Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 20.05.2022 zum Aktenzeichen 9 TaBV 19/22 entschieden, dass die Einigungsstelle für die Einführung und Ausgestaltung einer Anwesenheitsprämie nicht offensichtlich unzuständig ist, auch wenn der Betriebsrat die Einführung einer Anwesenheitsprämie generell abgelehnt hatte. Dann ist es dem Arbeitgeber zwar verwehrt, ohne die Beteiligung des Betriebsrats Regelungen zu einer Anwesenheitsprämie zu treffen. Er kann jedoch die Einigungsstelle in der Hoffnung anrufen, diese werde seinen Vorstellungen ganz oder wenigstens teilweise entsprechen.
Die Arbeitgeberin begehrt die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Anwesenheitsprämien. Wegen eines seit Jahresbeginn 2022 erheblichen Krankenstandes möchte die Arbeitgeberin eine Anwesenheitsprämie einführen. Der Betriebsrat hat den Abschluss einer Betriebsvereinbarung abgelehnt. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin unter dem 25.03.2022 das Scheitern der Verhandlungen und forderte den Betriebsrat zur einvernehmlichen Bildung einer Einigungsstelle auf. Das ArbG hat den Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstellestattgegeben. Die Beschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg.
Die Einigungsstelle ist für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Gewährung einer Anwesenheitsprämie nichtoffensichtlich unzuständig i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Die Einführung einer freiwilligen Leistung unterliegt als Frage der betrieblichen Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, soweit es um deren Gestaltung und das Verhältnis zu anderen Entgeltleistungen des Arbeitgebers geht. Die Freiwilligkeit der Leistung schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Sie zieht ihm aber Grenzen; denn der Arbeitgeber entscheidet mitbestimmungsfrei über den finanziellen Dotierungsrahmen. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen daher die Frage, ob eine solche Leistungsprämienregelung mit den entsprechenden Vorgaben des Arbeitgebers überhaupt eingeführt werden soll, sowie die Regelung der Modalitäten im Rahmen dieser Vorgaben. Damit ist es dem Arbeitgeber zwar verwehrt, ohne die Beteiligung des Betriebsrats Regelungen zu einer Anwesenheitsprämie zu treffen. Er kann jedoch die Einigungsstelle in der Hoffnung anrufen, diese werde seinen Vorstellungen ganz oder wenigstens teilweise entsprechen. Kommt die Einigungsstelle dem Wunsch des Arbeitgebers nach, ist ihr Spruch dann nicht in dem Sinne verbindlich, dass der Arbeitgeber daran gebunden wäre und von seiner Verpflichtung nur durch eine fristgemäße Kündigung wieder freikommen könnte. Der Arbeitgeber dürfte vielmehr auch noch nach dem Spruch der Einigungsstelle von der Gewährung der Leistung absehen. Dies folgt unmittelbar aus der Freiwilligkeit der Leistung. Denn umfasst das Mitbestimmungsrecht nicht das Recht, eine freiwillige Leistung zu erzwingen, kann auch der Spruch der Einigungsstelle eine solche Verpflichtung nicht begründen. Nur wenn und solange der Arbeitgeber die Leistung erbringt, ist der Spruch der Einigungsstelle hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Ausgestaltung dieser Leistung maßgeblich.
Beabsichtigt der Arbeitgeber zusätzlich zum Zeitlohn ein leistungsbezogenes Entgelt zu gewähren, zu dem er aus Rechtsgründen nicht verpflichtet ist, so bindet auch ein Spruch der Einigungsstelle über den Geldfaktor dieses Leistungslohnes den Arbeitgeber nur dann und so lange, wie dieser den Leistungslohn gewähren will und auch gewährt.