Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23.01.2018 zum Aktenzeichen B 2 U 8/16 R entschieden, dass ein Schüler auch bei einer vom Lehrer veranlassten Gruppenprojektarbeit, die außerhalb des Schulgeländes stattfindet, versichert ist.
Schüler stehen während des Besuchs allgemeinbildender Schulen unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung.
Im konkreten Fall stürzte ein 15-jähriger Schüler so schwer, dass er nun im Rollstuhl sitzt. Der Unfall erfolgte bei einer schulisch initiierten Gruppenarbeit, die außerhalb des Schulgeländes nach Unterrichtsschluss stattfand. Der Schüler sollte im Musikunterricht gemeinsam mit drei Mitschülern einen Videoclip erstellen. Da die Gruppe im Unterricht mit dem Clip nicht fertig wurde, traf sie sich zu den Dreharbeiten mit Billigung der Musiklehrerin nach Unterrichtsschluss im häuslichen Bereich eines Mitschülers. Bei den Dreharbeiten kam es in der Gruppe zum Streit, sodass der klagende Schüler auf dem Heimweg von einem der Klassenkameraden erheblich verletzt wurde. Die beklagte Unfallkasse lehnte es ab, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil es sich bei den Dreharbeiten um Hausaufgaben gehandelt habe, die grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Eltern fielen.
Die Richter stellten fest, dass der Schüler gesetzlich versichert war.
Nach den Richtern lag bei der Gruppenarbeit keine „Hausaufgabe“ vor, denn die Lehrkräfte haben Schülergruppen aus pädagogischen oder organisatorischen Gründen zusammengestellt und mit einer Aufgabe betraut. Dann setzt sich der Schulbesuch in der Gruppe fort, in der neben fachlichen zugleich auch soziale und affektive Kompetenzen untereinander vermittelt und eingeübt werden sollen. Während schulisch veranlasster Gruppenarbeiten findet für jedes Gruppenmitglied „Schule“ und damit ein „Schulbesuch“ ausnahmsweise an dem Ort und zu dem Zeitpunkt statt, an dem sich die Gruppe zur Durchführung der Projektarbeit trifft.
Denn bei solchen Gruppenarbeiten werden Schüler zur Verwirklichung staatlicher Bildungs- und Erziehungsziele füreinander „in Dienst genommen“, was ihren Unfallversicherungsschutz bei gleichzeitiger Haftungsfreistellung der Mitschüler erfordert und rechtfertigt. Dies gilt umso mehr als das Unfallgeschehen durch einen jugendtypischen Gruppenprozess ausgelöst wurde, dessen Ursache letztlich in der Zusammenstellung der Gruppe durch die Lehrkraft lag.
Als Teil des „Filmteams“, das die Musiklehrerin im Unterricht aus Schülern zusammengestellt hatte, verrichtete der klagende Schüler als „Schauspieler“ am Drehort für die Erstellung des Videoclips versicherte Tätigkeiten im Rahmen eines projektbezogenen Schulbesuchs. Damit war der sich anschließende Heimweg ebenfalls versichert, und der Schüler hat einen von der Wegeunfallversicherung erfassten Schülerunfall erlitten.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt Sie im Schulrecht, Sozialrecht und Sozialversicherungsrecht!