Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. März 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 375/21 entschieden, dass zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ein hinreichend gewichtetes Feststellungsinteresse dargelegt werden muss.
Die Beschwerdeführerin wendet sich unter Berufung auf ihr Recht auf prozessuale
Zwar unterlag das Landgericht im Ausgangsverfahren einem error in procedendo. Die Voraussetzungen, nach denen ausnahmsweise von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass der einstweiligen Verfügung abgesehen werden darf, lagen nicht vor.
Die Beschwerdeführerin hat jedoch kein hinreichend gewichtiges Feststellungsinteresse dargelegt.
Nicht jede Verletzung prozessualer Rechte kann unter Berufung auf das Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG im Wege einer auf Feststellung gerichteten Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Vielmehr bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses. Die bloße Geltendmachung eines error in procedendo reicht hierfür nicht aus. Anzunehmen ist ein Feststellungsinteresse jedoch insbesondere dann, wenn eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu befürchten ist, also eine hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen würde. Dafür bedarf es näherer Darlegungen. Ein auf Wiederholungsgefahr gestütztes Feststellungsinteresse setzt voraus, dass die Zivilgerichte die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgenden Anforderungen grundsätzlich verkennen und ihre Praxis hieran unter Missachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht ausrichten.
Demnach hat die Beschwerdeführerin eine Wiederholungsgefahr nicht hinreichend dargelegt.
Sie hat nichts vorgetragen, was darauf schließen ließe, dass die mit kartell- und lauterkeitsrechtlichen Sachverhalten befassten Kammern des Landgerichts die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgenden Anforderungen an die Handhabung des Prozessrechts im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich verkennten und in ständiger Praxis ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin entschieden.
Darüber hinaus ist auch der Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach sich andere Gerichte auf die Rechtssätze des angegriffenen Beschlusses stützen könnten, nicht geeignet, eine Wiederholungsgefahr zu begründen. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die materiell-rechtliche Begründung für den Erlass der einstweiligen Verfügung bezieht, berührt diese nicht die Handhabung des Prozessrechts. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus befürchtet, andere Gerichte könnten in der Handhabung des Prozessrechts der Praxis des Landgerichts in dem Ausgangsverfahren folgen, begründet auch diese Befürchtung kein hinreichend gewichtiges Feststellungsinteresse. Seit der Entscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 – wurde das Recht auf prozessuale Waffengleichheit als verfassungsrechtlicher Grundsatz in ständiger Rechtsprechung zunächst für das Äußerungsrecht, später auch für das Lauterkeitsrecht geklärt. Angesichts dieser Klärung der Rechtslage kann aber davon ausgegangen werden, dass das Recht auf prozessuale Waffengleichheit in einstweiligen Verfügungsverfahren vor den Zivilgerichten grundsätzlich Beachtung findet. Ein gewichtiges Interesse der Beschwerdeführerin an einer Feststellung einer Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit in einem weiteren Einzelfall ist daher nicht ersichtlich.
Zudem fehlt es an der Darlegung eines schweren, grundrechtlich erheblichen Nachteils, der durch die Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO nicht aufgefangen werden könnte.
Dem Schutz des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren wird – systemimmanent – durch die Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ZPO Rechnung getragen: Kommt es infolge der Vollziehung einer von Anfang an ungerechtfertigt erlassenen einstweiligen Verfügung zu Schäden beim Antragsgegner, sind diese vom Antragsteller verschuldensunabhängig zu ersetzen. Ein hinreichend gewichtiges Feststellungsinteresse, das ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts trotz der fehlenden Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs ausnahmsweise erforderlich macht, setzt daher grundsätzlich voraus, dass durch die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung ein schwerer, grundrechtlich erheblicher Nachteil droht, der nicht durch die Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO kompensiert werden kann.
Das ist in den Fällen einer untersagten Presseveröffentlichung regelmäßig aufgrund der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GG geschützten Freiheit der Presseberichterstattung der Fall. Denn bei einem Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache kann eine Veröffentlichung der durch die einstweilige Verfügung untersagten Berichterstattung in aller Regel nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in der ursprünglich intendierten Art und Weise erfolgen.
Dagegen wird in kartell- und lauterkeitsrechtlichen Fällen eine Kompensation nach § 945 ZPO regelmäßig in Betracht kommen. Es bedarf daher in diesen Fällen eines substantiierten Vortrags dazu, dass aus der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung bis zum Abschluss des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens über die fortgesetzte Belastung durch einen einseitig erstrittenen Belastungstitel hinaus irreparable Schäden drohen.
Dem genügt der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht.
Die Beschwerdeführerin hat nichts dazu vorgetragen, dass ihr durch die Reaktivierung des Verkäuferkontos der Antragstellerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache ein irreparabler Schaden entstünde. Allein das Insolvenzrisiko der Antragstellerin, das sie in jedem Fall zu tragen hat, reicht hierfür nicht aus.
Auch soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass ihr durch eine präjudizielle Wirkung der Begründung des angegriffenen Beschlusses ein Schaden entstehen könnte, reicht dies zur Begründung eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses für ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts aufgrund der Handhabung des Prozessrechts im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht aus. Denn es handelt sich hierbei nicht um eine Folge der Vollstreckung der unter Verletzung der prozessualen Waffengleichheit erlassenen einstweiligen Verfügung.