Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21. März 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 2650/19 entschieden, dass eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung eines Bauamtsleiters sowie eines Leiters der gemeindlichen Finanzverwaltung verfassungswidrig ist.
In seinem Onlinekommentar führte der Beschwerdeführer unter der Überschrift „Wir hätten Geld in die Hand genommen…“ sodann unter anderem aus:
„Warum hat in [Name der Gemeinde] die Unfähigkeit Gesichter? Warum heißt die Hälfte mit Nachname [Nachname des Bauamtsleiters]? Kasse, Sozialamt, Bauamt – sonst noch was? Aber welch garstig Schelm, der denkt die seien verwandt.
Der Rest an Unfähigkeit sieht ähnlich aus. Wohl behütet mit der Unfähigkeit der Chefin. […] Anders ausgedrückt: wer glaubt in [Name der Gemeinde] sitzen die Schwerbehinderten in der Diakonie [Anmerkung: eine Einrichtung für teils körperlich und geistig mehrfach behinderte Menschen] irrt. Die haben alle ganz tolle Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. [Name der Gemeinde] ist der BER für die Armen. Konsequenzen – bloß nicht. Entlassen werden tut nur in der Privatwirtschaft.“
Durch diese Ausführungen sahen sich der Bauamtsleiter sowie der Leiter der gemeindlichen Finanzverwaltung, die den gleichen Nachnamen tragen, in ihrer Ehre verletzt und stellten Strafantrag.
Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in seine Meinungsfreiheit ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr). Der Beschwerdeführer äußerte sich wertend über bestimmte in der Gemeindeverwaltung seines Wohnortes tätige Personen und positionierte sich jedenfalls auch zu deren Amtsführung. Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an diese dementsprechend in den Schutzbereich fallende und als Werturteil zu qualifizierende Äußerung an und greift damit in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ein.
Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch die §§ 185, 193 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>), auf die sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.
Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre, drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 15; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 -, Rn. 12; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 -, Rn. 28). Eine Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 17 mit Verweisung auf BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293>; 99, 185 <196>). Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 2012 – 1 BvR 2979/10 -, Rn. 30). Erfolgen solche allein auf die persönliche Kränkung zielenden Äußerungen unter den Kommunikationsbedingungen des Internets, sind sie aber nicht selten auch von Privatfehden losgelöst. Sie können persönlich nicht bekannte Personen, auch des öffentlichen Lebens, betreffen, die im Schutz der Anonymität des Internets ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 19; vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 29; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 2012 – 1 BvR 2979/10 -, Rn. 30).
Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, anknüpft (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 26; vgl. BVerfGE 12, 113 <124 ff.>; 90, 241 <248>; 93, 266 <290>). Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Das Ergebnis der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 1094/19 -, Rn. 19 f. und – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 27; stRspr). Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 27).
Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 29 m.w.N., und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 31).
Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen – unter Umständen weitreichenden – gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 32).
Unter dem Aspekt der Machtkritik haben die Gerichte auch Auslegung und Anwendung des Art. 10 Abs. 2 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen. In ständiger Rechtsprechung betont der Gerichtshof, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen (vgl. EGMR, Lingens v. Austria, Urteil vom 8. Juli 1986, Nr. 9815/82, § 42; Oberschlick v. Austria I, Urteil vom 23. Mai 1991, Nr. 11662/85, § 59; Oberschlick v. Austria II, Urteil vom 1. Juli 1997, Nr. 20834/92, § 29; EON c. France, Urteil vom 14. März 2013, Nr. 26118/10, § 59). Insofern Politikerinnen und Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten, unterscheidet sich ihre Situation von derjenigen staatlicher Amtswalter, denen ohne ihr besonderes Zutun im Rahmen ihrer Berufsausübung eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 31, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 33).
Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Auch hier sind Äußerungen desto weniger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betreffenden Personen in den Vordergrund tritt. Welche Äußerungen sich Personen des öffentlichen Lebens gefallen lassen müssen und welche nicht, liegt dabei nicht nur an Art und Umständen der Äußerung, sondern auch daran, welche Position sie innehaben und welche öffentliche Aufmerksamkeit sie für sich beanspruchen.
Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch Nutzung des Internets ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 152, 152 <199 Rn. 108> – Recht auf Vergessen I; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 32, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 35).
Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles insbesondere erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Denn für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es besonders abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert – in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung – die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit. Demgegenüber kann bei schriftlichen Äußerungen im Allgemeinen ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden. Dies gilt – unter Berücksichtigung der konkreten Kommunikationsumstände – grundsätzlich auch für textliche Äußerungen im Internet. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls erheblich, ob und inwieweit für die betreffende Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestand oder ob sie aus nichtigen oder vorgeschobenen Gründen getätigt wurde (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 33, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 36).
Ebenfalls bei der Abwägung in Rechnung zu stellen ist die konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung (vgl. ebenso für zivilrechtliche Löschungsverlangen und Unterlassungsansprüche BVerfGE 152, 152 <204 f. Rn. 125> – Recht auf Vergessen I). Maßgeblich hierfür sind Form und Begleitumstände der Kommunikation. Erhält nur ein kleiner Kreis von Personen von einer ehrbeeinträchtigenden Äußerung Kenntnis oder handelt es sich um eine nicht schriftlich oder anderweitig perpetuierte Äußerung, ist die damit verbundene Beeinträchtigung der persönlichen Ehre geringfügiger und flüchtiger als im gegenteiligen Fall. Demgegenüber ist die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung beispielsweise gesteigert, wenn sie in wiederholender und anprangernder Weise, etwa unter Nutzung von Bildnissen der Betroffenen, oder besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium getätigt wird. Ein solches die ehrbeeinträchtigende Wirkung einer Äußerung verstärkendes Medium kann insbesondere das Internet sein, wobei auch hier nicht allgemein auf das Medium als solches, sondern auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen ist (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 34).
Diese dargelegten Gesichtspunkte, die für die konkrete Abwägung relevant sein können, müssen dabei nicht in jedem Fall in ihrer Gesamtheit „abgearbeitet“ werden. Vielmehr ist es Aufgabe der Fachgerichte, aufgrund der Umstände des Einzelfalles die je abwägungsrelevanten Gesichtspunkte herauszuarbeiten und miteinander abzuwägen. Je nach den Umständen kann eine recht knappe Abwägung ausreichen. Maßgeblich ist, dass die konkrete Situation der Äußerung erfasst und unter Berücksichtigung der auf beiden Seiten betroffenen Grundrechte hinreichend gewürdigt wird (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 35, und vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 38).
Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben wird das vom Oberlandesgericht nicht beanstandete Urteil des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die von Landgericht und Oberlandesgericht bejahte Einordnung der Äußerung als ehrkränkend. Auch erkennt das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend die Bedeutung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und das grundsätzliche Erfordernis einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall. Weiter geht es zutreffend davon aus, dass im öffentlichen Meinungskampf bei öffentlich zur Diskussion gestellten, gesellschaftliches Interesse erregenden Beiträgen scharfe Äußerungen gebraucht werden dürfen (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; 68, 226 <231 f.>; 82, 236 <260>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2021 – 1 BvR 11/20 -, Rn. 18). Die vom Landgericht gegebene Begründung trägt jedoch die Annahme einer nur ausnahmsweise gegebenen Schmähkritik, die eine im Regelfall vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen entbehrlich macht, nicht.
Dass es dem Beschwerdeführer nicht um eine Äußerung in der Sache, sondern allein um eine Herabsetzung des Betroffenen gegangen sein soll, behauptet das Landgericht – vom Oberlandesgericht unbeanstandet – ohne nähere Ausführungen und ohne die erforderliche, die konkreten, objektiv feststellbaren Umstände des Falles in den Blick nehmende Begründung. Die vom Landgericht aufgestellte Behauptung, der vom Beschwerdeführer aufgestellte Vergleich überschreite die Grenze zur Schmähkritik, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung der Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik nicht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 23).
Des Weiteren liegt aufgrund des noch vorhandenen Bezugs zu der Auseinandersetzung um die Frage, warum es in der Gemeinde die Verkehrsprobleme und die vom Beschwerdeführer identifizierten weiteren vermeintlichen Probleme im Bereich der Stadtverwaltung gebe, keine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn vor. Eine solche ist erst dann gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 19).
Auch war hier ein Absehen von einer Abwägung der betroffenen Interessen unter dem Gesichtspunkt der Formalbeleidigung nicht zulässig. Bei der Bezeichnung als „unfähig“ sowie dem Vergleich mit Schwerbehinderten handelte es sich nicht um kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeiten (zur Formalbeleidigung vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 21).
Liegt kein Sonderfall der Schmähung oder Formalbeleidigung vor, bedarf es, wie es das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen. Diese fehlt jedoch im vorliegenden Fall. Der pauschale Verweis, dass der Vergleich mit teils körperlich und geistig mehrfach schwer behinderten Menschen die von der Äußerung Betroffenen „im Kern ihrer Persönlichkeit“ treffe, genügt nicht den von Verfassungs wegen zu fordernden Anforderungen an eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, anknüpft.
Die zulässig angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Das Ergebnis der nachzuholenden Abwägung ist verfassungsrechtlich aber nicht vorgegeben.