Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 16.02.2022 zum Aktenzeichen 1 C 6.21 entschieden, dass ein an eine Ausweisung anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausländerbehörde auch dann mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen kann, wenn lediglich eine in einem Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorliegt.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Leipzig Nr. 13/2022 vom 16.02.2022 ergibt sich:
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1975 kurz nach seiner Geburt mit seinen Eltern nach Deutschland ein und besaß zuletzt eine Niederlassungserlaubnis. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und zudem Vater von vier Kindern, die deutsche Staatsangehörige sind und aus anderen Beziehungen stammen. Der Kläger wurde zwischen 1996 und 2016 wiederholt strafrechtlich verurteilt, zuletzt im Jahr 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz. Im Juni 2018 wies ihn die beklagte Ausländerbehörde aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und verband dies mit einem dreijährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot. Eine im Mai 2019 verfügte Abschiebungsandrohung wurde nach einem Asylantrag des Klägers von der Beklagten aufgehoben. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im Januar 2020 als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Mit seiner Klage gegen die Ausweisung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot machte der Kläger insbesondere geltend, im Rahmen der Abwägung bei der Ausweisung seien die ihm in seinem Heimatstaat drohende Verfolgungsgefahr sowie die ihm drohende Haft, Folter, Misshandlung und politisch motivierte Strafverfolgung nicht berücksichtigt worden.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers die Begehung weiterer schwerer Betäubungsmitteldelikte durch diesen erwarten lasse und die Ausweisung verhältnismäßig, weil für ein Grundinteresse der Gesellschaft unerlässlich, sei. Für die Prüfung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren in der Türkei sei dabei allein das Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens zuständig. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei ermessensfehlerfrei.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung bekräftigt er seine jüngere Rechtsprechung, dass in die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen sind, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt in einem Asylverfahren vorbehalten sind. Der Auszuweisende hat weder ein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt noch einen Anspruch auf Doppelprüfung.
Das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot erweist sich im Ergebnis ebenfalls als rechtmäßig. Aus der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt, dass auch ein allein an eine Ausweisung geknüpftes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) mit einer Rückkehrentscheidung einhergehen muss. Das Einhergehen setzt voraus, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt objektiv eine Rückkehrentscheidung vorliegt. Eine solche Rückkehrentscheidung kann auch eine im Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung sein.