Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.08.2023 zum Aktenzeichen X ZR 118/22 entscheiden, dass im Sinne von § 648 Satz 2 BGB diejenigen Aufwendungen erspart sind, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer die in Rede stehenden Aufwendungen in seine Preiskalkulation einbezogen und ob er die Kalkulation gegenüber dem Besteller offengelegt hat.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf teilweise Erstattung des Beförderungsentgelts für einen gebuchten, aber nicht angetretenen Flug in Anspruch.
Der Zedent war am 23. September 2020 auf einen von der Beklagten durchzuführenden Flug von Memmingen nach Chania (Kreta) gebucht. Für das Flugticket bezahlte der Zedent 27,30 Euro.
Der Zedent trat den Flug nicht an.
Nach Abtretung der sich aus der Stornierung ergebenden Ansprüche forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung des auf Steuern, Gebühren und Entgelte entfallenden Anteils des Buchungspreises auf. Dieser Anteil beträgt 18,41 Euro. Die Beklagte leistete keine Zahlung.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 18,41 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision strebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage an. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Ein Personenbeförderungsvertrag unterliegt den Vorschriften über den Werkvertrag
Soweit nichts anderes vereinbart ist kann ein Fluggast daher nach § 648 Satz 1 BGB den Beförderungsvertrag jederzeit kündigen. Die Kündigung hat nach § 648 Satz 2 BGB zur Folge, dass das Luftverkehrsunternehmen als Werkunternehmer zwar berechtigt bleibt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, sich aber dasjenige anrechnen lassen muss, was es infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen hat der Zedent den Beförderungsvertrag durch Nichtantritt des Fluges konkludent gekündigt. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass sich ein Luftverkehrsunternehmen ersparte Aufwendungen gemäß § 648 Satz 2 BGB auch dann anrechnen lassen muss, wenn es sie nicht in die Kalkulation des Endpreises einbezogen hat.
Erspart im Sinne von § 648 Satz 2 BGB sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss.
Der Wortlaut des Gesetzes differenziert nicht danach, ob der Unternehmer die in Rede stehenden Aufwendungen in seine Preiskalkulation einbezogen und ob er die Kalkulation gegenüber dem Besteller offengelegt hat.
Eine solche Differenzierung ist auch nach dem Sinn und Zweck von § 648 Satz 2 BGB nicht geboten.
Die Regelung in § 648 Satz 2 BGB dient dem Zweck, einen ausgewogenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Falle einer Kündigung ohne besonderen Grund zu gewährleisten. Zu diesem Interessenausgleich gehört es, den Unternehmer vor Nachteilen aufgrund der Kündigung zu bewahren. Umgekehrt erschiene es inkonsequent, wenn der Unternehmer aufgrund der Kündigung einen Vorteil erlangen könnte, der ihm bei Erfüllung des Vertrags nicht entstanden wäre.
Vor diesem Hintergrund muss sich der Unternehmer Aufwendungen, die ihm bei Erfüllung des Vertrags entstanden wären, aufgrund der Kündigung aber nicht angefallen sind, anrechnen lassen, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Weise er sie in seine Preiskalkulation einbezogen hat.
Aufwendungen, die bei Erbringung der Leistung anfallen, führen auch dann zu einer Vermögenseinbuße des Unternehmers, wenn sie nicht in die Kalkulation eingeflossen sind. Unabhängig von der konkreten Kalkulationsweise steht dem Unternehmer bei Erfüllung des Vertrags nur die vereinbarte Vergütung zu. Der hieraus erzielbare Gewinn wird durch die tatsächlich anfallenden Aufwendungen bestimmt. Ob und inwieweit diese in die Kalkulation eingeflossen sind, hat hierauf keinen Einfluss. Wenn der Unternehmer nach der Kündigung die gesamte vereinbarte Vergütung behalten dürfte, obwohl er Aufwendungen erspart hat, stünde er mithin besser als bei Durchführung des Vertrags. Dies widerspricht der Zielsetzung von § 648 Abs. 2 BGB.
Entgegen der Auffassung der Revision führt der Vortrag der Beklagten, sie kalkuliere ihre Flugpreise in der Erwartung, zusätzliche Umsätze mit dem Verkauf von Speisen und Getränken während des Fluges oder der Vermittlung eines Mietwagens oder einer Unterkunft am Zielort zu erzielen, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Wie auch die Revision im Ansatz nicht verkennt, hat das Luftfahrtunternehmen aufgrund der Flugbuchung keinen gesicherten Anspruch auf Abschluss solcher Zusatzgeschäfte. Daraus erzielte Umsätze und Gewinne lassen sich deshalb – anders als Aufwendungen der im Streitfall in Rede stehenden Art – nicht einem konkreten Vertrag oder einem konkreten Fluggast zuordnen. Deshalb besteht kein Raum für eine Schätzung der aufgrund der Kündigung möglicherweise entgangenen zusätzlichen Einnahmen.