Keine krankheitsbedingte Kündigung bei AU-Zeiten wegen Unfall

24. Juli 2023 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 28. März 2023 zum Aktenzeichen 4 Sa 659/22 entschiede, dass eine personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs 2 S 1 Alt 1 KSchG unwirksam ist, wenn keine negative Zukunftsprognose aufgrund der Eigenart der Krankheitsursache (hier: Unfall) gestellt werden kann.

Die Parteien streiten um eine ordentliche Kündigung der Beklagten wegen häufiger Kurzerkrankungen.

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen – erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen.

Bereits die erste Stufe war nicht erfüllt, so dass insbesondere die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu prüfen war. Eine negative Zukunftsprognose konnte zumindest zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung noch nicht erstellt werden.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die erste Stufe der negativen Zukunftsprognose galt hierbei folgendes:

Der Arbeitgeber kann sich zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit mitzuteilen. Hierbei ist nicht auf einen starren Zeitraum abzustellen. Der Arbeitnehmer muss sodann – sofern die vom Arbeitgeber mitgeteilten Zahlen die Annahme einer negativen Zukunftsprognose vermuten lassen – gemäß § 138 Absatz 2 ZPO dartun, weshalb die Besorgnis weiterer Erkrankungen unberechtigt sein soll. Dieser Mitwirkungspflicht genügt er schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, die ihn behandelt haben, soweit darin die Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber bereits tatsächlich positiv beurteilt. Trägt er selber konkrete Umstände, wie die Krankheitsursache vor, so müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern.

Beweispflichtig für die negative Zukunftsprognose ist der Arbeitgeber, § 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG.

Die als unstreitig feststehenden Fehlzeiten der klagenden Partei, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursachen sind in erster Linie die für die Rechtfertigung der Besorgnis künftiger Erkrankungen maßgebenden Anhaltspunkte. Ihre Bewertung, ob sie ausreichen, die Annahme künftiger erheblicher Fehlzeiten zu rechtfertigen, ist in erster Linie Sache des Tatrichters, dem hierfür im Rahmen der §§ 144, 286 ZPO ein Ermessensspielraum zusteht. Der Tatrichter ist im Rahmen seines Ermessens nach § 144 ZPO nur dann zur Erhebung des Sachverständigenbeweises verpflichtet, wenn ihm die Sachkunde zur Prüfung fehlt, ob der bisherige Krankheitsverlauf ausreichende Indizien für eine negative Prognose enthält.

Jedoch kann bestimmten Ursachen bereits aufgrund ihrer Eigenart die Eignung für eine auf sie aufbauende Gesundheitsprognose abgesprochen werden, so dass es insoweit auf die richterliche Würdigung und den darin enthaltende Ermessensspielraum nicht ankommt. Hierunter fallen alle Erkrankungen, denen ihrer Natur nach oder aufgrund ihrer Entstehung keine Aussagekraft für eine Wiederholungsgefahr beizumessen ist. Dazu gehören in erster Linie Unfälle, soweit es sich nach ihrer Entstehung um einmalige Ereignisse handelt, sowie sonstige offenkundig einmalige Gesundheitsschäden.

So verhielt es sich hier. Aufgrund der Eigenart der streitgegenständlichen Krankheitsursachen schied eine negative Zukunftsprognose aus:

Die Klägerin hatte – unstreitig – im streitgegenständlichen Zeitraum 2 Unfälle.

Damit waren auch die Krankheitszeiten nicht geeignet, eine Indizwirkung für eine negative Zukunftsprognose anzunehmen.

Die erheblichen Krankheitstage resultierten im Wesentlichen aus einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit, welche nach dem Sachvortrag der Klägerin mittelbare Folge des Unfalls waren, da es infolge des Unfalls und seiner Folgen im weiteren Verlauf zu einer Verletzung der rechten Achillessehne kam. Auch diese Krankheitsphase ist daher auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen und daher nicht prognosegeeignet.

Ob eine Verletzung aufgrund eines Unfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich ausgeheilt ist, ist kündigungsrechtlich nicht relevant. Die höchstrichterliche Rechtsprechung differenziert nach den dargestellten Grundsätzen nicht zwischen ausgeheilten, unfallbedingten Verletzungen und nicht ausgeheilten, unfallbedingten Verletzungen. Stattdessen geht das BAG davon aus, dass grundsätzliche sämtliche Erkrankungen, die aufgrund eines einmaligen Ereignisses – wie ein Unfall – auftreten, nicht prognosegeeignet sind. Es wird eben gerade nicht danach differenziert, ob diese zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich schon ausgeheilt waren.

Nach alldem war jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung eine negative Zukunftsprognose nicht anzunehmen.