Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Oktober 2022 zum Aktenzeichen VI ZR 35/22 entschieden, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs nicht besteht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.
Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs lässt sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw Porsche Turbo S Cabriolet. Sie hatte das Fahrzeug in einer Garage der Beklagten geparkt, die an die LAG vermietet war. Anlässlich von Rechtsstreitigkeiten der Beklagten mit der LAG blockierte die Beklagte vom 20. Juli bis 3. August 2020 die Ausfahrt des Pkw aus der Garage mittels eines davor abgestellten Fahrzeugs. Die Klägerin war zu dieser Zeit Eigentümerin eines weiteren Pkw, eines 3er BMW Kombi. Sie begehrt für die Blockade ihres Fahrzeugs durch die Beklagte eine Nutzungsausfallentschädigung von 175 € pro Tag, insgesamt 2.450 €. Sie hat behauptet, sie habe in der fraglichen Zeit einen viertägigen Urlaub an den Gardasee geplant, der mit dem Porsche Cabriolet habe durchgeführt werden sollen; von einer Gleichwertigkeit des BMW mit diesem Fahrzeug könne nicht ausgegangen werden.
Zwar hat die Beklagte durch ihr Verhalten rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum der Klägerin an dem Pkw Porsche und damit ein Rechtsgut im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt, indem sie durch die Blockade der Garagenausfahrt die Benutzung des Fahrzeugs verhindert hat. Ferner hat sie, sofern die Klägerin unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs war, den Tatbestand der verbotenen Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) erfüllt und damit auch gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstoßen. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Absätze 1 und 2 BGB setzt aber den Eintritt eines ersatzfähigen Schadens voraus, woran es vorliegend fehlt (dazu sogleich 2. und 3.). Nichts anderes gilt für einen etwaigen Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB.
Ersatzfähig ist grundsätzlich nur der Vermögensschaden (materieller Schaden). Gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden), nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, wie etwa das Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB oder die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemäß § 651n Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen dieser Entschädigungsregelungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin ist demnach auf die Geltendmachung eines materiellen Schadens beschränkt.
Aus der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs kann sich zwar ein ersatzfähiger Vermögensschaden ergeben. Ein solcher scheidet jedoch vorliegend aus, weil der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Zweitwagen zur Verfügung stand, dessen Nutzung ihr zumutbar war.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Dabei müssen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen. Stellt sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern als individuelle Genussschmälerung dar, handelt es sich um einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden.
Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen grundsätzlich bejaht. Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern.
Um sicherzustellen, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt, und um dem schadensrechtlichen Grundsatz des Bereicherungsverbots gerecht zu werden, ist die Zuerkennung der Entschädigung aber davon abhängig, dass der Eigentümer sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. Darüber hinaus muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. An einem fühlbaren Nutzungsausfall fehlt es daher, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.
Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und damit ein Schaden lassen sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe. Denn dabei geht es um die Lebensqualität erhöhende Vorteile, die keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellen. Die genannten Gesichtspunkte betreffen nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entziehen sich daher einer vermögensrechtlichen Bewertung.