Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 14.06.2022 zum Aktenzeichen 4 Sa 735/21 entschieden, dass ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener ”Provisionseinnahmen” hat, da kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vorliegt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Provisionseinnahmen für die Jahre 2020 und 2021 aufgrund Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Ein solcher Anspruch ergibt sich mangels Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot weder aus § 612 a BGB iVm § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB noch aus § 612 a iVm § 823 Abs. 2 BGB.
In der „Herausnahme“ des Klägers aus den Projekten „A “ und B H sowie der Zuweisung von „nur“ acht Objekten an den Kläger im Jahr 2020 und „nur“ neun Objekten in 2021 durch die Beklagte liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB (wie schon das Arbeitsgericht für 2020 zutreffend erkannt hat), der einen Schadensersatzanspruch des Klägers auslösen könnte.
§ 612 a BGB bestimmt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit.
Das in § 612a BGB geregelte Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können. Indem die Vorschrift dem Arbeitgeber untersagt, bei Vereinbarungen oder Maßnahmen den Umstand zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat, schränkt sie die Vertrags- und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers ein. Wie aus dem auf Arbeitnehmer beschränkten Anwendungsbereich der Bestimmung deutlich wird, beruht sie auf dem für Arbeitsverhältnisse typischen Ungleichgewicht, das sich durch Weisungsrechte des Arbeitgebers und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers auszeichnet.
Eine Rechtsausübung in diesem Sinn kann nicht nur in der Geltendmachung von Ansprüchen bestehen, sondern auch in der Wahrnehmung sonstiger Rechtspositionen.
Die verbotene Benachteiligung kann sowohl in einer einseitigen Maßnahme des Arbeitgebers als auch in einer vertraglichen Vereinbarung liegen. Eine Maßnahme rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Art kann in einem Unterlassen bestehen. Ob eine Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt, ist durch einen Vergleich der Situation des Arbeitnehmers vor und nach der Maßnahme oder Vereinbarung zu beurteilen. Ein Nachteil ist stets gegeben, wenn sich die bisherige Rechtsposition des Arbeitnehmers verschlechtert, seine Rechte also verkürzt werden. Eine Benachteiligung iSv. § 612a BGB kann aber auch darin bestehen, dass dem Arbeitnehmer Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, die entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben.
Das Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet.
Allerdings handelt es sich dann, wenn der Arbeitgeber sein Verhalten an der Rechtsordnung orientiert, um keine nach § 612a BGB unzulässige Benachteiligung. Das in § 612a BGB zum Ausdruck kommende Unwerturteil ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt, auch wenn sich aus dem Verhalten des Arbeitgebers Nachteile für den Arbeitnehmer ergeben. Schutzzweck des Maßregelungsverbots ist es nicht, den Arbeitsvertragsparteien die rechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeits- und Ausscheidensbedingungen zu nehmen.
Ein Verstoß gegen § 612a BGB – iVm. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB oder iVm. § 823 Abs. 2 BGB – kann Sekundäransprüche auf Schadensersatz begründen
Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom beklagten Arbeitgeber benachteiligt wurde. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, sind grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben.