Kein Anspruch eines nicht selbst buchenden Fluggastes auf Rückerstattung von Flugticketkosten

30. März 2022 -

Das Landgericht Berlin hat am 24.03.2022 zum Aktenzeichen 19 S 9/21 entschieden, dass Fluggäste eines annullierten und daher nicht durchgeführten Fluges gegenüber einer Fluggesellschaft nur dann einen Anspruch auf Rückerstattung der Flugticketkosten gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung geltend machen könnten, wenn sie die Flugtickets selbst bei der Fluggesellschaft gebucht und auch selbst bezahlt hätten. Das Landgericht hat daher die Berufungen eines Fluggastportalbetreibers gegen zwei erstinstanzliche Urteile des AG Wedding zurückgewiesen.

Aus der Pressemitteilung des KG Nr. 11/2022 vom 30.03.2022 ergibt sich:

In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit waren bei der beklagten Fluggesellschaft für fünf Personen für einen Gesamtpreis von 1.008,57 EUR fünf Plätze für einen Hin- und Rückflug von und nach Berlin im Jahre 2020 gebucht und auch bezahlt worden. Der ursprünglich vorgesehene Rückflug von dem spanischen Airport nach Berlin wurde von der beklagten Fluggesellschaft bereits vor dem Hinflug annulliert bzw. auf einen zwei Tage späteren Termin verschoben.

Einer der fünf Fluggäste trat weder den Hin- noch den Rückflug an, ein weiterer der fünf Fluggäste trat den Hinflug nicht an. Beide Fluggäste traten jeweils ihre Ansprüche im Zusammenhang mit der Buchung an die Klägerin ab, die als sog. Legal Tech-Unternehmen abgetretene Ansprüche von Fluggästen geltend macht. Die Klägerin verklagte sodann die Beklagte aus abgetretenem Recht des einen Fluggastes in dem erstinstanzlichen Verfahren 12b C 556/20 vor dem Amtsgericht Wedding auf Zahlung von 201,71 EUR nebst Zinsen und aus abgetretenem Recht des anderen Fluggastes in dem erstinstanzlichen Verfahren 19a C 553/20 vor dem Amtsgericht Wedding ebenfalls auf Zahlung von 201,71 EUR nebst Zinsen. Die Klägerin hat in beiden amtsgerichtlichen Verfahren jeweils nicht vorgetragen, wer von den fünf Personen die fraglichen Flüge gebucht habe, da sie die – zwischen den Parteien streitige – Auffassung vertreten hat, dass den Fluggästen diese Rückerstattungsansprüche zustehen würden und zwar unabhängig davon, wer die Tickets gebucht und bezahlt habe.
Die Abteilungen 12b und 19a des AG Wedding haben die beiden Klagen jeweils als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen jeweils eingelegten Berufungen der Klägerin hat die Zivilkammer 19 des LG Berlin zu einem gemeinsamen Berufungsverfahren verbunden und mit Urteil vom 24.03.2022 jeweils als unbegründet zurückgewiesen. Damit hatte die Klägerin in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Auslegung des Art. 8 Abs.1a der europäischen Fluggastrechteverordnung (Verordnung EG 261/2004) als der hier relevanten Anspruchsgrundlage für die Rückerstattung von Flugticketkosten gegenüber einer Fluggesellschaft zu dem Ergebnis führe, dass Anspruchsinhaber dieses Erstattungsanspruchs (nur) derjenige Fluggast sei, der den Flugschein selbst gebucht und auch bezahlt habe.

So zeige ein systematischer Vergleich des Art. 8 Abs. 1a der europäischen Fluggastrechteverordnungmit Art. 8 Abs. 2 der europäischen Fluggastrechteverordnung, dass Fluggästen die „Erstattung der Flugscheinkosten“ nach der Intention des Verordnungsgebers nur dann zustehen solle, wenn sie Zahlungen aufgrund eines Vertrages geleistet hätten. Ferner solle einem Verbraucher – als Fluggast – nach der Vorstellung des Verordnungsgebers nur dann eine Erstattung zustehen, wenn er auf den zugrundeliegenden Vertrag eine Zahlung geleistet habe. Ein Anspruch des Fluggastes auf Erstattung von Flugscheinkosten unabhängig von einem zugrundeliegenden Vertrag und unabhängig von einer auf diesen Vertrag geleisteten Zahlung des Fluggastes sei aus einem Vergleich mit Art. 8 Abs. 2 der europäischen Fluggastrechteverordnung mithin nicht zu folgern.

Werde dem „nicht selbst buchenden“ Fluggast dagegen kein eigenes Erstattungsrecht aus Art. 8 Abs. 1a der europäischen Fluggastrechteverordnung eingeräumt, wenn die Buchung nicht in seinem Namen erfolgt sei, sondern er den Flugpreis nur an seinen „buchenden“ Vertragspartner, z.B. an ein Reiseunternehmen gezahlt habe, führe das auch nicht dazu, dass dieser Fluggast schutzlos gestellt wäre. Vielmehr stehe diesem Fluggast das (eigene) Recht auf Rückzahlung des Flugpreises aus nationalem Recht gegenüber dem (buchenden) Vertragspartner, z.B. dem Reiseveranstalter, zu.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin hat die Revision zum Bundesgerichtshof mit der Begründung zugelassen, dass die in dem Rechtsstreit zu klärende Frage, ob jeder Fluggast oder nur der buchende und zahlende Fluggast zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aus Art. 8 Abs. 1a der europäischen Fluggastrechteverordnung aktivlegitimiert sei, grundsätzliche Bedeutung habe und bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei.

Eine Revision kann beim Bundesgerichtshof innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.