Gerichtliche Zuständigkeit für Klage auf Entschädigung wegen Flugverspätung

03. Februar 2022 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 03.02.2022 zum Aktenzeichen C-20/21 entschieden, ob im Fall eines einheitlich gebuchten mehrteiligen Fluges die Gerichte am Ort der Zwischenlandung für eine Klage auf Verspätungsentschädigung zuständig sind.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 03.02.2022 ergibt sich:

Drei Fluggäste hatten bei Lufthansa einen Flug von Warschau über Frankfurt am Main nach Male (Malediven) gebucht. Der erste Teilflug, von Warschau nach Frankfurt, wurde von LOT Polish Airlines durchgeführt. Weil der Abflug sich verzögerte, landeten die Fluggäste in Frankfurt mit Verspätung und verpassten ihren von Lufthansa durchgeführten Anschlussflug nach Male, das sie deswegen mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden erreichten.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies ihre Klage gegen LOT auf Zahlung einer Verspätungsentschädigung in Höhe von je 600 Euro (berechnet für die Entfernung Warschau – Male) als unzulässig ab, da es sich nicht für zuständig hielt. Das von den Fluggästen angerufene Landgericht Frankfurt am Main hat den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der sog. Brüssel-I-a-Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit ersucht. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedstaat hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen (Gerichtsstand des Erfüllungsorts; Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich).

Mit seinem Urteil vom 03.02.2022 antwortet der EuGH dem LG Frankfurt am Main wie folgt:

Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der Ankunftsort des ersten Teilflugs nicht als „Erfüllungsort“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn eine auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs[ ] und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung allein durch eine wegen verzögerten Abflugs eingetretene Verspätung dieses Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das mit dessen Durchführung beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet.

Es sei zwar nicht von vornherein auszuschließen, dass aufgrund der spezifischen Klauseln eines Luftbeförderungsvertrags andere Leistungen als die am ersten Abflugort und am Endziel eines mehrteiligen Fluges erbrachten für eine Klage auf Ausgleichszahlung gegebenenfalls die Zuständigkeit anderer Gerichte als derjenigen, in deren Bezirken diese Orte liegen, begründen könnten, und zwar der Gerichte am Ort der Zwischenlandung.

Im vorliegenden Fall führe das Landgericht Frankfurt am Main jedoch nicht an, welche Elemente des Vertrags im Hinblick auf eine sachgerechte Gestaltung des Verfahrens eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem Sachverhalt und seiner Zuständigkeit begründen könnten. Ohne solche Angaben könne „Erfüllungsort“ daher der Abflugort des ersten Teilflugs sein, da dieser einer der Orte sei, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Luftbeförderungsvertrags seien, hauptsächlich erbracht würden.