Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 20.07.2022 zum Aktenzeichen 13 U 280/21 entschieden, dass die nach einer Insolvenz kulanzweise durchgeführten Beförderungen von Passagieren, die ihre Tickets vor Insolvenz bezahlt haben, als „kostenlos“ im Sinne der EU-Fluggastrechte-VO zu werten sind. Fluggäste, die kostenlos reisen, haben keine Ansprüche nach der EU-Fluggastrechte-VO. Der bezahlte Flugpreis steht der Wertung als kostenlos nicht entgegen; er wandelt sich nach Insolvenzeröffnung in eine Insolvenzforderung. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt und Ausgleichsansprüche des Klägers abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main Nr. 71/2022 vom 01.09.2022 ergibt sich:
Der Kläger buchte bei der Beklagten im April 2019 eine Flugreise von Frankfurt auf die Seychellen. Der Hinflug sollte am 03.01.2020 und der Rückflug am 04.04.2020 erfolgen. Im Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet. Die Beklagte entschloss sich, aus Kulanz und um ihren guten Ruf zu wahren, Passagiere mit vor der Insolvenzantragstellung bezahlten Tickets dennoch zu befördern. Der Hinflug wurde aufgrund eines technischen Defektes am Flugzeug um einen Tag verspätet durchgeführt. Den Rückflug buchte die Beklagte wegen der Covid-19-Pandemie mehrfach um. Vor dem letztlich für den 08.10.2020 in Aussicht gestellten Rückflug der Beklagten organisierte sich der Kläger am 01.08.2020 eine alternative Beförderung. Er begehrt nunmehr Erstattung der Hotelkosten i. H. v. 4.000 € für die Zeit
vom 04.04. bis 01.08.2020, hälftige Erstattung des Rückfluges und Entschädigung wegen des verzögerten Hinflugs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Kläger könne keinen Entschädigungsanspruch hinsichtlich des verzögerten Hinflugs und des mehrfach verschobenen Rückflugs nach der EU-Fluggastverordnung geltend machen. Wegen der Insolvenz der Beklagten sei der ursprüngliche Beförderungsanspruch zu einer Insolvenzforderung geworden; es habe nach der Insolvenzeröffnung daher kein durchsetzbarer Anspruch mehr auf Durchführung des Fluges bestanden. Die aus Kulanz gewährte Beförderung sei damit als „kostenlos“ im Sinne der Fluggastrechte-VO einzustufen. Fluggäste, die kostenlos reisten, seien von der Verordnung ausgenommen. Sie könnten keine Ausgleichsansprüche geltend machen. Ausgleichsansprüche, die keinen Vermögensschaden voraussetzten, sondern dem Ausgleich von „Ärgernissen und Unannehmlichkeiten“ dienten, bestünden nur im Fall der Entgeltlichkeit.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage hat das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.