Das Bundesverfassungsgericht hat am 18.01.2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 1565/21, 1 BvR 2058/21, 1 BvR 2057/21, 1 BvR 2056/21, 1 BvR 2055/21, 1 BvR 2054/21, 1 BvR 2575/21, 1 BvR 2574/21, 1 BvR 1936/21, 1 BvR 1669/21 und 1 BvR 1566/21 insgesamt elf Verfassungsbeschwerden junger Menschen für mehr Klimaschutz durch die Länder abgewiesen: Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich zum Teil gegen bereits bestehende Landesklimaschutzgesetze und zum Teil gegen das Unterlassen einiger Landesgesetzgeber richteten, einen Reduktionspfad für Treibhausgase gesetzlich zu normieren.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 7/2022 vom 01.02.2022 ergibt sich:
Die Grundrechte schützen davor, dass die durch das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG und die grundrechtlichen Schutzpflichten gegen Klimawandelfolgen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG) aufgegebene Treibhausgasminderungslast einseitig auf spätere Zeiträume verlagert wird, wenn dies in der Zukunft zu unverhältnismäßigen Belastungen durch dann erforderliche Klimaschutzmaßnahmen führt. Beschwerdeführende können sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen wenden, die festlegen, welche Gesamtmenge an CO2 in näherer Zukunft emittiert werden darf, wenn die Regelungen eingriffsähnliche Vorwirkung für anschließende Zeiträume entfalten. Eine eingriffsähnliche Vorwirkung setzt voraus, dass der jeweilige Gesetzgeber selbst einem grob erkennbaren Budget insgesamt noch zulassungsfähiger CO2-Emissionen unterliegt. Zur Begründung der Rüge, künftige Freiheit werde unverhältnismäßig beschränkt, muss sich die Verfassungsbeschwerde außerdem grundsätzlich gegen die Regelung der Gesamtheit der gegenwärtig zugelassenen CO2-Emissionen richten, weil regelmäßig nur diese, nicht aber punktuelles Tun oder Unterlassen des Staates die Reduktionlasten insgesamt unverhältnismäßig auf die Zukunft verschieben könnte. Hier fehlt es jedoch bereits an Reduktionsmaßgaben, denen sich wenigstens grob landesspezifische CO2-Restbudgets entnehmen ließen.
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführenden rügen unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 u. a. – Klimaschutz – die Verletzung von Grundrechten in ihrer die Freiheit über die Zeit sichernden Dimension sowie teilweise eine Verletzung von Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführenden sind überwiegend Minderjährige und junge Erwachsene. Sie machen geltend, ihre künftige Freiheit werde nicht hinreichend geschützt, weil enorme CO2-Reduktionslasten auf sie zukommen könnten, ohne dass die Landesgesetzgeber die erforderlichen Maßnahmen getroffen hätten, um die Belastung einzudämmen.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.
- Es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Regelungen des Landesrechts gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung verstoßen, grundrechtsgeschützte Freiheit über die Zeit zu sichern und verhältnismäßig zu verteilen.
Die Beschwerdeführenden können sich gegen Regelungen wenden, die festlegen, welche Menge an CO2 in näherer Zukunft insgesamt emittiert werden darf, wenn dadurch für anschließende Zeiträume grundrechtlich geschützte Freiheit eingriffsähnlich eingeschränkt wird, indem schon jetzt – nicht bloß faktisch, sondern auch rechtlich vorwirkend – über künftig unausweichliche Grundrechtsrestriktionen in Gestalt dann erforderlicher staatlicher Klimaschutzmaßnahmen mitbestimmt wird. Die Verfassungsbeschwerde muss sich dabei grundsätzlich gegen die Gesamtheit der durch den adressierten Gesetzgeber zugelassenen Emissionen richten, weil regelmäßig nur diese, nicht aber punktuelles Tun oder Unterlassen des Staates die Reduktionlasten unverhältnismäßig auf die Zukunft verschieben könnte. Inwiefern es sich bei den angegriffenen Landesregelungen um solche gesamthaften Regelungen handelt, kann dahinstehen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Regelungen eingriffsähnliche Vorwirkung entfalten. Das setzte voraus, dass die mit den Verfassungsbeschwerden adressierten Gesetzgeber selbst jeweils einem grob erkennbaren Budget insgesamt noch zulassungsfähiger CO2-Emissionen unterlägen. Nur dann zögen die hier angegriffenen Landesregelungen im Anschluss an den geregelten Zeitraum rechtlich zwangsläufig jeweils eine bestimmte Emissionsreduktionslast und damit verbundene Freiheitsbeschränkungen nach sich. Den einzelnen Landesgesetzgebern ist jedoch keine wenigstens grob überprüfbare Gesamtreduktiongröße vorgegeben, die sie – auch auf Kosten grundrechtlich geschützter Freiheit – einzuhalten hätten. Eine solche landesspezifische Reduktionsmaßgabe ist derzeit weder dem Grundgesetz noch dem einfachen Bundesrecht zu entnehmen.
- Eine Verletzung der gegenüber den Beschwerdeführenden bestehenden Schutzpflichten vor den Gefahren des Klimawandels aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG kann nach der Entscheidung des Senats angesichts der bereits existierenden gesetzlichen Regelung auf Bundesebene derzeit nicht festgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass das Fehlen eines Landesklimaschutzgesetzes hieran etwas ändern könnte.