Das Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 17. April 2023 zum Aktenzeichen M 30 E 22.4913 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die seitens des bayerischen Landesverbands der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) gestellten Anträge abgelehnt.
Danach darf das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) den Landesverband vorläufig, d.h. bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, auf Basis offen zugänglicher Informationen beobachten und aktuell auch die Öffentlichkeit hierüber informieren.
Für die Entscheidung wurde das vorgelegte, mehrere tausende Seiten umfassende Material ausgewertet. Nach aktuellem Erkenntnisstand erachtet die zuständige Kammer die Beobachtung des Landesverbands durch das BayLfV für rechtmäßig. Aufgrund von Äußerungen von Mitgliedern der AfD lägen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, nämlich die Menschenwürde von Muslimen und das Demokratieprinzip außer Geltung zu setzen. Die Äußerungen zeigten eine fortgesetzte Agitation gegen die Institutionen und Repräsentanten des Staates und gegen die demokratischen Parteien. Auch wenn die Äußerungen nur von einem Teil der Mitglieder stammten und nicht feststehe, dass sie die Meinung der gesamten Partei abbilden, seien sie jedenfalls Ausdruck eines parteiinternen Richtungsstreits. Dieser bilde die Grundlage für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, durch die festgestellt werden könne, in welche Richtung sich die Partei letztlich bewege. Angesichts des Gewichts der Anhaltspunkte und der Bedeutung einer informierten Öffentlichkeit für eine wehrhafte Demokratie habe auch über die Beobachtung informiert werden dürfen. Die vom bayerischen Landesverband der AfD gestellten Anträge auf Unterlassung der Beobachtung und Korrektur der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit des Freistaats Bayern blieben deshalb vorläufig ohne Erfolg.
Da bereits hinsichtlich der Menschenwürde und des Demokratieprinzips tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorlägen, bestand für das Gericht kein Anlass, sich mit dem innerhalb der Partei vertretenen Volksbegriff und dem etwaigen Vorliegen weiterer Anhaltspunkte sowie deren rechtlicher Bewertung durch das Verwaltungsgericht Köln (U.v. 8.3.2022 – Az. 13 K 326/21 – noch nicht rechtskräftig) auseinanderzusetzen.
In dem seit 5. Oktober 2022 beim Verwaltungsgericht München anhängigen Verfahren war am 25. Oktober 2022 bereits eine Zwischenentscheidung ergangen. Hierdurch war dem BayLfV aufgrund einer Folgenabwägung u.a. vorläufig untersagt worden, bei der Beobachtung nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen. Anders als noch zum Zeitpunkt dieser Zwischenentscheidung geht das Gericht derzeit u.a. nach entsprechenden Einlassungen des Freistaats Bayern davon aus, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nicht unmittelbar und mit hinreichender Bestimmtheit drohe, sodass über dessen Rechtmäßigkeit im nunmehrigen Beschluss inhaltlich nicht entschieden wurde.
Gegen den Beschluss kann die Antragstellerin innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen. Wann eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen werden wird, lässt sich noch nicht prognostizieren.