Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat mit Urteil vom 22.06.2022 zum Aktenzeichen 17/21 im Organstreitverfahren des Landesverbands Thüringen der ÖDP gegen den Thüringer Landtag entschieden, dass der Thüringer Landtag die Rechte der ÖDP auf Chancengleichheit bei Wahlen dadurch verletzt hat, dass er es im Zusammenhang mit der Kreistagswahl im Wartburgkreis am 20. Juni 2021 unterlassen hat, die im Thüringer Kommunalwahlgesetz geregelten Vorgaben zum Unterschriftenquorum für Wahlvorschläge von parlamentarisch oder im jeweiligen Kommunalvertretungsorgan nicht vertretenen Parteien für den Pandemiefall anzupassen.
Das Erfordernis eines erhöhten Unterstützungsunterschriftenquorums für Wahlvorschläge von parlamentarisch oder im zu wählenden Kommunalvertretungsorgan nicht vertretenen Parteien dient zwar dem legitimen Ziel, die Wahlvorschläge auf ernsthafte Bewerberinnen und Bewerber zu beschränken. In Anbetracht der pandemiebedingten Erschwernisse war dieses Unterschriftenquorum im Frühjahr 2021 jedoch nicht mehr verhältnismäßig. Der Thüringer Landtag hätte die gesetzlichen Vorgaben für die Dauer der infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen im Frühjahr 2021 anpassen müssen.