Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 29.04.2022 zum Aktenzeichen 7 U 150/21 entschieden, dass die D&O-Versicherung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG t bei kritischer Medienberichterstattung und auf Grund dessen drohendem karrierebeeinträchtigendem Reputationsschaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kostenumfass. Dies gilt insbesondere auch für eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Der Höhe nach ist der Anspruch aber auf 100.000,- Euro begrenzt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat an seiner in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung (Urteil vom 03.11.2021 – 7 U 96/21) festgehalten.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main Nr. 37/2022 vom 29.04.2022 ergibt sich:
Der Kläger ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG (i.F.: Wirecard). Er nimmt die Beklagte auf Deckung von Public-Relations-Kosten (i.F. PR-Kosten) aus einer D&O-Versicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) in Anspruch, welche die Wirecard bei der Beklagten für ihre Organmitglieder und Leitende Angestellte abgeschlossen hatte.
Gegen den Kläger wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I u.a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das WpHG geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Inzwischen ist Anklage gegen ihn erhoben.
Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Der Kläger beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Die Beklagte lehnte die Deckung u.a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.
Das Landgericht hat die (u.a.) auf Gewährung vorläufiger Deckung für PR-Kosten gerichtete Feststellungsklage durch Urteil vom 20.7.2021 abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf vorläufige Abwehrkosten, wie bereits mit Urteil vom 7.7.2021 (Az. 7 U 19/21) entschieden. Diese umfassten auch den Ersatz von PR-Kosten, soweit der versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe. Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz leer.
Der Höhe nach sei der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten allerdings auf 100.000,- Euro pro versicherter Person und Versicherungsperiode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000,- Euro werde „je versicherter Person und je Versicherungsfall“ auf 100.000,- Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versicherungssumme entgegen zu wirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreise der Versicherten sicherzustellen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt werden.