahr 2021 in Wohngruppen untergebrachten Tochter statt.
Im Ausgangsverfahren beantragte der Beschwerdeführer, ihm nach § 1671 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge für die drei Kinder zur alleinigen Ausübung zu übertragen. Zur Begründung des Antrags führte er unter anderem aus, die Mutter verhalte sich kindeswohlschädlich. Der ältere Sohn besuche seit Jahren keine Schule mehr und isoliere sich im Elternhaus. Er habe keine sozialen Kontakte und sei gesundheitlich beeinträchtigt. Auch dem jüngeren Sohn fehle es an ausreichenden sozialen Kontakten. Alle Kinder seien von der Mutter gegen ihn aufgebracht worden, die Mutter habe ihn wider besseres Wissen sogar des Missbrauchs bezichtigt. Zu den Gewalteskalationen sei es allein aufgrund des Verhaltens der Mutter gekommen. Die nötigen Therapien der Söhne würden durch die Mutter verhindert. Die Tochter leide unter der Fremdunterbringung und solle in seinen Haushalt wechseln.
Im Mai 2021 einigten sich die Eltern darauf, dass alle drei Kinder stationär in eine Jugendhilfeeinrichtung aufgenommen werden sollten. Die Aufnahme der Kinder erfolgte im Juni 2021. Die Tochter war zunächst in einer Diagnosegruppe untergebracht und wechselte im September 2022 in eine Regelwohngruppe, wo sie auch derzeit lebt. Die Söhne beendeten den Aufenthalt in der Einrichtung im August 2021 von sich aus und kehrten in den Haushalt der Mutter zurück. Der ältere Sohn befand sich vom 5. September bis 10. Oktober 2022 sowie vom 17. Oktober bis zum 14. November 2022 in stationärer Behandlung im Heilpädagogisch-Psychotherapeutischen Zentrum einer Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Es wurde eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1) sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) diagnostiziert und entsprechende Medikation verordnet. Der jüngere Sohn besucht seit Dezember 2021 wieder das Gymnasium und erzielt dort ausgezeichnete Noten. Der ältere Sohn wurde während des stationären Aufenthalts beschult.
Das Familiengericht bestellte den Kindern eine Verfahrensbeiständin und holte ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten ein, unter anderem zur Erziehungsfähigkeit der Eltern und zur Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Kindeswohl am besten entspreche. Der Sachverständige führte in seinem schriftlich im November 2021 erstatteten Gutachten zur Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers aus, dass dieser seine Kinder trotz des bestehenden Paarkonflikts beeinflusse und bedränge, er emotionalen Druck auf die Kinder ausgeübt, die Mutter in Gegenwart der Kinder schlechtgeredet und die Kinder gegen deren Willen aufgesucht habe. Das permanente Miterleben von Elternkonflikten führe zu enormen psychischen Belastungen von Kindern und werde noch verstärkt, wenn diese Partnerschaftsgewalt beinhalteten. Dies stelle eine emotionale Vernachlässigung und einen Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern dar. Beinahe alle Schädigungsfolgen für die kindliche Entwicklung, die vom Miterleben eines Elternkonflikts herrühren könnten, ließen sich bei den Söhnen nachweisen. Besonders schwer wiege beim Beschwerdeführer, dass bei ihm keine ausreichende Einsichts- bzw. Reflexionsfähigkeit erkennbar sei; es gelinge ihm nicht, seinen eigenen Anteil an der desolaten emotionalen Verfassung seiner Kinder zu reflektieren. Seine Verhaltensweisen in diesem Teilbereich seien aus psychologischer Sicht als kindeswohlgefährdend einzustufen.
Zur Erziehungsfähigkeit der Mutter legte der Sachverständige dar, dass die Söhne in der Obhut der Mutter massive Fehlzeiten in der Schule aufwiesen und sie sich in erster Linie überfordert zeige. Eine angemessene Diagnostik der Söhne für deren Verhaltensauffälligkeiten und psychosomatischen Beschwerden habe aufgrund Nichtwahrnehmung von Terminen durch die Mutter nicht umgesetzt werden können. Diversen Terminen und Empfehlungen sei die Mutter kaum bis gar nicht zugänglich gewesen. Die Tochter habe zuletzt Schulzeit verpasst, weil die Mutter sich mit fragwürdigen Vorstellungen den Corona-Testverpflichtungen für die Tochter widersetzt habe. Die Fremdunterbringung für die Söhne in der Jugendhilfeeinrichtung sei von der Mutter nicht getragen beziehungsweise nicht ausreichend umgesetzt worden. Statt die Söhne erzieherisch zu einer Rückkehr zu bewegen, habe sie diese wieder in ihren Haushalt aufgenommen und strebe es wohl auch für die Tochter an. Die Daten zeigten massive Einbrüche in der emotionalen Versorgung und Erziehung der Kinder durch die Mutter. Die Einbeziehung der Kinder in den Paarkonflikt, das offen zur Schau getragene negative Vaterbild und die damit einhergehenden Loyalitätskonflikte und emotionalen Belastungen seien für die Kinder massiv kindeswohlabträglich. Dazu komme eine deutliche Parentifizierung der Kinder, was mit massiven Risiko- und Schädigungsfolgen für die Kinder einhergehen könne. Die emotionale Versorgung der Kinder sei aus psychologischer Sicht als kindeswohlgefährdend einzustufen.
Das schwerwiegendste Problem sei die fehlende Fähigkeit beider Eltern, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Die Elternebene sei derzeit nicht vorhanden, es handele sich um einen ausgeprägten Hochkonflikt; keiner der Eltern sei in der Lage, die Kinder aus diesem Hochkonflikt herauszuhalten. Aus psychologischer Sicht entspreche es, insbesondere im Hinblick auf die erkennbare Kindeswohlgefährdung vor dem Hintergrund des ausgeprägten Hoch- beziehungsweise Familienkonflikts, dem Kindeswohl am besten, wenn die Verantwortung für Entscheidungen erheblicher Bedeutung nicht mehr bei den Eltern liege. Die Hinzunahme einer neutralen Person wie eines Ergänzungspflegers, der in der Lage sei, die kognitive und emotionale Versorgung der Kinder angemessen umzusetzen, entspreche dem Kindeswohl derzeit am besten. Auch wenn sich die Eltern kurz nach Ende der Datenerhebung des Gutachtens auf einen stationären Aufenthalt der Söhne geeinigt hätten, ändere dies nichts an der sachverständigen Einschätzung. Ohne Bearbeitung der Risikofaktoren und ohne angemessene Einsichtsfähigkeit der Beteiligten, wozu auch die Söhne gehörten, stehe zu befürchten, dass die Söhne auch eine weitere stationäre Maßnahme nicht nachhaltig umsetzen würden. Die Söhne hätten durch ihr Verhalten eindrucksvoll gezeigt, dass sie sich Maßnahmen des Helfersystems entziehen würden.
In der persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht erklärte die Tochter, dass es ihr größter Wunsch sei, zu Mama zurück zu können, ansonsten zu Papa. Der ältere Sohn erklärte, dass das Sorgerecht für ihn auf jeden Fall die Mutter ausüben solle. Zum Beschwerdeführer bestehe nach wie vor kein Kontakt. Die Mutter habe jedoch versucht, sich bei ihm zu melden. Er besuche derzeit nicht die Schule, etwa seit den Osterferien, sei aber durchgehend krankgeschrieben. Weiter gab er an, sich krank zu fühlen und durch die ganzen Personen sehr belastet zu sein. Die ambulante Therapie habe ihm aus seiner Sicht nicht geholfen. Zu den Geschwistern pflege er ein äußerst gutes Verhältnis. Es würde ihm sehr helfen, wenn endlich eine endgültige Entscheidung getroffen würde. Der jüngere Sohn erklärte, seine größte Sorge sei, noch heute bei Mama ausziehen zu müssen. Er wolle, dass Mama alle entscheidungserheblichen Sachen für ihn entscheide. Zu dem Beschwerdeführer habe er keinen Kontakt und wolle ihn auch nicht. In der Schule habe er sich sehr gefangen, sei ein guter Schüler und gehe gerne in die Schule. Einen teilstationären Aufenthalt könne er sich vorstellen. Er wolle auf jeden Fall dauerhaft bei der Mutter bleiben.
Die Eltern erklärten übereinstimmend, dass sie einig seien, dass die Tochter und der jüngere Sohn derzeit fremd untergebracht seien. Beide Jungen sollten perspektivisch fremd untergebracht sein. Beide Eltern erklärten ausdrücklich ihre Zustimmung dazu, dass beide Söhne stationär in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht werden.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2022 entzog das Familiengericht den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten für alle drei Kinder und ordnete Ergänzungspflegschaft an. Im Übrigen sollte es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben. Von einer Begründung der Entscheidung sah es wegen der zuletzt von den Beteiligten gestellten Anträge nach § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG ab.
Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde ein.
Im Beschwerdeverfahren führte das Jugendamt aus, bei dem älteren Sohn sei eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine mittelgradige depressive Episode festgestellt und der Sohn medikamentös eingestellt worden. Ein Schulbesuch finde im Rahmen der Klinik statt. Der jüngere Sohn habe sich im häuslichen Umfeld sehr stabilisiert und gehe regelmäßig zur Schule mit guten bis durchschnittlichen Noten. Die Rückmeldungen von Schule und Kinderarzt zeigten aktuell keinen stationären therapeutischen Bedarf. Die Söhne verweigerten beide weiterhin den Kontakt zum Vater. Die Tochter zeige sich durchgehend gegenüber der Psychologin eher verschlossen, was familiäre Themen angehe. Sie habe sich gut in die neue Gruppe eingelebt und zeige schulisch gute bis sehr gute Leistungen. Sie äußere gegenüber Mitarbeitern, ihre Eltern zu vermissen. Es bestehe regelmäßiger Kontakt zu beiden Eltern. Die psychische Gesamtsituation der Kinder habe sich seit Einrichtung der Ergänzungspflegschaft deutlich entspannt.
Die Verfahrensbeiständin teilte mit, dass die Tochter sich in der Einrichtung wohlfühle, auch wenn sie lieber nach Hause zu ihrer Mutter zurückkehren wolle. Insgesamt hätten die Einrichtung und sie den Eindruck, dass die Tochter einen entspannten, fröhlichen Eindruck in der Einrichtung mache. Nur der Beschwerdeführer könne sich mit der aktuellen Situation nicht einverstanden erklären. Der jüngere Sohn habe sich positiv entwickelt. Eine stationäre Therapie habe nicht stattgefunden, weil zunächst der ältere Sohn aufgenommen worden sei. Die Fachleute gingen mittlerweile davon aus, dass eine stationäre Therapie kontraproduktiv sei, weil eine längere Abwesenheit vom mütterlichen Haushalt gegebenenfalls auch zu einer Destabilisierung des Kindes führen könne. Er habe sich gefangen, besuche regelmäßig die Schule, schreibe ausgezeichnete Noten, der Freundeskreis habe sich vergrößert und vor allem klage er nicht mehr über chronische Schmerzen. Ein Kontakt zum Beschwerdeführer werde weiter abgelehnt. Der ältere Sohn sei in einer Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie stationär untergebracht gewesen, die Therapie sei in der letzten Phase nach zwei Monaten und drei Wochen abgebrochen worden. Durch die dort begonnene Medikation habe eine positive Entwicklung eingeleitet werden können. Der ältere Sohn mache seither einen entlasteteren Eindruck. Es werde fachlich eine teilstationäre Unterbringung kombiniert mit dem Besuch einer Förderschule empfohlen, weil er eine vollstationäre Unterbringung ablehne.
Die Ergänzungspflegerin der Tochter stellte in ihrem Bericht die Entwicklung der Tochter sehr positiv dar; sie wird als charakterstark, sehr fröhlich und offen beschrieben. Die Tochter sei selten in Konflikte verwickelt, zeige große Fantasie, lasse sich auch zu vielen anderen Aktivitäten in oder außerhalb der Gruppe begeistern, zeige sich furchtlos und pfiffig, habe eine ausgeprägte Intelligenz für ihr Alter und zeichne sich durch große Wissbegierde aus. Außerdem verfüge die Tochter über einen großen Wortschatz und hohe Kommunikationsfähigkeiten, erzähle gerne von Erlebtem und sei dabei stets freundlich und höflich. Das Familiensystem habe sich in einem Jahr dagegen kaum entwickelt. Die Eltern könnten weiterhin kaum positiv miteinander kommunizieren. Alle Familienmitglieder hätten sich mit der Unterbringung abgefunden und sich auf den Diagnostikprozess einlassen können. Nach der Entscheidung des Familiengerichts, dass die Tochter zunächst nicht bei einem der Elternteile leben werde, sei diese immer wieder traurig gewesen, habe geweint und sei abends schwer zur Ruhe gekommen. Die Tochter habe bei verschiedenen Fachkräften abgefragt, ob sie wirklich nicht zu Hause leben könne. Nach längeren, wöchentlichen Aufenthalten in den verschiedenen elterlichen Haushalten im Sommer 2022 habe sich die Tochter schlechter auf die Gruppe einlassen und nicht akzeptieren können, dass sie im Gegensatz zu ihren Brüdern nicht wieder komplett zu Hause wohnen dürfe. Die Mutter habe den Umzug der Tochter deutlich besser und entspannter akzeptiert als der Beschwerdeführer.
Das Oberlandesgericht erörterte die Sache mündlich mit den Beteiligten.
Der Sachverständige erklärte, gegenüber seiner Bewertung im schriftlichen Gutachten gäbe es nur in Nuancen Veränderungen. Überraschend sei, dass es der Tochter egal sei, zu welchem Elternteil sie komme. Bisher sei eine Tendenz zur Mutter vorhanden gewesen. An der grundlegenden Problematik habe sich nichts geändert: keine Therapie für die Söhne, keine Annäherung der Eltern. Es lägen keine Daten vor, um von einem anderen Sachverhalt auszugehen. Wenn eine Kindeswohlgefährdung vorhanden sei und diese nicht aufgearbeitet werde, verschlimmere sich diese. Bei den Feststellungen des Gutachtens bleibe es daher. Vom Ergänzungspfleger der Söhne sei nachvollziehbar dargelegt worden, dass eine Therapie gegen den Willen des älteren Sohnes nicht durchgeführt werden könne. Theoretisch könne man diesen zwar mit Zwang in eine Psychiatrie bringen, was aber gegebenenfalls der Sache nicht dienlich wäre. Die von ihm, dem Sachverständigen, zunächst gehegte Hoffnung auf Aktivierung des älteren Sohns durch eine dritte Person wie den Ergänzungspfleger habe sich nicht erfüllt. Es sei auch denkbar, dass das Helfersystem das Vermeidungsverhalten des älteren Sohnes verschlimmert habe. Welche Wege und Mittel da griffen, das sei jetzt Sache der Erziehungsberechtigten.
Wenn die elterliche Sorge bei der Mutter läge, wirke sich der Streit negativ auf die Kinder aus, auch wenn die Mutter allein bestimmen könne. Bei der Mutter gäbe es noch immer ein großes Schädigungspotential. Allerdings bestehe auch die Gefahr, dass die Söhne sich wechselseitig ein schlechtes Vaterbild vermittelten. Ein Wechsel in den Haushalt des Beschwerdeführers sei nicht möglich. Unter dem Gesichtspunkt der sekundären Kindeswohlgefährdung könne der Sachverständige keine Angaben dazu machen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter das geringere Übel darstelle. Die Jungen hätten die Unterbringung abgebrochen. Dies würde wieder passieren. Er plädiere dafür, alle Kinder fremd unterzubringen. Wenn die Situation so belassen und nicht auf die Kinder erzieherisch und therapeutisch eingewirkt werde, bestehe in einem oder zwei Jahren eine akute Kindeswohlgefährdung. Die Situation im mütterlichen Haushalt sei dysfunktional. Der ältere Sohn wolle da sein, weil er die Mutter beschützen wolle. Dieses dysfunktionale Verhaltensmuster müsse aufgebrochen werden.
Bekäme der Beschwerdeführer die elterliche Sorge und setzte dann eine Unterbringung gegen den Willen der Jungen durch, mache er es nur noch schlimmer. Im Falle der Übertragung auf die Mutter gäbe es so viel Störfeuer vom Beschwerdeführer, dass eine Kindeswohlgefährdung bestehe. Bei der Mutter gebe es keine intrinsische Motivation für Maßnahmen.
Nach Einschätzung des Sachverständigen werde die Kindeswohlgefährdung für die Tochter durch den Paarkonflikt hervorgerufen, die Einrichtung eines Erziehungsbeistandes sei sinnvoll. Bei ausreichendem Aufbau von Schutz- und Abbau von Risikofaktoren ließe sich einrichten, die Tochter in einen Haushalt zurückzuführen. Die Fremdunterbringung habe einen Mehrwert für sie. Grundsätzlich wirke sich eine gerichtliche Entscheidung entlastend für sie aus.
Der Ergänzungspfleger der Söhne hielt eine stationäre Unterbringung der Jungen für einen guten Weg. Beide lehnten dies aber ab. Der ältere Sohn sei bezüglich einer ambulanten Therapie therapiebereit, weshalb eine passende Einrichtung gesucht werde. Der jüngere Sohn hingegen wolle dies nicht. Er sei mit der Schule als sicherem Ort zufrieden. Der ambulante Therapeut habe den jüngeren Sohn als normal entwickeltes Kind angesehen. Auch er als Ergänzungspfleger sehe für den jüngeren Sohn im Haushalt der Mutter keine akute Gefährdung. Der ältere Sohn reagiere psychosomatisch auf den Beschwerdeführer und sei sehr aggressiv bei dem Thema. Beide Söhne hätten Angst, dass über ihren Kopf hinweg entschieden würde. Der Kinderarzt habe einen Therapiebedarf für den älteren Sohn formuliert, sich aber gegen eine zwangsweise Therapie ausgesprochen. Der Schulbesuch sei für ihn wichtig, da dies zur einer Änderung der Situation führen würde. Er selbst habe in seiner Funktion als Ergänzungspfleger die Söhne nicht zwangsweise untergebracht, weil er dies als kontraindiziert ansehe. Eine Therapie für beide sei aber notwendig. Der Elternstreit würde sich auf die Kinder auswirken, wenn das Sorgerecht allein auf die Mutter übertragen würde.
Die Ergänzungspflegerin der Tochter erklärte, dass es dem Mädchen gut gehe und sie von allen drei Kindern am wenigsten belastet sei. Sie habe Heimweh, das sei für sie essentiell. Die Tochter könne nicht verstehen, warum sie in der Einrichtung sein müsse, wenn ihre Brüder zu Hause seien, weil sich die Eltern nicht vertrügen. Das Mädchen könne sich zur Rückführung nicht eindeutig positionieren. Einmal wolle sie zur Mutter, einmal zum Beschwerdeführer. Für den Moment sei ein neutraler Ort am besten. Eine akute Kindeswohlgefährdung sehe sie nicht, wenn das Mädchen jetzt in den Haushalt der Mutter wechseln würde. Sie könne sich aber vorstellen, dass sie dann irgendwann so belastet sei wie ihre Brüder.
Das Jugendamt führte aus, dass prognostisch schwer zu sagen sei, was geschähe, wenn die Tochter zur Mutter zurückgeführt würde. Jetzt habe sie einen neutralen Ort, wo sie zur Ruhe komme. Bei den Eltern habe sich nichts verändert. Wenn dort Bewegung wäre, könne man über eine Rückkehroption nachdenken. Es werde eine Erziehungsbeistandschaft für beide Söhne befürwortet.
Die Verfahrensbeiständin erklärte, die Entwicklung der Kinder seit Beginn sei erschreckend. Der jüngere Sohn habe sich bei ihrem Besuch letzte Woche vor Angst im Sofa versteckt. Er habe kaum gesprochen. Der ältere Sohn habe nur geredet wie ein Wasserfall. Er sei heute mit Handschuhen gekommen, obwohl es draußen warm sei. Er wirke aggressiv, habe kein Vertrauen in die Beteiligten und wolle sich nicht mehr positionieren. Eine akute Kindeswohlgefährdung sehe sie nicht. Das Sorgerecht für die Söhne würde sie bei der Mutter verorten, aber der Ergänzungspfleger sei wichtig. Wenn die Tochter beim Beschwerdeführer wäre und die Söhne bei der Mutter, könnte das Ganze noch schlimmer werden.
Mit angegriffenem Beschluss vom 16. März 2023 änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Familiengerichts dahingehend ab, dass den Eltern die gesamte elterliche Sorge für alle drei Kinder insgesamt entzogen und die bisherige Ergänzungspflegerin der Tochter sowie der bisherige Ergänzungspfleger der Söhne jeweils zu Vormündern bestellt wurden. Den Antrag des Beschwerdeführers, ihm nach § 1671 BGB die elterliche Sorge für alle drei Kinder zur alleinigen Ausübung zu übertragen, wies das Oberlandesgericht ab.
Die elterliche Sorge sei den Eltern insgesamt zu entziehen, weil nur so die Gefährdung des Kindeswohls aller drei Kinder abgewendet werden könne. Der Antrag des Beschwerdeführers nach § 1671 Abs. 1 BGB sei zurückzuweisen, weil gemäß § 1671 Abs. 4 BGB aufgrund der vom Senat festgestellten Kindeswohlgefährdung eine Entscheidung von Amts wegen gemäß §§ 1666, 1666a BGB zu treffen sei.
Eine Kindeswohlgefährdung liege vor. Beim älteren Sohn seien psychosomatische Beschwerden sowie depressive Verhaltensweisen vorhanden, die bereits eine Kindeswohlschädigung darstellten. Diese Einschätzung werde auch durch die Eltern geteilt. Der Senat habe selten einen durch einen Elternkonflikt so belasteten Jugendlichen gesehen, der sich im Gespräch völlig antriebslos gezeigt habe und sich augenscheinlich nur durch die eigene Abschottung im Zimmer zu helfen wisse. Hinzu komme eine erhebliche Parentifizierung sowie eine erhebliche Aggressivität gegen den Beschwerdeführer. Auch bei dem jüngeren Sohn bestünden psychosomatische Beschwerden sowie eine ausgeprägte depressive Symptomatik, die bereits eine Kindeswohlschädigung darstellten. Er habe neben der Schule keinen weiteren Freundeskreis. Er habe in der Anhörung sehr niedergeschlagen und bedrückt gewirkt. Die Tochter zeige eine erhebliche Resilienz. Es bestehe aus Sicht des Sachverständigen aber eine deutliche Parentifizierung, weil sie versuche, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um damit das Familiensystem zu entlasten. Für alle drei Kinder bestehe daher aus Sicht des Senats, der beteiligten Fachleute und eingeschränkt auch aus Sicht der Eltern eine gegenwärtige Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, wobei sich diese Gefahr bei den Söhnen bereits verwirklicht habe.
Die Eltern seien nach den getroffenen Feststellungen unfähig, die Kindeswohlgefährdung, deren Ursachen im Ergebnis in ihrem Hochkonflikt auf Paarebene zu sehen seien, abzuwenden. Der Beschwerdeführer habe in der Anhörung vor dem Oberlandesgericht mehr als deutlich gemacht, dass er der Mutter die Verantwortung für den Kontaktabbruch durch die Söhne gebe. Dabei übersehe er seine eigene Beteiligung am Kontaktabbruch. Zudem werfe er der Mutter vor, dass die Söhne aktuell nicht stationär untergebracht seien. Dabei verkenne er, dass dafür seit der Entscheidung des Familiengerichts über den Entzug von Teilen des Sorgerechts der Ergänzungspfleger zuständig sei; auch dieser habe es nicht vermocht, die Jungen stationär unterzubringen. Die Mutter sei ebenfalls unfähig zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung. Sie verniedliche die Probleme der Kinder. Dies zeige sich auch daran, dass sie ausdrücklich nicht bereit gewesen sei, einen eigenen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf sich nach § 1671 BGB zu stellen.
Der elterliche Hochkonflikt sei nach Überzeugung des Senats strikt von den Kindern fernzuhalten; es dürfe keine Berührungspunkte der Eltern im Hinblick auf das Sorgerecht für ihre Kinder geben. Allein die Einschaltung dritter Personen könne verhindern, dass die Eltern über einzelne Entscheidungen zur elterlichen Sorge ihren Hochkonflikt auf Kosten und auf dem Rücken der Kinder austrügen. Nur die Übertragung der Sorge auf die Vormünder führe dazu, dass der Beschwerdeführer der Mutter zukünftig keine weiteren Vorwürfe machen könne, weil dann allein die Vormünder dafür verantwortlich seien, ob und in welcher Weise die Kinder therapiert würden, welche weiteren schulischen und beruflichen Weichenstellungen getroffen und ob und wie die Umgänge gestaltet würden.
Der vollständige Entzug der elterlichen Sorge sei auch verhältnismäßig. Eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter setze einen Sorgerechtsantrag der Mutter voraus; ein solcher sei von dieser ausdrücklich und mit nachvollziehbarer Begründung trotz Nachfrage des Senats abgelehnt worden. Eine mildere Maßnahme sei nicht ersichtlich. Der Teilentzug des Familiengerichts sei aufgrund des Hochkonflikts der Eltern nicht ausreichend, um die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden beziehungsweise die bei den Söhnen bereits eingetretene Schädigung des Kindeswohls zu überwinden.
Der durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 16. März 2023 erfolgte vollständige Entzug des Sorgerechts für seine drei Kinder verletzt den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts. Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt eine solche Trennung nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre.
Eine solche nachhaltige Gefährdung des Kindes ist dann anzunehmen, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern und einer Fremdunterbringung sind dabei zu berücksichtigen, und diese Folgen müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert. Zudem darf eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen.
Lässt sich unter Berücksichtigung des Vorgenannten eine erhebliche Gefährdung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, hängt die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines auf die Trennung des Kindes von den Eltern gerichteten Entzugs des Sorgerechts nach §§ 1666, 1666a BGB von der Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs in das Elternrecht ab. Verfassungsrechtlich kommt es darauf an, dass der entsprechende Eingriff sich als geeignet, erforderlich und angemessen erweist.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss ein Kindschaftsverfahren in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu erlangen und damit der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen. Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalles auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen.
Mit den vorgenannten materiell- und verfahrensrechtlichen Maßgaben des Grundgesetzes korrespondieren außerdem Anforderungen an die Begründung der fachgerichtlichen Entscheidung. Bewirkt eine auf der Grundlage von § 1666 BGB getroffene familiengerichtliche Entscheidung eine Trennung des Kindes von seinen Eltern, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen der hohen Eingriffsintensität die Verpflichtung der Fachgerichte, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen.
Stellt sich die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern oder des Aufrechterhaltens einer Trennung zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung, besteht wegen des sachlichen Gewichts der teils parallelen, teils gegenläufigen Grundrechte der Beteiligten Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen, zumal die Entscheidung über eine Trennung für alle Beteiligten von existenzieller Bedeutung sein kann. Die fachgerichtlichen Annahmen zu der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern im Einzelfall erfüllt sind, unterliegen wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Sie beschränkt sich nicht darauf, ob eine angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruht, sondern erstreckt sich auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts.
Die angegriffene Entscheidung, die hinsichtlich des Sorgerechtsentzugs für alle drei Kinder an dem vorstehend ausgeführten strengen Maßstab zu prüfen ist, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen vollständigen Entzug des Sorgerechts hier in mehrfacher Hinsicht nicht. Das Oberlandesgericht hat zwar die rechtlichen Voraussetzungen für den angeordneten Sorgerechtsentzug zutreffend dargelegt. Es hat aber nicht hinreichend begründet, dass diese Voraussetzungen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen und deren Würdigung hier vorliegen.
Der Entzug des Sorgerechts für die Tochter des Beschwerdeführers hält faktisch deren Fremdunterbringung in einer Wohngruppe und damit deren Trennung von ihren Eltern aufrecht, so dass deshalb der aus Art. 6 Abs. 3 GG folgende strenge Prüfungsmaßstab Anwendung findet. Das gilt selbst dann, wenn die Eltern mit einer Fremdunterbringung des Kindes durch den Inhaber des Sorgerechts einverstanden sind. Auch der vollständige Sorgerechtsentzug für die beiden Söhne des Beschwerdeführers ist an dem strengen Maßstab zu prüfen. Zwar leben beide derzeit im Haushalt der Mutter, so dass tatsächlich insoweit keine Trennungssituation von beiden zuvor noch in Teilen sorgeberechtigten Eltern besteht. Allerdings hat das Oberlandesgericht auch der Mutter das Sorgerecht vollständig entzogen und auf den Vormund übertragen. Damit ist ihm als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts die Rechtsmacht eingeräumt, ohne weitere fachgerichtliche Entscheidung den Aufenthalt der Söhne bei ihrer Mutter zu beenden und eine Fremdunterbringung zu veranlassen. Dass der Vormund derzeit eine stationäre Therapie nicht anstrebt, weil er diese wegen der Weigerung der Söhne als kontraindiziert ansieht, ändert an der dem Vormund eingeräumten Rechtsmacht zur Fremdunterbringung und der daraus resultierenden hohen Eingriffsintensität nichts.
Soweit das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer (und der Mutter) das Sorgerecht für die fremduntergebrachte Tochter entzogen hat, mangelt es bereits an hinreichend konkreten Feststellungen zu der drohenden Kindeswohlgefährdung. Gestützt auf die Einschätzung des Sachverständigen und den in der Kindesanhörung vor dem Oberlandesgericht gewonnenen Eindruck hat sich das Oberlandesgericht darauf beschränkt, auf eine „deutliche Parentifizierung“ und das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse zur Entlastung des „Familiensystems“ hinzuweisen. Daraus könne sich eine Schädigung der emotionalen Entwicklung des Kindes ergeben, wie der Sachverständige ausgeführt habe.
Jedenfalls bei Berücksichtigung der im Übrigen zu der Person der Tochter getroffenen Feststellungen genügt das nicht für die Annahme einer konkreten Kindeswohlgefährdung. So hat die vormalige Ergänzungspflegerin und jetzige Vormündin von einer besonders positiven Entwicklung der Tochter berichtet. Diese zeige sich als charakterstark, sehr fröhlich und offen, furchtlos und pfiffig. Die Tochter verfüge über eine ausgeprägte Intelligenz und zeichne sich durch Wissbegierde aus, verfüge über einen großen Wortschatz und hohe Kommunikationsfähigkeiten. Der Sachverständige seinerseits hat der Tochter erhebliche Resilienz attestiert. Angesichts solcher vorhandener Erkenntnisse zur Persönlichkeit der Tochter hätte es konkreterer Darlegungen bedurft, um auf deren Grundlage eine erhebliche Gefährdung ihres Kindeswohls wegen der angenommenen Parentifizierung prognostizieren zu können.
Zur Begründung der Entziehung des Sorgerechts für die beiden Söhne des Beschwerdeführers hat das Oberlandesgericht zwar auf einer insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden tragfähigen Grundlage jeweils eine bereits eingetretene Schädigung des Kindeswohls angenommen (siehe aber Rn. 53). Die angegriffene Entscheidung lässt jedoch nicht hinreichend erkennen, dass der vollständige Entzug des Sorgerechts insoweit ein zur Überwindung der Schädigung verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht ist.
Nach den getroffenen Feststellungen zu den Söhnen ist insbesondere die Eignung des vollständigen Entzugs des Sorgerechts zur Überwindung der bereits eingetretenen Schäden für das Wohl der beiden Kinder nicht gegeben. Das Oberlandesgericht stützt sich für die Eignung des Sorgerechtsentzugs allein darauf, der als Ursache der Kindeswohlgefährdung (der Tochter) beziehungsweise Schädigung des Kindeswohls (bei den Söhnen) ausgemachte Hochkonflikt zwischen den Eltern könne nur durch den vollständigen Entzug des Sorgerechts von den Kindern ferngehalten werden. Ausschließlich die Übertragung des Sorgerechts auf die Vormünder könne verhindern, dass die Eltern bei Einzelentscheidungen der elterlichen Sorge ihren Hochkonflikt auf Kosten ihrer Kinder austrügen. Mit dem vollständigen Sorgerechtsentzug werde erreicht, dass der Beschwerdeführer der Mutter wegen der nunmehr begründeten Zuständigkeit der Vormünder auch für die Entscheidung über schulische und berufliche Weichenstellungen sowie über Therapien keine diesbezüglichen Vorwürfe mehr machen könne.
Das trägt aber nach den vom Oberlandesgericht im Übrigen getroffenen Feststellungen die Eignung des Sorgerechtsentzugs zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung beziehungsweise zur Überwindung der bereits eingetretenen Schädigungen nicht. So führt es im Zusammenhang mit der von ihm verneinten Fähigkeit der Eltern, der Gefährdung und Schädigung des Kindeswohls zu begegnen, zum Beschwerdeführer aus, dieser werfe der Mutter weiterhin das Unterbleiben einer stationären Behandlung der Söhne vor. Dabei verkenne er, dass seit der Entscheidung des Familiengerichts mit dem Entzug von Teilen des Sorgerechts nicht mehr die Mutter, sondern der Ergänzungspfleger dafür zuständig sei. Auch dieser habe es aber nicht geschafft, die Söhne stationär behandeln zu lassen. Der angegriffenen Entscheidung lässt sich allerdings nicht entnehmen, warum das Oberlandesgericht erwartet, dass der Beschwerdeführer bei einem vollständigen Sorgerechtsentzug der Mutter keine Verantwortung mehr zuschreiben wird, obwohl er dies nach dem Teilentzug selbst zu den Elementen des Sorgerechts weiter getan hat, die den Eltern bereits durch das Familiengericht entzogen worden waren. Das gilt erst recht angesichts der bereits durch das Familiengericht den Eltern entzogenen Sorgerecht in den Teilbereich Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge, also den Teilen, die für eine stationäre Unterbringung der Söhne maßgeblich sind.
Zur Eignung des die beiden Söhne betreffenden Sorgerechtsentzugs führt die Begründung der Entscheidung zudem nicht hinreichend dazu aus, inwiefern dadurch die vom Oberlandesgericht angenommene Schädigung der Kinder (u.a. psychosomatische Beschwerden und depressive Verhaltensweisen) abgewendet werden kann. Der nunmehrige Vormund der Söhne war seit dem Beschluss des Familiengerichts vom 8. Juni 2022 deren Ergänzungspfleger. Er hat in dieser Funktion in der Erörterung vor dem Oberlandesgericht ausgeführt, dass er die zwangsweise stationäre Unterbringung der Jungen als kontraindiziert ansehe und wegen der Ablehnung durch die Jungen selbst nach dem amtsgerichtlichen Beschluss keine zwangsweise Unterbringung zur stationären Therapie durchgeführt habe. Wenn eine zwangsweise Therapie für erforderlich und durchführbar gehalten würde, wäre aber der Beschwerdeführer bereit, diese auch gegen den Willen der Jungen durchzusetzen. Das Oberlandesgericht setzt sich nicht damit auseinander, dass der Ergänzungspfleger trotz entsprechender Rechtsmacht nach der Entscheidung des Familiengerichts keine stationäre Unterbringung der Jungen initiiert hat und dass er eine solche auch als kontraindiziert ansieht. Es wird nicht deutlich, inwieweit er als Vormund die Schädigung des Kindeswohls der Söhne abwenden könne und was er anders machen würde als die Eltern. Denn zur Durchführung einer ambulanten Therapie für die Söhne ist auch die Mutter bereit. Zum Einsatz der ambulanten Maßnahme eines Erziehungsbeistands haben sich im Erörterungstermin vor dem Oberlandesgericht beide Eltern bereit erklärt und einen entsprechenden Antrag beim Jugendamt gestellt.
Wegen der letztlich von allen fachlich Beteiligten an sich für erforderlich gehaltenen stationären Behandlung der Söhne, insbesondere des älteren Sohns, hätte das Oberlandesgericht bei der Eignung näher prüfen müssen, inwieweit die fachlich als erforderlich eingeschätzte Therapie auch gegen den Willen der Söhne durchgesetzt werden kann. Insofern hätte es möglicherweise auch jugendpsychiatrischen bzw. jedenfalls psychotherapeutischen Sachverstandes bedurft. Eine zwangsweise Therapie von Jugendlichen scheint jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen und ein Therapieerfolg möglich. Andererseits ist anerkannt, dass Psychotherapie auf die Mitarbeit des Patienten angewiesen ist.
Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts lässt darüber hinaus für alle drei Kinder die maßstäblich noch als erforderlich erkannte Gesamtbetrachtung vermissen, die darauf gerichtet ist zu prüfen, ob sich die Situation der Kinder auch unter Berücksichtigung der mit Sorgerechtsentscheidung verbundenen Folgen (vor allem die Trennung von Eltern und Kind) insgesamt verbessert. Es liegt aber bei keinem der Kinder auf der Hand, dass die Entscheidung, den Eltern das Sorgerecht vollständig zu erziehen und Vormundschaft anzuordnen, die Gesamtsituation des jeweiligen Kindes verbessert. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts will der für die Söhne eingesetzte Vormund deren wohnliche Situation nicht gegen ihren Willen verändern. Die Söhne sollen also bei der Mutter bleiben und erhalten nicht die fachlich wohl indizierte stationäre Therapie. Möglicherweise erhalten sie, sobald ein Platz gefunden ist, eine ambulante Therapie. Dies zu ermöglichen, hatte aber auch die Mutter zugesagt. Insbesondere bei der als resilient eingeschätzten Tochter ist nicht erkennbar, inwiefern eine Fremdunterbringung bei erheblichen Heimweh und Sehnsucht nach Eltern und Brüdern ohne vorhandene (und wegen der Resilienz auch ohne zu erwartende) Schädigung und ohne erkennbaren Therapiebedarf ihre Gesamtsituation verbessert. Angesichts der insgesamt getroffenen Feststellungen zu der jeweiligen Persönlichkeit der Kinder, den notwendigen Hilfen für sie und den jeweiligen aktuellen Lebensumständen genügt für eine — ausdrücklich ohnehin nicht vorgenommene — Gesamtbetrachtung nicht, auf die Erwartung zu verweisen, der vollständige Sorgerechtsentzug werde bewirken, dass die Eltern ihren Hochkonflikt nicht mehr auf Kosten der Kinder austragen könnten.
Es bestehen überdies Zweifel daran, ob sich das Oberlandesgericht für die Anordnung des vollständigen Sorgerechtsentzugs die verfassungsrechtlich gebotene hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage verschafft hat. Zwar hat es sämtliche fachlich Beteiligten einschließlich des bereits erstinstanzlich beauftragten psychologischen Sachverständigen angehört. Allerdings war der ursprüngliche Gutachtenauftrag dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag entsprechend auf Fragen zu § 1671 Abs. 1 BGB gerichtet, also etwa, welcher Lebensmittelpunkt den Kindern derzeit aus psychologischer Sicht am besten entspreche. Der Sachverständige scheint auch von einem in Kinderschutzfällen einfachrechtlich unzutreffenden Maßstab auszugehen. Denn er führt aus, dass es „dem Kindeswohl am besten“ entspreche, wenn die Verantwortung für Entscheidungen erheblicher Bedeutung nicht mehr bei den Eltern liege und eine neutrale Person wie ein Ergänzungspfleger, der in der Lage sei, die kognitive und emotionale Versorgung der Kinder angemessen umzusetzen, hinzugezogen werde. Für gerichtliche Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung ist aber nicht maßgeblich, ob diese dem Kindeswohl am besten entsprechen, sondern, ob eine Gefahr für das Kind nicht anders abwendbar ist, insbesondere nicht durch mildere Mittel wie etwa Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. § 1666a BGB). Das Gutachten führt (mangels dahingehender gerichtlicher Fragestellung) zudem nichts zu möglichen ambulanten Hilfen im Haushalt der Mutter aus und auch nichts dazu, ob sich die Gesamtsituation der Kinder durch einen vollständigen Sorgerechtsentzug (ohne örtliche Veränderung bei den Jungen) verbessert. Auch wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens selbst bei gewichtig in das Elternrecht eingreifenden Sorgerechtsentscheidungen nicht durchgängig von Verfassungs wegen geboten ist, könnte zur Erlangung einer hinreichend tragfähigen Entscheidungsgrundlage die Einholung eines weiteren psychologischen sowie ergänzend eines (jugend)psychiatrischen Sachverständigengutachtens hilfreich sein.