Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 23.11.2022 zum Aktenzeichen 11 K 1749/21 entschieden, dass eine Menschenrechtsorganisation einen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz gegenüber der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat.
Aus der Pressemitteilung des VG Frankfurt am Main vom 24.11.2022 ergibt sich:
Der Kläger erstrebt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Wesentlichen denZugang zu Umwelt- und Sozialaktionsplänen der Paraguay Agricultural Corporation S.A. (PAYCO), an der eine 100prozentigeTochtergesellschaft (DEG) der KfW seit 2013 beteiligt ist. Er beruft sich dazu auf das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes –Informationsfreiheitsgesetz- (IFG) und auf das Umweltinformationsgesetz (UIG).
Der Kläger ist ein Verein und zugleich eine Sektion von FIAN International. FIAN International beschreibt sich als Menschenrechtsorganisation, die sich für die weltweite Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung und angemessene Ernährung einsetzt. Im vorliegenden Fall geht es dem Kläger um den Vorwurf von Zerstörungen der Wälder und die Klärung von Landkonflikten unter anderem mit indigenen Völkern auf Farmen von PAYCO.
Die PAYCO Paraguay betreibt in Paraguay Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Forstwirtschaft und ist nach Angaben des Klägers einer der größten Produzenten von gentechnisch verändertem Saatgut im Land.
Vorhaben in Entwicklungs- und Schwellenländern werden von der KfWEntwicklungsbank einer Umwelt-und Sozialverträglichkeitsprüfung unterzogen, um negative Auswirkungen und Risiken für Mensch und Umwelt zu vermeiden. Führen diese zu untragbaren ökologischen oder sozialen Belastungen, sind von einer Finanzierung ausgeschlossen. Die finanzierten Unternehmen werden verpflichtet, regelmäßig und detailliert über die Durchführung der vereinbarten Maßnahmen zu informieren.
Der Kläger möchte nun von der Beklagten unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu den Umwelt und Sozialaktionsplänen der Paraguay Agricultural Corporation S.A. (PAYCO) beginnend ab dem Jahr 2013.
Den beantragten Informationszugang lehnte die Beklagte ab. Sie ist der Auffassung, dass der Kläger keinen Informationsanspruch geltend machen könne.
Hiergegen hat dieser dann am 21.6.2021 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, dass ihm ein derartiger Informationsanspruch zustehe, da die KfW eine Behörde im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es treffe sie keine Pflicht, sich diese Informationen bei der DEG zu beschaffen. Die von der DEG wahrgenommenen Aufgaben der Förderung Privater in Entwicklungsländern gehöre nicht zu ihrem Aufgabenbereich. Tätigkeiten i.S.d der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit entfalte sie ausschließlich durch ihren Geschäftsbereich KfW-Entwicklungsbank. Sie sei lediglich an der DEG beteiligt, erfülle aber nicht die öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Förderung Privater in Entwicklungsländern. Die DEG betreibe dieses Geschäft eigenständig mit eigenen finanziellen Mitteln. Deshalb habe sie auch die Beteiligung an der PAYCO nicht zu verantworten.
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.11.22 die Beklagte verpflichtet, über den Informationszugangsantrag des Klägers erneut zu entscheiden.
Zur Begründung haben die Richterinnen und Richter ausgeführt, dass die Kammer bereits mit Urteil vom 20. 11. 2019 entschieden habe, dass die Beklagte dem IFG unterfalle und damit eine informationspflichtige Stelle sei (11 K 5067/17.F). Die Beklagte nehme im Rahmen ihrer Tätigkeit Verwaltungsaufgaben wahr und erfülle die ihr nach dem KfW-Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Dies gelte, auch wenn sie sich von den „typischen“ Behörden im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG unterscheide, da sie eine Vielzahl ihrer Aufgaben auch in privatrechtlicher Form erfülle und privatrechtliche Bankgeschäfte abwickle. Die privatrechtliche Aufgabenwahrnehmung stelle aber in materieller Hinsicht eine Verwaltungstätigkeit dar.
Die Kammer hat keine Gründe gesehen, von den Grundsätzen in ihrer Entscheidung vom 20.11.2019 abzuweichen, zumal auf die gegen das zitierte Urteil eingelegte Berufung noch keine Entscheidung ergangen ist.
Ebenso fehlten obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen zu der Frage, wann eine informationspflichtige Stelle die Plicht treffe, bei ihr nicht vorhandene Informationen zu beschaffen, wenn sie sich einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bediene.
Nach Ansicht der Kammer gehöre die Förderung Privater in Entwicklungsländern zu den Aufgaben, die der Gesetzgeber der Beklagten durch das Förderbankneustrukturierungsgesetz vom 15.8.2003 zugewiesen habe.
Zur Erfüllung dieser Aufgabe „bediene“ die Beklagte sich auch der DEG. Für die Informationspflichtigkeit genüge es, dass die DEG als juristische Person des Privatrechts aufgrund des von der Beklagten geschlossenen Gesellschaftsvertrags eine Aufgabe wahrnehme, die in ihren Kompetenzbereich falle.
Eine Verpflichtung, dem Kläger die erstrebten Informationen zugänglich zu machen, sprach das Gericht nicht aus. In dem jetzigen Verfahrensstadium könne es nicht beurteilen, ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter der Offenlegung entgegenstünden.
Die Kammer hat deshalb die Beklagte lediglich zu einer Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und dem Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den im Fall aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht die Berufung zugelassen.
Eine schriftliche Urteilsausfertigung lag bei Abfassung der Pressemitteilung noch nicht vor.