Das Sozialgericht Hildesheim hat mit Beschluss vom 30.08.2022 zum Aktenzeichen S 12 SF 62/22 E in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass keine Terminsgebühr beim Anerkenntnis im sozialgerichtlichen Eilverfahren entsteht.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Kostenfestsetzungsverfahren.
Zugrunde liegt ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Nach Einlegung des einstweiligen Rechtsschutzantrages und einigem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten gab die Erinnerungsgegnerin ein Anerkenntnis zugunsten des Erinnerungsführers ab, das der Erinnerungsführer durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten annahm, wodurch das einstweilige Rechtsschutzverfahren endete. Mit Kostenbeschluss bestimmte das Gericht, dass die Erinnerungsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsführers für das Verfahren zu tragen habe.
Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers beantragte neben der Verfahrensgebühr auch die Terminsgebühr.
Hinsichtlich der beantragten Terminsgebühr gab der Prozessbevollmächtigte an, dass diese auch bei einem angenommenen Anerkenntnis im Eilverfahren entstehe.
Die Erinnerungsgegnerin erwiderte auf den Kostenfestsetzungsantrag, dass eine fiktive Terminsgebühr nicht entstanden sei, weil eine mündliche Verhandlung im Eilverfahren nicht erforderlich und auch nicht vorgeschrieben sei. Die Pflicht, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, widerspreche auch dem Charakter eines Eilverfahrens.
Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss setzte der Urkundsbeamte die Gebühren ohne Terminsgebühr fest.
Abweichend vom Kostenfestsetzungsantrag berücksichtigte der Urkundsbeamte die beantragte Terminsgebühr nicht, während der die Verfahrensgebühr antragsgemäß festsetzte. Zur Begründung für die unterbliebene Festsetzung der Terminsgebühr führte der Urkundsbeamte aus, dass eine Terminsgebühr nicht entstanden sei. In Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei, wie es beim vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Fall sei, könne eine Terminsgebühr nur entstehen, wenn tatsächlich eine mündliche Ver-handlung stattgefunden habe und der Rechtsanwalt in dieser Verhandlung die Vertretung über-nommen habe. Hieran fehle es.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers Erinnerung eingelegt.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine fiktive Terminsgebühr nach Ziff. 3106 VV RVG angefallen ist oder nicht.
Die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Ziff. 3106 VV RVG ist zu Recht nicht erfolgt.
Weder hat im zugrundeliegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung tatsächlich stattgefunden, noch liegt der Tatbestand einer sog. fiktiven Terminsgebühr nach Ziff. 3106 Nr. 1 bis Nr. 3 VV RVG vor.
Weder liegt eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG (Nr. 1), noch ein Gerichtsbescheid nach § 105 SGG (Nr. 2) vor. Der Rechtsstreit wurde vielmehr durch Anerkenntnis beendet.
Allerdings handelt es sich bei dem zugrunde liegenden Verfahren um ein Eilverfahren und damit gerade nicht um ein Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung im Sinne von Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG vorgeschrieben ist.
Einstweilige Rechtsschutzverfahren werden entweder durch eine Einigung der Parteien oder durch einen gerichtlichen Beschluss beendet, ohne dass hierfür eine mündliche Verhandlung (wie bei einem Hauptsache-Klageverfahren) vorgeschrieben wäre. Sofern notwendig, kann in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich ein sog. Erörterungstermin nach § 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG erfolgen. Ein solcher Erörterungstermin als Unterfall einer mündlichen Ver-handlung ist allerdings nicht obligatorisch vorgeschrieben. Im zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 56 KR 4022/22 ER wurde keine mündliche Verhandlung und insbe-sondere auch kein Erörterungstermin durchgeführt (vgl. SG Hildesheim, Beschl. v. 08.02.2021 – S 12 SF 1/21 E; ferner SG Hildesheim, Beschl. v. 29.11.2018 – S 12 SF 121/17 E) t.
Da im zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren weder ein Termin stattgefunden hat, noch mit diesem Verfahren ein Verfahren vorliegt, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, konnte folglich eine Terminsgebühr nach Ziff. 3106 VV RVG nicht festgesetzt werden.
Die vom Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers zitierte Rechtsprechung des Sozialgerichts Fulda, des Bayerischen Landessozialgerichts, des Thüringischen Landessozialgerichts und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen überzeugt nicht.
Der Wortlaut der Vergütungsvorschrift der Ziff. 3106 Nr. 3 VV RVG hat nach Auffassung der Kammer Vorrang gegenüber Auslegungsversuchen anhand der Anmerkungen in Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG, weil im Wortlaut unmittelbar der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck kommt und sich bei strikter Anwendung des Wortlautes aus Sicht der Kammer eigentlich keine anderslautenden Interpretationsansätze entwickeln lassen. Im Übrigen besteht bei Eindeutigkeit des Wortlautes auch kein Anlass, weitere Auslegungen systematischer oder historischer Art oder im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers vorzunehmen.