Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 02.05.2023 zum Aktenzeichen 114 C 8563/22 entschieden, dass die Klage eines Reisebüros auf Zahlung von 3.743,20 € abgewiesen und der Klage der Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 194,88 € stattgegeben.
Aus der Pressemitteilung des VG München vom 15.05.2023 ergibt sich:
In einem Streit um die Kosten für die Buchung einer Familienflugreise wies das Amtsgericht München die Klage eines Reisebüros auf Zahlung in Höhe von 3.743,20 Euro in vollem Umfang ab und verurteilte die Klägerin im Gegenzug zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 194,88 Euro.
Die Münchner Beklagte beauftragte die Klägerin als Trägerin eines Reisebüros mit der Vermittlung einer Familienflugreise über Silvester 2021 von München über Zürich nach Dubai für sich, ihre drei mitreisenden Familienmitglieder und ihre beiden Chihuahuas-Hunde zu einem Preis von insgesamt 3.743,20 Euro einschließlich Vermittlungsgebühr.
Bei der Buchung teilte die Beklagte der Mitarbeiterin der Klägerin mit, dass die Hunde während des Flugs im Passagierraum mitreisen sollten. Den Beteiligten war nicht bekannt, dass nach den Vorschriften der International Air Transport Association (IATA) alle Haustiere, die nach Dubai reisen, als deklarierte Fracht transportiert werden müssen und weder im Passagierraum noch im Frachtraum des Passagierflugzeugs mitgenommen werden dürfen.
Um 30.12.2021 erschien die Beklagte mit ihrer Familie und den beiden Hunden am Check-In und zur Gepäckaufgabe am Flughafen München. Hierbei wurde ihnen von einer Dame am Schalter – ohne nähere Begründung – mitgeteilt, dass die Hunde ab Zürich nicht in der Kabine angemeldet seien. Die Beklagte trat den Flug bis Zürich dennoch an. Als die Beklagte und ihre Familie in Zürich zum Umstieg ankamen, wurden sie informiert, dass grundsätzlich keine Tiere in Passagiermaschinen auf dem Luftweg nach Dubai einreisen dürften. Der Weiterflug von Zürich nach Dubai wurde sodann durch die Beklagte abgebrochen.
Die Klägerin verlangte die Erstattung der Kosten für die vermittelten Flüge zuzüglich Vermittlungsgebühr in Höhe von insgesamt 3.743,20 Euro. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und macht im Wege der Widerklage die Kosten in Höhe von 194,88 Euro geltend, die ihr durch die abgebrochene Reise entstanden sind. Der Beklagten entstanden Kosten für einen COVID-19 Antigentest für die minderjährige Tochter am Flughafen Zürich und die Beförderung der Hunde zurück nach München.
Das Amtsgericht München wies die Klage ab und gab der Widerklage vollumfänglich statt.
Das Gericht begründete die Klageabweisung wie folgt:
„Bei den von der Klägerin verauslagten Kosten für die vier Flugtickets zuzüglich der Vermittlungsgebühr handelt es sich (…) um keine Aufwendungen, die die Klägerin zum Zwecke der Ausführung des Auftrags den Umständen nach für erforderlich halten durfte, § 670 BGB.
Das Reisebüro der Klägerin wurde von der Beklagten damit beauftragt, Flüge für die Beklagte, ihre Familie und ihre zwei Chihuahas zu vermitteln, die es ermöglichen, dass die Tiere während der gesamten Flugreise im Passagierraum mitreisen können. (…) Die Beklagte hat insofern glaubhaft dargelegt, dass die Reise der Hunde im Passagierraum überhaupt der entscheidende Grund war, weshalb sie die Flüge über das Reisebüro und nicht selbst über das Internet gebucht hat. Dies deckt sich mit der Aussage der [Mitarbeiterin des Reisebüros], die im Rahmen der Zeugenvernehmung ausgesagt hat, dass die Kabinenbeförderung der Hunde von Anfang an im Fokus stand.
Das für die Beklagte bestimmende Motiv war der Mitarbeiterin der Klägerin daher bewusst, sodass der Auftrag sich nicht nur auf die Vermittlung von Flugtickets bezog, sondern klar bestimmt war von dem Sonderwunsch – Reise mit Tieren an Bord. Nach sorgfältiger Prüfung der der [Mitarbeiterin des Reisebüros] bekannten Umstände, hätte diese den Beförderungsvertrag mit dem Flugunternehmen nie abschließen bzw. vermitteln und die Ticketpreise als Aufwendungen verauslagen dürfen. Aus objektiver Sicht war die Beförderung der Tiere im Passagierraum das leitende Motiv für die Buchung der Flugtickets. Gemäß den Vorschriften der International Air Transport Association (IATA) müssen jedoch alle Haustiere, die nach Dubai reisen, als deklarierte Fracht transportiert werden und dürfen weder im Passagierraum noch im Frachtraum des Passagierflugzeugs transportiert werden. Demzufolge hätte die [Mitarbeiterin des Reisebüros] zur Erfüllung des Auftragszwecks vor Buchung zweifelsfrei abklären müssen, dass die Beförderung der Tiere im Passagierraum zulässig und möglich ist. (…)
Die Vorab-Erkundigung war vor allem vor dem Hintergrund erforderlich, dass der [Mitarbeiterin des Reisebüros] bereits bekannt war, dass das Beförderungsunternehmen E. [Anmerkung: eine andere Airline] gerade keine Tiere im Passagierraum transportiert. Als Mitarbeiterin eines Reisebüros, die täglich mit Fragen betreffend Einreisebestimmungen konfrontiert ist, hätte sie bereits dieser Umstand dazu veranlassen müssen, bei der Auswahl der Flüge besonderes Augenmerk auf die Zulässigkeit des Tiertransports an Bord in der Kabine zu legen und diesen Umstand zwingend vor Buchung abzuklären. Dies gilt umso mehr als die Einbuchung der Tiere unstreitig erst nach Buchung der Flugtickets erfolgen konnte, das heißt es mussten zunächst 3.327,20 Euro verauslagt werden, um die Hunde überhaupt einbuchen zu können. Da die Einreise mit Haustieren im Passagierraum nach Dubai von vornherein rechtlich unmöglich war und dies nicht im Vorfeld durch das Reisebüro abgeklärt wurde, war die Verauslagung der Ticketpreise nicht geeignet, notwendig und in angemessenem Verhältnis zur Verfolgung des Auftragszwecks. Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht daher nicht.“
Das Gericht führte zur Begründetheit der Widerklage wie folgt aus:
„Das Reisebüro der Klägerin hat (…) Pflichten aus dem Reisevermittlungsvertrag verletzt (§ 280 Abs. 1 BGB). Die Mitarbeiterin des Reisebüros der Beklagten [hat] ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht dahingehend verletzt, dass sie vor Buchung der Flugreise nicht zweifelsfrei abgeklärt hat, ob Hunde auf allen Streckenabschnitten nach Dubai im Passagierraum erlaubt sind. (…) Die Beklagte hat ihren Schaden [auch] nicht sehenden Auges und unter Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 1 BGB selbst veranlasst. (…) Die Beklagte wurde in München gerade nicht darüber aufgeklärt, dass die Hunde aus rechtlichen Gründen nicht mit im Passagierraum nach Dubai einreisen dürfen und damit die Flugreise von Anfang an, so wie gewünscht, nicht möglich war. Diese Information hat die Beklagte erst in Zürich am Schalter erhalten. Hätte die Beklagte diese Information bereits in München bekommen, hätte kein Anspruch auf Schadensersatz bestanden. So durfte sie sich auf die Information des Reisebüros verlassen, sodass keine Zweifel an der Kausalität und keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Beklagten bestehen.“