Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. September 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 2661/21 entschieden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes (ThürWaldG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist. Diese Vorschrift verbietet ausnahmslos die Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen und verhindert damit jeden Bau von Windenergieanlagen in Waldgebieten. Das greift in das von Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Waldeigentümerin und Waldeigentümer ein. Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil das Gesetz formell verfassungswidrig ist. Dem Freistaat Thüringen fehlt für die angegriffene Regelung die Gesetzgebungskompetenz. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist der Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht zuzuordnen, von der der Bund insoweit insbesondere durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich abschließend Gebrauch gemacht hat. Die Landesgesetzgeber können Waldgebiete aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege unter Schutz stellen, sofern diese Gebiete aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig sind. In Thüringen hat der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit schon vor der Einführung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG durch verschiedene Regelungen Gebrauch gemacht. Prägend für diese Regelungen ist aber ein über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus gehender spezifischerer Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer besonderen Funktion, Lage oder Schönheit zu erhalten oder auch zu entwickeln.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 88/2022 vom 10. November 2022 ergibt sich:
Sachverhalt:
Um im Freistaat Thüringen in einem Waldgebiet eine Anlage – auch eine Windenergieanlage – errichten zu können, müssen die dafür erforderliche Rodung und die Überführung des Waldbodens in die neue Nutzungsart behördlich genehmigt werden (Umwandlung). Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen in Thüringen unzulässig. Die Regelung schließt die Umwandlung zur Errichtung von Windenergieanlagen ausnahmslos und ohne Möglichkeit der Genehmigung aus. Rund 34 % der Fläche des Freistaats Thüringen sind Waldflächen. Ein nennenswerter Teil des Waldes besteht aus sogenannten Kalamitätsflächen, bei denen eine forstwirtschaftliche Nutzung wegen Waldschäden, etwa aufgrund von Sturmfolgen oder Schädlingen, nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Auch diese geschädigten Waldbestände und Kahlflächen gelten als Wald und sind vom Ausschluss der Umwandlung zur Errichtung von Windenergieanlagen durch § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG erfasst.
Die Beschwerdeführenden sind Eigentümerin und Eigentümer von in Thüringen gelegenen Waldgrundstücken. Der Waldbestand auf ihren Grundstücken ist teilweise insbesondere durch Schädlingsbefall erheblich geschädigt und wurde deshalb gerodet; beabsichtigt ist, auf den Grundstücken Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sie sich gegen den Ausschluss der dafür erforderlichen Umwandlung durch § 10 Abs. 1 Satz 2
ThürWaldG und rügen insbesondere eine Verletzung ihres Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG).
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Das in § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG geregelte Verbot der Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht der Beschwerdeführenden ein.
Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil die angegriffene Regelung formell verfassungswidrig ist. Dem Freistaat Thüringen fehlt es hierfür an der Gesetzgebungszuständigkeit.
Eine Gesetzgebungszuständigkeit für das Waldrecht als eigene Rechtsmaterie regelt das Grundgesetz nicht. In Betracht kommt aber eine Zuordnung der angegriffenen Regelung zu in Art. 74 Abs. 1 GG aufgeführten Regelungsmaterien der konkurrierenden Gesetzgebung, insbesondere zu Nr. 18 (Bodenrecht) und zu Nr. 29 (Naturschutz und Landschaftspflege). § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist im Ergebnis der Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht zuzuordnen, von der der Bund insoweit abschließend Gebrauch gemacht hat. Damit sind die Länder hier von der Gesetzgebung ausgeschlossen.
Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG ist die flächenbezogene Ordnung der Nutzung von Grund und Boden durch öffentlich-rechtliche Normen, die Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben, also Normen, welche die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln, indem sie den Flächen Nutzungsfunktionen zuweisen und diese voneinander abgrenzen. Bodenrechtliche Bestimmungen regeln insbesondere die Koordinierung und ausgleichende Zuordnung konkurrierender Bodennutzungen und Bodenfunktionen. Sie vermeiden und lösen spezifische Bodennutzungskonflikte und gleichen bodenrechtliche Spannungslagen aus. Geregelt wird in Vorschriften des Bodenrechts die Art der Nutzbarkeit von Flächen dem Grunde nach. Nicht zum Bodenrecht zählen hingegen Nutzungsbestimmungen im weiteren Sinne, welche die Art und Weise einer grundsätzlich zulässigen Nutzung im Einzelnen näher regeln, etwa um von dieser typischerweise ausgehende Gefahren zu verhindern. Erfasst sind Vorschriften zur „rechtlichen Qualität“ des Bodens in dem Sinne, dass sie generell regeln, in welcher Weise die Grundstücke genutzt werden dürfen oder eine Art der Flächennutzung an diesem Standort ausschließen.
Die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG (Naturschutz und Landschaftspflege) umfasst sowohl den Schutz durch Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft als auch die Pflege durch gestaltende Tätigkeit des Staates, die darauf abzielt, den Zustand von Natur und Landschaft zu verbessern. Insgesamt sind jene Maßnahmen erfasst, die der Erhaltung und Förderung von Pflanzen und Tieren wildlebender Arten, ihrer Lebensgemeinschaften und natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Sicherung von Landschaften und Landschaftsteilen unter natürlichen Bedingungen dienen. Natur und Landschaft können dabei nicht nur in ihrer ökologischen, sondern auch in ihrer ästhetischen Funktion Regelungsgegenstand sein.
Regelungen im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege können bodenrechtlichen Regelungen ähneln, wenn sie wie diese gegenständlich an Bodenflächen ansetzen und – möglicherweise gebietsbezogen – bestimmten Formen der Bodennutzung entgegenstehen, insbesondere die Bebaubarkeit von Grundstücken beeinflussen. Umgekehrt schließt das Bodenrecht mit den Bestimmungen zur Bebaubarkeit des Außenbereichs Regelungen ein, die Gebiete gezielt von Bebauung freihalten und so Raum für Natur und Landschaft lassen. Regelungen im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege unterscheiden sich dann von bodenrechtlichen Regelungen durch ihre spezifischere Ausrichtung an den Schutzgütern Natur und Landschaft. Sie weisen nicht bestimmte Nutzungsarten oder -funktionen dem Grunde nach flächenhaft zu, sondern setzen an der Eigenart oder der besonderen Lage konkreter Teile der Natur und Landschaft an, die wegen ihrer besonderen, sei es auch ästhetischen Funktionen besonders schutz- oder entwicklungsbedürftig sind.
Da die Länder nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege – anders als im Bereich des Bodenrechts – grundsätzlich auch vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen dürfen, muss § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG einer bestimmten Gesetzgebungszuständigkeit zugeordnet werden. Dafür kommt es auf den unmittelbaren Regelungsgegenstand, den Normzweck und die Wirkung der Norm an, wobei die Zuordnung in erster Linie anhand des objektiven Gegenstands des zu prüfenden Gesetzes vorzunehmen ist. Im Ergebnis ist die angegriffene Regelung dem Bodenrecht zuzuordnen.
Der unmittelbare Regelungsgegenstand des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG spricht für eine Zuordnung zur Materie des Bodenrechts. Unmittelbarer Gegenstand der angegriffenen Regelung sind Grund und Boden. Bodenrechtstypisch klärt die Norm als flächenbezogene Regelung – hier negativ – die Nutzungsfunktion von Grund und Boden, indem sie die Nutzung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen ausschließt.
Dem Gegenstand der Regelung nach liegt zwar auch eine Zuordnung zur Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht fern, weil die Regelung Waldflächen betrifft. Die Regelung greift jedoch keinen spezifischen Schutzbedarf von in ihrer Lage konkret schutz- und entwicklungsbedürftigen Waldflächen auf, sondern schützt alle Waldgebiete ausnahmslos vor Bebauung durch Windenergieanlagen und ist so dem Gegenstand nach eine bodenrechtliche Regelung zur Freihaltung von Außenbereichsflächen. Um der Gesetzgebungszuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege zugeordnet werden zu können, müssten gebietsbezogene Regelungen hingegen über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus einem spezifischeren Bedarf dienen, konkrete Bestandteile von Natur und Landschaft zu erhalten oder zu entwickeln.
Auch die Wirkung der angegriffenen Norm spricht für eine Zuordnung zum Bodenrecht. Unmittelbare Rechtsfolge der angegriffenen Regelung ist das Verbot der Nutzungsänderung von Waldflächen, um Windenergieanlagen zu errichten. Der flächenbezogene Ausschluss bestimmter Nutzungsarten ist ein typisches Instrument zum Ausgleich bodenrechtlicher Spannungslagen und damit des Bodenrechts. Die bodenrechtliche Wirkung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG wird auch dadurch bestätigt, dass die Vorschrift den seinerseits bodenrechtlichen Effekt der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB über die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich strukturell durchbricht, indem sie an die Stelle der flächenbezogenen Privilegierung ein flächenbezogenes Verbot setzt.
Der anhand des Wortlauts, der systematischen Stellung, des Sinnzusammenhangs und der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Zweck der Regelung spricht ebenfalls für eine Zuordnung zur Materie des Bodenrechts.
Zwar lässt der Wortlaut der angegriffenen Norm für sich genommen keine Schlüsse zu, ob sie auf eine Regelung zum Bodenrecht oder zum Schutz von Natur und Landschaft zielt. Ihre systematische Stellung spricht jedoch gegen eine Zuordnung zur Materie Naturschutz und Landschaftspflege und für eine Zuordnung zum Bodenrecht.
Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Kompetenztiteln das Regelungsumfeld des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG zuzuordnen ist. Die angegriffene Vorschrift ist mit diesem nicht so eng verzahnt, dass ihre kompetenzielle Zuordnung den Zuordnungen der umgebenden Regelungen folgte. Die Regelung steht für sich, ist in ihrer Wirkung insbesondere von den anderen Bestimmungen des § 10 ThürWaldG völlig unabhängig und statuiert mit einer von der Regelung aller anderen Nutzungsarten abweichenden Regelungstechnik formal wie inhaltlich ein anderes Flächennutzungsregime.
Systematisch spricht gegen die Annahme, objektiv ziele die angegriffene Norm auf spezifische Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege, vor allem, dass das Thüringer Waldgesetz in § 9 und auch in § 9a bereits Regelungen enthält, die spezifisch natur- und landschaftsschützende, gebietsbezogene Regelungen für Waldflächen zulassen. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren spezifisch naturschutzrechtlichen oder landschaftspflegerischen Schutzbedarfe darüber hinaus durch das Umwandlungsverbot des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG gedeckt werden sollten. Objektiv zielt die angegriffene Regelung vielmehr darauf, unabhängig von spezifischen naturschutzrechtlichen und landschaftspflegerischen Schutzbedarfen den gesamten Waldbereich Thüringens generell von Windenergieanlagen freizuhalten. Dabei handelt es sich um ein bodenrechtliches Regelungsziel.
Gegen die Annahme, § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ziele objektiv darauf, spezifische Naturschutz- und Landschaftspflegebedarfe zu erfüllen, spricht auch der inhaltliche Sinnzusammenhang, weil es nach der Regelung wegen des pauschalen Ausschlusses von Windkraftanlagen im Wald auf die Eigenarten oder die Lage des jeweils genutzten Waldes und seine spezifische Schutzwürdigkeit nicht ankommt. Nach der angegriffenen Regelung können Windenergieanlagen auch dann nicht im Wald zugelassen werden, wenn es sich um Waldgebiete handelt, die massiven ökologischen Schädigungen ausgesetzt sind, möglicherweise sogar nur noch aus Totholz oder Kahlflächen bestehen. Dies betrifft beachtliche Teile des Thüringer Waldes. Ferner wird durch die Regelung nur die Umwandlung zur Windenergienutzung ausgeschlossen, nicht aber sonstige Nutzungsänderungen zugunsten anderer im Außenbereich grundsätzlich in Betracht kommender Bauvorhaben, welche die Waldfunktionen ähnlich beeinträchtigen könnten.
Die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte zu § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sprechen ebenfalls eher dagegen, den objektiven Zweck der Regelung in Naturschutz und Landschaftspflege zu sehen, und geben jedenfalls keinen Anlass, an der Zuordnung zum Bodenrecht zu zweifeln.
Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder im Rahmen der demnach maßgeblichen Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Zuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Im Ergebnis ist hier die Landeskompetenz zu verneinen. Der Bund hat seine Gesetzgebungskompetenz durch gesetzliche Regelungen im Baugesetzbuch abschließend genutzt.
§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB normiert die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Windenergie im Außenbereich, welche deren Zulassung erheblich erleichtert. Dieses Flächennutzungsregime wird durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ergänzt, wonach im Wege der sogenannten Konzentrationszonenplanung durch Windenergie-Standortzuweisung auf bestimmten Flächen andere Flächen von Windenergieanlagen freigehalten werden können.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Baugesetzbuch daneben bodenrechtliche Regelungen der Länder zulassen wollte, die wie § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ihrerseits die Flächennutzung zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald ausschließen. Zwar erlaubt § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB den Ländern gewisse Sonderregelungen, welche die Abstände zwischen Windenergie und Wohnbebauung betreffen. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist trotz ähnlicher, die Errichtung von Windenergieanlagen ausschließender Wirkweise jedoch offensichtlich nicht von § 249 Abs. 3 BauGB gedeckt, da es sich nicht um eine Abstandsregelung, sondern um ein waldflächenbezogenes Errichtungsverbot handelt.
Im Ergebnis öffnet auch § 9 Abs. 3 Nr. 2 Bundeswaldgesetz (BWaldG) das Bundesrecht nicht für eine Regelung wie die des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG. Nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG können die Länder zwar bestimmen, dass die Umwandlung von Wald weiteren Einschränkungen unterworfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, gänzlich untersagt wird. Der Annahme, dass auf dieser Grundlage die Regelungen des Baugesetzbuchs über die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich durchbrochen werden könnten, stehen aber sowohl § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB als auch § 9 BWaldG selbst entgegen.
§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB kann nicht so gelesen werden, dass er zuließe, die darin geregelte Privilegierung der Windkraft auf der Grundlage des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG für Waldflächen durch pauschale landesrechtliche Verbote von Windenergieanlagen im Wald zu durchbrechen. Schon bei äußerlicher Betrachtung liegt es fern, dass das Baugesetzbuch eine Durchbrechung des in § 35 und § 249 BauGB für den Bau von Windenergieanlagen im Außenbereich detailliert errichteten Flächennutzungsregimes durch das Waldrecht für alle Waldflächen zulassen wollte; denn für eine so breite Durchbrechung wäre eine ausdrückliche Öffnung zu erwarten. Inhaltlich spricht dagegen, dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet. Um das verfassungsrechtlich maßgebliche Klimaschutzziel zu wahren, die Erderwärmung bei deutlich unter 2,0 °C, möglichst 1,5 °C anzuhalten, müssen erhebliche weitere Anstrengungen der Treibhausgasreduktion unternommen werden, wozu insbesondere der Ausbau der Windkraftnutzung beitragen soll. Zugleich unterstützt dieser Ausbau die Sicherung der Energieversorgung, die derzeit besonders gefährdet ist.
Auch § 9 BWaldG selbst spricht dagegen, dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern ein pauschales Umwandlungsverbot von Waldflächen für Windenergieanlagen ermöglichen soll. Wiederum steht schon äußerlich entgegen, dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG mit keinem Wort zum Ausdruck bringt, dass die Länder auf dieser Grundlage die im Baugesetzbuch genau geregelte Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich auf sämtlichen Waldflächen sollten durchbrechen können. Pauschale Umwandlungsverbote durch den Landesgesetzgeber widersprächen § 9 BWaldG zudem konzeptionell. § 9 BWaldG statuiert eine Abwägungsregel, nach der spezifische forstrechtliche Interessen (Walderhalt und -ökologie, Forstwirtschaft), aber auch die Interessen der Waldeigentümer zu einem Ausgleich zu bringen sind. Die Regelung gibt ein inhaltlich deutlich umrissenes und differenziertes Abwägungsregime vor, an dessen Stelle die Länder nicht pauschale Umwandlungsverbote setzen dürfen.