Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 19.01.2022 zum Aktenzeichen 12 Sa 705/21 entschieden, dass die ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten und seiner Familie mit körperlicher Gewalt eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Gibt die Arbeitgeberin in einem solchen Fall aus Versehen in der Betriebsratsanhörung die Sozialdaten des Klägers unzutreffend an (ledig, keine Kinder anstelle zutreffend verheiratet, ein Kind) und waren dem Betriebsrat im Zeitpunkt der Einleitung der Anhörung die zutreffenden Sozialdaten bekannt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1998 als Busfahrer beschäftigt. Seit 2019 verlief das Arbeitsverhältnis nicht mehr reibungslos.
Der Kläger erhielt diverse Abmahnungen, u.a. weil mehrfach Fahrgelder nicht rechtzeitig bei der Beklagten eingezahlt wurden.
Am 12.02.2020 führte der Kläger ein Gespräch mit dem Personaldisponenten der Beklagten.
Inhalt und Ablauf des Gespräches, insbesondere, ob der Kläger den Personaldisponenten und dessen Familie in diesem Gespräch bedroht hat, sind zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte lud den Kläger für den 17.02.2020 zu einem Personalgespräch ein und hörte ihn zu den Verdachtsmomenten betreffend das Gespräch am 12.02.2020 mit dem Personaldisponenten an.
Er bestritt den Personaldisponenten bedroht zu haben.
Die Beklagte hörte den Betriebsrat am 24.02.2020 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an.
Im Anhörungsschreiben gab die Beklagte die Sozialdaten des Klägers versehentlich falsch an.
Mit Schreiben vom 26.02.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2020.
Das ArbG hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Personaldisponenten.
Dieser erklärte glaubhaft, dass der Kläger ihn mit den Worten „Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von euch vor meiner Haustür oder meinem Briefkasten sehe, werde ich euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei euch helfen“ und „Ochse, Du musst in Zukunft auf dich und deine Familie achten“ bedroht hat.
Das ArbG hat daraufhin die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.
Es liegt ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass der Kläger den Personaldisponenten und dessen Familie in dem Gespräch am 12.02.2020 bedroht hat.
Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben des Arbeitgebers, von Vorgesetzten und/oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht.
Eine erhebliche Pflichtverletzung in Gestalt einer ernstlichen Drohung liegt vor, wenn eine Äußerung nach ihrem sorgfältig zu ermittelnden Erklärungsgehalt objektiv geeignet ist, bei einem „normal“ empfindenden Menschen den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken, und der Wille des Drohenden darauf gerichtet ist, dass der Adressat die Drohung ernst nimmt.
Nicht entscheidend ist, ob der Drohende seine Ankündigung verwirklichen kann oder will. Ebenso wenig kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Adressat sie tatsächlich ernst nimmt, und ob eine Störung des Rechtsfriedens eintritt.
Eine solche Drohung ist hier gegeben.
Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft, der Zeuge selbst auch glaubwürdig.
Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2020 nicht zumutbar.
Die Beklagte hat den Betriebsrat vor der außerordentlichen Kündigung vom 26.02.2020 auch ordnungsgemäß gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG beteiligt.
Die versehentlich unrichtige Angabe der Sozialdaten des Klägers in der Betriebsratsanhörung vom 24.02.2020 führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG.
Gibt die Arbeitgeberin in einem solchem Fall aus Versehen in der Betriebsratsanhörung die Sozialdaten des Klägers unzutreffend an (ledig, keine Kinder anstelle zutreffend verheiratet, ein Kind) und waren dem Betriebsrat im Zeitpunkt der Einleitung der Anhörung die zutreffenden Sozialdaten bekannt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung.
Der Personaldisponent musste auch nicht, wie vom Kläger verlangt einem Lügendetektortest unterzogen werden.
Es handelt sich hierbei im arbeitsgerichtlichen Verfahren um ein völlig ungeeignetes Beweismittel.
Nachdem die Strafsenate des BGH auf der Grundlage von drei wissenschaftlichen Gutachten zu der psychophysiologischen Aussagebeurteilung diese Untersuchungsmethode als völlig ungeeignet eingestuft haben, ist nicht ersichtlich, warum man im Zivilverfahren zu einem anderen Ergebnis kommen sollte.
Im Zivilprozess werden an die Eignung eines Beweismittels die gleichen Anforderungen gestellt wie im Strafprozess.