Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 18.07.2023 zum Aktenzeichen 7 Sa 71/23 entschieden, dass die wegen eines Faschismusvergleichs ausgesprochene Kündigung wirksam ist.
Aus der Pressemitteilung des LAG München vom 18.07.2023 ergibt sich:
Die 1954 geborene Klägerin war bei einer vom Freistaat Bayern errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts seit Januar 2019 als Referentin für Rundgangführungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit € 450,00 brutto beschäftigt. Zweck der Beklagten ist es, die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten und die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen. Auf das Vertragsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L verpflichtet die Arbeitnehmer, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Das Maß der Loyalität richtet sich nach Stellung und Aufgabenkreis des Arbeitnehmers gemäß der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Die Loyalitätspflicht gilt sowohl im dienstlichen wie im außerdienstlichen Bereich. Die Aufgabe der Klägerin bestand darin, Besucher durch das ehemalige Lager der Gedenkstätte Dachau zu führen, die historischen Abläufe zu erläutern und über das Lagerleben und das Schicksal der Häftlinge zur berichten. Für die Stiftung ist die zutreffende Wiedergabe von historischen Fakten und der Respekt vor der Geschichte der Gedenkstätte essenzielle Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit.
Die Klägerin trat im Rahmen der „Anti-Corona-Bewegung“ auf Versammlungen als Rednerin auf. Bei einer Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration auf dem Königsplatz Ende Januar 2022 sagte die Klägerin vor ca. 3.000 Teilnehmern u.a.: „Wir habens hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. … Und ihr seht die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln.“ Die Beklagte lud die Klägerin daraufhin zum Personalgespräch ein, stellte sie dann mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei und kündigte ihr anschließend ordentlich zum 30.06.2022. Die von der Klägerin hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte das Arbeitsgericht München abgewiesen und entschieden, dass die Kündigung als personenbedingte Kündigung wirksam ist, weil der Klägerin aufgrund ihres Verhaltens und damit einhergehender begründeter Zweifel an ihrer Verfassungstreue die Eignung für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit fehlt. Das Verhalten der Klägerin berühre die all-gemeine Aufgabenstellung der Beklagten und wirke in die Gedenkstätte hinein.
Das LAG München hat heute die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und Bezug genommen auf die Rechtsprechung des BAG (06.09.2012, 2 AZR 372/11 zum Eignungsmangel bei Beschimpfung und Verächtlichmachung des Staates). Das LAG hat klargestellt: wer Führungen in einer KZ-Gedenkstätte wie Dachau macht und die Besucher betreut, darf seinen demokratisch gewählten, staatlichen Arbeitgeber nicht mit einem Faschistenstaat gleichstellen. Eine solche Geisteshaltung und die damit einhergehende Herabwürdigung der Demokratie stehen nicht im Einklang mit § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin war daher der Arbeitgeberin nicht zuzumuten.