Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Juni 2019 zum Aktenzeichen 6 C 9.18 entschieden, dass derjenige, der in aktiver Weise, insbesondere durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten in Parlamenten und Kommunalvertretungen Bestrebungen einer Partei unterstützt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, in der Regel nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
Aus der Pressemitteilung Nr. 48/2019 des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019 ergibt sich:
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kann in einem solchen Fall nur widerlegt werden, wenn sich der Funktions- bzw. Mandatsträger in der Vergangenheit rechtstreu verhalten und sich darüber hinaus von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert hat.
Der Kläger war stellvertretender Vorsitzender eines NPD-Kreisverbandes und vertritt die NPD in einem Kreistag und in einem Gemeinderat. Der Beklagte widerrief die dem Kläger als Sportschützen erteilte Waffenbesitzkarte, da er in der Person des Klägers wegen dessen Aktivitäten für die NPD den Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. als erfüllt ansah. Nach dieser Vorschrift besitzt die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hatte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Unzuverlässig i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. ist in der Regel auch derjenige, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt. Die Vorschrift wird insoweit nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. verdrängt, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die Mitglied in einer Partei waren, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG festgestellt hat, woran es im Fall der NPD fehlt. Bis zu der – hier noch nicht anwendbaren – Neufassung im Jahr 2017 verbot Art. 21 Abs. 2 GG a.F. zwar jede rechtliche Anknüpfung an die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (sog. Parteienprivileg). Im Hinblick auf die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ist die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. bei Unterstützung der gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen einer nicht verbotenen politischen Partei aber grundsätzlich gerechtfertigt.
Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Hiergegen gerichtete Bestrebungen einer Vereinigung liegen vor, wenn diese als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber diesen Grundsätzen einnimmt. Die Vereinigung muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Diese Voraussetzungen sind bei der NPD erfüllt. Nach den unter anderem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren vom 17. Januar 2017 gestützten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass die NPD das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen und elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen. Hierzu entfaltet sie Aktivitäten, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen und damit Ausdruck einer kämpferisch-aggressiven Haltung sind. Dieser Befund wird nicht durch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in Frage gestellt, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei der NPD eine Grundtendenz besteht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen.
Der Kläger hat die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt. Wer seine Aktivitäten für eine verfassungsfeindliche Partei nicht auf die bloße Mitgliedschaft oder die passive Teilnahme an Veranstaltungen beschränkt, sondern herausgehobene Ämter in der Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert, und gibt ihr ein Gesicht in der Öffentlichkeit. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei in einem Parlament oder einer Kommunalvertretung.
Die Waffenbehörden bzw. Verwaltungsgerichte müssen jedoch im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Bezug der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt. Dies setzt bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen Partei nicht zwingend die Niederlegung von Parteiämtern und Mandaten voraus. Sie verlangt aber – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – den Beleg einer entschiedenen, beständigen und nach außen erkennbaren Distanzierung von solchen Äußerungen und Verhaltensweisen der Parteimitglieder und -anhänger, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben. Zur Ermittlung der für diese Prüfung erforderlichen Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.