Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 18.04.2023 zum Aktenzeichen VI ZB 36/22 entschieden, dass wann ein Rechtsanwalt von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das Gericht ausgehen darf.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das Amtsgericht hat mit am 25. Januar 2022 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Am 14. März 2022 zuvor hatte das Landgericht auf telefonische Nachfrage nach dem Aktenzeichen des Berufungsverfahrens mitgeteilt, dass eine Berufungsschrift bisher nicht eingegangen sei; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandte daraufhin die Berufungsschrift „nochmals“ ist beim Landgericht eine Berufungsschrift mit Datum11. Februar 2022 eingegangen; darin heißt es „(…) lege ich namens der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das am 25.01.2022 verkündete und am 02.02.2022 zugestellte Urteil des Amtsgerichts (…) Berufung ein.“ Mit Verfügung vom 6. April 2022 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet, nämlich erst am 14. März 2022, eingegangen sei, die angefochtene Entscheidung der Klägerin jedoch bereits am 2. Februar 2022 zugestellt worden sei.Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine Dokumentation zu einer Nachricht aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) vorgelegt. Unter der Überschrift „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ finden sich dort in den Spalten „Übermittlungscode Meldungstext“ und „Übermittlungsstatus“ keine Eintragungen. Unter der Überschrift „Nachrichtenjournal“ enthalten die Spalten „Ereignis“ und „Zeitpunkt“ die Angaben „MESSAGE_ZEITPUNKT_INITIIERUNG_VERSAND“ und „15.02.2022 12:18:00“. Weiter enthält die Dokumentation unter der Überschrift „Prüfprotokoll vom 15.02.2022 12:17:04“ den Abschnitt „Zusammenfassung und Struktur“ mit der Anmerkung „Eingang auf dem Server 15.02.2022 12:12:03 (lokale Serverzeit)“. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, das vorgelegte Prüfprotokoll bestätige, dass die Berufungsschrift auf dem Server des Landgerichts am 15. Februar 2022 um 12:12:03 Uhr eingegangen sei. Eine Fehlermeldung werde nicht angezeigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung nicht erfolgreich gewesen sei, lägen nicht vor. Hilfsweise hat die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt und zur Begründung ausgeführt, die zur Fristwahrung erforderlichen Handlungen seien fristgerecht vorgenommen worden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe von einer erfolgreichen Übermittlung ausgehen dürfen.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen und die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie erstmals darauf hinweist, dass ihr Prozessbevollmächtigter per Fax am 18. März 2022 ein an ihn adressiertes Formular eines Empfangsbekenntnisses für das amtsgerichtliche Urteil mit dem von ihm eingetragenen Zustelldatum 14. Februar 2022 und seiner Unterschrift an das Amtsgericht zurückgesandt hat.
Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beim Berufungsgericht ein gegangen ist. Es hat zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist versagt und die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen.
§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhält der Absender eines elektronischen Dokuments, sobald dieses auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist, eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs. Diese Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Der Rechtsanwalt darf jedoch nicht von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes per beA an das Gericht ausgehen, wenn in der Eingangsbestätigung im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ anzeigt wird.
Wie schon das Berufungsgericht festgestellt hat, enthält die von der Klägerin vorgelegte Dokumentation zur beANachricht im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ in den Spalten „Übermittlungscode Meldungstext“ und „Übermittlungsstatus“ gar keinen Text. Es fehlt also an der Mitteilung über eine erfolgreiche Übersendung der Nachricht an das Gericht. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte daher nicht davon ausgehen, dass seine Nachricht tat sächlich an das Berufungsgericht übermittelt wurde.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde besagt die Meldung in der vorgelegten Dokumentation unter der Überschrift „Prüfprotokoll vom 15.02.2022 12:17:04“ nichts über den Eingang der Berufungsschrift auf dem Justizserver. Sie zeigt nur, dass der Signaturvorgang (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) ordnungsgemäß erfolgt ist. Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht im elektronischen Rechtsverkehr der handschriftlichen Unterschrift. Der Nachweis, dass das Schriftstück elektronisch unterzeichnet wurde, lässt keinen Rückschluss auf dessen Eingang bei Gericht zu. Denn auch nach erfolgreicher Signatur verbleibt die Möglichkeit, dass die signierte Datei infolge eines Fehlers nicht oder nicht lesbar an das Gericht übermittelt wird.
Die Frage, ob die unter der Überschrift „Prüfprotokoll vom 15.02.2022 12:17:04“ im Unterabschnitt „Zusammenfassung und Struktur“ enthaltene Angabe „Eingang auf dem Server 15.02.2022 12:12:03 (lokale Serverzeit)“ den Eingang der Berufungsschrift auf dem Gerichtsserver nachweist, bietet entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine Gelegenheit zur Fortbildung des Rechts. Dass es sich bei der Zeitangabe „15.02.2022 12:12:03“ nicht um den Zeitpunkt des Eingangs der Nachricht auf dem Justizserver handeln kann, ergibt sich schon daraus, dass dieser Zeitpunkt vor dem für das Ereignis „MESSAGE_ZEITPUNKT_INITIIERUNG_VERSAND“ angegebenen Zeitpunkt „15.02.2022 12:18:00“ liegt. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass der Eingang einer Nachricht auf dem Justizserver zeitlich vor der Initiierung ihres Versands liegt.
Dieses „Prüfprotokoll“ enthält im Übrigen nur Angaben dazu, welche Signaturen sich an bzw. in einer Nachricht befinden. Informationen zur Übermittlung von Dokumenten an das Gericht finden sich hin gegen im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“; dort fehlen jedoch die entscheidenden Angaben, die auf eine erfolgreiche Übermittlung schließen lassen.
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zurückgewiesen. Die Klägerin hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten daran gehindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Bleibt die Eingangsbestätigung aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen. Es fällt in den Verantwortungsbereich des
Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.
Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, wer in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten für die Versendung des Berufungsschriftsatzes über das beA zuständig war und ob diese Person den Erhalt einer Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs am 15. Februar 2022 überprüft hat oder dazu angewiesen war. Das hätte die Klägerin aber im Rahmen der ihr nach § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO obliegenden geschlossenen, aus sich heraus verständlichen Schilderung der tatsächlichen Abläufe darlegen müssen. Für den Fall, dass das Büropersonal den Versand übernommen hat, hätte die Klägerin Vortrag zum Ausbildungsstand und zur Zuverlässigkeit der eingesetzten Bürokraft und zu deren Kontrolle halten und diesen glaubhaft machen müssen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Der Vortrag der Klägerin, die zur Fristwahrung erforderlichen Handlungenseien fristgerecht vorgenommen worden, reicht in keinem Fall aus. Wäre der Erhalt der Eingangsbestätigung überprüft worden, wäre aufgefallen, dass die notwendigen Angaben, aus denen sich eine erfolgreiche Übermittlung ersehen lässt, fehlen. Bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 2. März 2022 wäre dann noch ausreichend Zeit für einen erneuten Übermittlungsversuch gewesen. Eine Nachfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts am 11. März 2022 nach Ablauf der Berufungsfrist reichte für eine pflichtgemäßeKontrolle der fristgemäßen Versendung des Berufungsschriftsatzes nicht aus.