Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 31. August 2022 zum Aktenzeichen 2 L 73/20 den Antrag der beiden Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 2. Kammer – vom 26. Juni 2020 (2 A 13/18 HAL) abgelehnt, mit dem die Klage der Kläger abgewiesen wurde. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle ist damit rechtskräftig.
Aus der Pressemitteilung des OVG SA Nr. 10/2022 vom 01.09.2022 ergibt sich:
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger wenden sich gegen die ihren Grundstücksnachbarn (im Prozess beigeladen) vom Landkreis Mansfeld-Südharz (Beklagter) unter dem 22. Mai 2017 erteilte Baugenehmigung zum Umbau und zur Umnutzung eines Carports zum Wintergarten. Durch die an der Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und den Beigeladenen von diesen als Brandwand errichtete Mauer des Carports/Wintergartens wird ein Fenster in der Außenwand des ebenfalls grenzständigen Wohngebäudes der Kläger zugemauert. Mit der Begründung, sie seien vor der Erteilung der Genehmigung nicht angehört worden, durch das Dachgefälle des Wintergartens vernässe ihre Außenwand und durch das bestandsgeschützte, zugemauerte Fenster sei der dahinterliegende Raum nicht mehr nutzbar, erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Diesen wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 zurück.
Mit der bereits am 18. Januar 2018 erhoben die Klage vertieften die Kläger ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und legten Unterlagen vor, die den Bestandsschutz für das zugemauerte Fenster belegen sollten. Dieses sei notwendig, da der dahinterliegende Raum als Schlafraum und Arbeitszimmer genutzt worden sei und künftig genutzt werden solle. Ihnen stehe ein Abwehranspruch gegen das Zumauern des Fensters zu.
Mit Urteil vom 26. Juni 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Eine Verletzung bauordnungsrechtlich geschützter Nachbarrechte liege nicht vor. Die Einhaltung von Abstandsflächen sei nicht erforderlich, da nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden dürfe. Seien die landesrechtlichen Vorschriften zu Abstandsflächen eingehalten, komme eine Verletzung des bauordnungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme in der Regel nicht mehr in Betracht. Nur in Extremfällen seien weitergehende nachbarliche Abwehrrechte in Betracht zu ziehen. Eine Verschattung von Grundstücken durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück sei in den Ortslagen Mitteleuropas regelmäßig unvermeidlich. Das Fenster diene nicht der Belichtung von Wohnräumen, sondern nach den vorgelegten Planungsunterlagen einer Toilette. Auf die konkrete Nutzung des Raumes komme es nicht an. Auch das in § 34 Abs.1 Baugesetzbuch (BauGB) enthaltene bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Im Grundsatz sei nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass, wer selbst an die Grenze baue, einen Anbau des Nachbarn an der Grundstücksgrenze hinnehmen müsse, auch wenn dieser dazu führe, dass ein seit langem bestehendes seitliches Fenster zugemauert werde. Vorliegend hätten die Kläger selbst an die Grenze gebaut. Auch auf den Nachbargrundstücken herrsche grenzständige Bebauung vor. Gründe für eine Abweichung von der danach zulässigen grenzständigen Bebauung lägen nicht vor. Da die Bebauungssituation auf dem klägerischen Grundstück wie auf dem der Beigeladenen unstreitig sei, sei die Durchführung eines Ortstermins nicht erforderlich gewesen.
Der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichtete Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen ausgeführt:
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Kläger legen eine unzutreffende erhebliche Tatsachenfeststellung durch das Verwaltungsgericht nicht dar. Ob die Kläger den Raum in anderer als zur Genehmigung gestellter Art und Weise gebaut haben, so dass er wie behauptet knapp 6 m² groß wäre, oder genutzt haben bzw. nutzen wollen, ist für die Frage, ob es sich bei dem Fenster um ein notwendiges im Sinne des § 46 Abs. 2 Bauordnung Sachsen-Anhalt (BauO LSA) handelt, unerheblich. Denn ausschlaggebend ist die behauptete Genehmigungslage. Die Kläger stellen auch keinen einzelnen tragenden Rechtssatz mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen ohne Abstandsflächen durchgeführt werden kann, weil in der in den Blick zu nehmenden Umgebung eine grenzständige Bebauung ohne Einhaltung der Abstandsflächen vorherrscht. Durch die zulässige Bebauung ohne Einhaltung einer Abstandsfläche wurde auch das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt, das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des Einfügens zum Ausdruck kommt. Der Verweis der Kläger auf Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte greift aufgrund des abweichenden Landesrechts nicht durch. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze zum bauplanungsrechtlichen Gebot des „Einfügens in die Umgebungsbebauung“ hat das Verwaltungsgericht beachtet.
Die Einhaltung des in § 34 BauGB enthaltenen planungsrechtliche Gebots der Rücksichtnahme hängt wesentlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Diese bestehen vorliegend darin, dass die Kläger in der grenzständigen Außenwand ihres Gebäudes über ein Fenster verfügen, das der Belichtung einer 2,3 m² großen Toilette und gegebenenfalls noch eines angrenzenden, 2,1 m² großen Abstellraums oder des angrenzenden Treppenhauses dient. Ob die Kläger den allenfalls so genehmigten Raum anders nutzen wollen oder genutzt haben, ist ohne Belang. Da ein Toilettenraum nicht als Aufenthaltsraum dient, ist er grundsätzlich auch ohne Fenster zulässig. Dementsprechend ist auch eine nur durch ein Fenster zu sichernde Belichtung und Belüftung des Raumes nicht geboten, die in Toiletten auch üblicherweise anderweitig erfolgen kann.
Auch der Einwand der Kläger, die angefochtene Baugenehmigung sei wegen eines groben Verfahrensmangels nichtig, denn sie hätten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beteiligt werden müssen, greift nicht durch. Unabhängig davon, dass die Kläger schon nicht dargelegt haben, aus welcher Norm sie ihr Beteiligungsrecht ableiten, kann eine etwaig fehlende Beteiligung des Nachbarn allein keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung begründen.
Die Berufung war auch nicht wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.