Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 14.02.2023 zum Aktenzeichen X ZR 18/22 entschieden, dass Reiseleistungen nur dann Gegenstand einer Gattungsschuld sein können, wenn die als gattungsgemäß in Frage kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet sind und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben. Hieran fehlt es, wenn die geschuldeten Reiseleistungen lediglich als „Fahrt ins Blaue“ bezeichnet sind.
Hat sich der Reiseveranstalter die Bestimmung der zu erbringenden Reiseleistungen vorbehalten, liegt in der Aushändigung eines Reiseprogramms bei Antritt der Reise in der Regel die Ausübung des Bestimmungsrechts im Sinne von § 315 Abs. 2 BGB.
Der Kläger macht Ansprüche auf Minderung wegen mangelhafter Reiseleistungen geltend.
Der Kläger buchte über ein Reisebüro bei der Beklagten für elf Personen zu einem Gesamtpreis von 2.138 Euro eine als „Fahrt ins Blaue“ beworbene Busreise mit Hotelübernachtungen, die vom 13. bis 15. März 2020 stattfinden sollte. In Abhängigkeit davon, ob Einzel oder Doppelzimmer gebucht wurden, betrug der Teilnehmerpreis pro Person 194,67 oder 253,67 Euro. Reiseziel und Reiseprogramm waren den Teilnehmern vor Antritt der Reise nicht bekannt. Zu Beginn der Reise wurde den Reisenden ein Reiseprogramm ausgehändigt, welches neben zwei Hotelübernachtungen in Hamburg, einer Führung im Speicherstadtmuseum und einer großen Hafenrundfahrt den Besuch des Musicals „Cirque du Soleil Paramour“ mit einer Veranstaltungsdauer von zweieinhalb Stunden vorsah.Am Nachmittag des Anreisetages wurde den Reiseteilnehmern bekannt gegeben, dass der Besuch des Musicals infolge der Auswirkungen der Corona Pandemie nicht stattfinden könne. Stattdessen führte die Beklagte eine von einer Reiseführerin begleitete dreistündige Stadtrundfahrt durch Hamburg durch.
Dem Kläger steht gemäß § 651m Abs. 2 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung des über den geminderten Reisepreis der gebuchten Pauschalreise hinaus gezahlten Betrags zu.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon aus gegangen, dass der Beklagten für die Auswahl und Gestaltung des Reiseprogramms der gebuchten „Fahrt ins Blaue“ ein Leistungsbestimmungsrecht zu stand.
Dieses Recht hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings seine Grundlage nicht in § 243 Abs. 2 BGB. Reiseleistungen können in entsprechender Anwendung von § 243 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich Gegenstand einer Gattungsschuld sein. Dies setzt aber voraus, dass eine Leistung mittlerer Art und Güte bestimmt werden kann. Letzteres ist nur dann möglich, wenn die als gattungsgemäß in Frage kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet sind und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben. Bei lediglich mit „Fahrt ins Blaue“ bezeichneten Reiseleistungen fehlt es an gattungsbildenden Merkmalen, die die Aussonderung eines Leistungsgegenstandes mittlerer Art und Güte erlauben.
Mit dem Recht, die Reiseleistungen erst nach Abschluss des Reisevertrages festzulegen, hat sich die Beklagte als Reiseveranstalter jedoch ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedungen, das mangels abweichender Regelung nach billigem Ermessen auszuüben ist.
Dass ein solches Bestimmungsrecht auch in einem Pauschalreisevertrag vereinbart werden kann, hat der Senat bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung von Abflugzeiten entschieden. Für die Bestimmung von Reisezielen oder Programmpunkten gilt nichts anderes.
Das ihr zustehende Bestimmungsrecht hat die Beklagte im Streitfall durch Aushändigung des Reiseprogramms ausgeübt. Die Ausübung des Bestimmungsrechts erfolgt gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der der Leistungsinhalt konkretisiert wird. Eine solche Erklärung ist unwiderruflich. Im Streitfall hat die Beklagte ihr Bestimmungsrecht nicht erst (konkludent) mit der tatsächlichen Leistungserbringung ausgeübt, sondern bereits mit
der Aushändigung des Reiseprogramms bei Antritt der Busreise. Unter der Überschrift „Ihr persönliches Reiseprogramm“ werden die Reiseleistungen und der zeitliche Ablauf der Reise im Einzelnen benannt. Der Besuch des Musicals „Cirque du Soleil Paramour“ wird als Höhepunkt der Reise bezeichnet. Diese Mitteilung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie vorläufigen Charakter hat und einzelne Programmpunkte und insbesondere der Reisehöhepunkt noch austauschbar sein sollten. Bei verständiger Würdigung aus Empfängersicht konnte und durfte die Mitteilung vielmehr als Festlegung des zuvor noch unbestimmten Inhalts der gebuchten „Fahrt ins Blaue“ aufgefasst werden. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat diese Würdigung selbst vornehmen. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht den Wegfall des Musicalbesuchs als zur Minderung berechtigenden Reisemangel bewertet.