Der Europäische Gerichtshof hat am 20.01.2022 zum Aktenzeichen C-51/20 Griechenland verurteilt, einen Pauschalbetrag von 5,5 Mio. Euro und ein Zwangsgeld von mehr als 4 Mio. Euro pro Halbjahr des Verzugs zu zahlen, da dieser Mitgliedstaat die Larco gewährten staatlichen Beihilfen nicht zurückgefordert hat.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 8/22 vom 20.01.2022 ergibt sich:
Der Gerichtshof hatte bereits mit einem Urteil aus dem Jahr 2017 eine Vertragsverletzung Griechenlands festgestellt.
Die Larco General Mining & Metallurgical Company S.A. (im Folgenden: Larco) ist ein griechisches Bergbau- und Metallunternehmen, das auf die Gewinnung und die Verarbeitung von Lateriterz, den Abbau von Braunkohle und die Herstellung von Ferronickel spezialisiert ist.
Im März 2013 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren im Hinblick auf die verschiedenen Beihilfen ein, die Griechenland zugunsten von Larco gewährt hatte, u. a. die für die Jahre 2008, 2010 und 2011 gewährten staatlichen Garantien sowie eine Kapitalerhöhung im Jahr 2009. Im März 2014 stellte sie fest1, dass diese Beihilfen rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien und sie zurückgefordert werden müssten.
In der Zwischenzeit hatte Griechenland die Kommission über seine Absicht informiert, bestimmte Vermögenswerte von Larco im Wege zweier gesonderter Ausschreibungen zu veräußern. Nach Abschluss der beiden Ausschreibungsverfahren werde Larco unabhängig von deren Ausgang dem Insolvenzverfahren gemäß den nationalen Rechtsvorschriften unterworfen, und ihre restlichen Vermögenswerte würden im Rahmen des Liquidationsverfahrens veräußert. Die Kommission stellte fest, dass zum einen diese Veräußerung keine staatliche Beihilfe darstelle und zum anderen die Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfen nicht auf die neuen Eigentümer dieser Vermögenswerte übertragen werde.
Da sie der Ansicht war, dass Griechenland seinen Verpflichtungen aus dem Beschluss von 2014 nicht nachgekommen sei, erhob die Kommission im Jahr 2016 eine erste Vertragsverletzungsklage gegen diesen Mitgliedstaat beim Gerichtshof. Mit Urteil vom 9. November 20172 entschied der Gerichtshof, dass Griechenland seine Pflicht zur Rückforderung der rechtswidrigen und mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen verletzt hatte.
Da die Kommission der Auffassung war, dass Griechenland dieses Urteil noch immer nicht durchgeführt habe, hat sie am 29. Januar 2020 die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben. Im Rahmen dieser zweiten Klage hat sie beantragt, diesen Mitgliedstaat zur Zahlung eines Pauschalbetrags sowie eines Zwangsgelds zu verurteilen.
Im Februar 2020 entschied Griechenland dann, Larco aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten einem Sonderverwaltungsverfahren3 zu unterwerfen.
Nach Ansicht der Kommission hat Griechenland erst nach dem 29. Januar 2020, dem Tag der Erhebung der zweiten Vertragsverletzungsklage durch die Kommission, Maßnahmen zur Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfen erlassen. Im Übrigen habe die Vertragsverletzung zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof angedauert.
Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass Griechenland seine Pflicht verletzt hat, bis zum 25. März 2019 (dem Ablauf der von der Kommission im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist) alle Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil von 2017 ergeben, und dass die Vertragsverletzung bis zur Prüfung des Sachverhalts des konkreten Falls durch den Gerichtshof fortgedauert hat.
Zunächst weist der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung hin, wonach der Mitgliedstaat, an den ein Beschluss der Kommission gerichtet ist, der ihn zur Rückforderung rechtswidriger, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärter Beihilfen verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Durchführung dieses Beschlusses sicherzustellen. Er muss die geschuldeten Beträge tatsächlich wiedererlangen, um die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit diesen Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten oder in der Insolvenz befindet, lässt die Pflicht zur Rückforderung rechtswidrig gezahlter Beihilfen unberührt. Die Beseitigung der aus diesen Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung kann im Rahmen des Insolvenzverfahrens grundsätzlich durch Eintragung der Forderung auf Rückerstattung der in Rede stehenden Beihilfen in die Forderungstabelle erfolgen. Mit einer solchen Eintragung kann diese Pflicht jedoch nur dann erfüllt werden, wenn in dem Fall, dass die Behörden die Beihilfen nicht in voller Höhe zurückfordern konnten, das Insolvenzverfahren zur endgültigen Einstellung der Tätigkeit des durch die Beihilfen begünstigten Unternehmens führt. Die endgültige Einstellung der Tätigkeiten des von einer staatlichen Beihilfe begünstigten Unternehmens ist daher nur dann geboten, wenn die Rückforderung der Beihilfe in voller Höhe während des Insolvenzverfahrens unmöglich war.
Im vorliegenden Fall weist der Gerichtshof darauf hin, dass Griechenland erst nach dem 29. Januar 2020, dem Tag der Erhebung der vorliegenden Klage, Maßnahmen zur Rückforderung der fraglichen Beihilfen erlassen hat. Die Unterwerfung von Larco unter das Sonderverwaltungsverfahren erfolgte im Februar 2020, d. h. fast ein Jahr nach Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist. Außerdem hat die Kommission Larco im März 2020 aufgefordert, einen Betrag in Höhe der in Rede stehenden Beihilfen zu zahlen, und im Mai 2020 die Rückforderung des Gesamtbetrags dieser Beihilfen angeordnet. Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass die Vertragsverletzung zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts angedauert hat.
Unter diesen Umständen hält es der Gerichtshof für angemessen, finanzielle Sanktionen in Form eines halbjährlichen Zwangsgelds gegen Griechenland zu verhängen, um die vollständige Durchführung des Urteils von 2017 zu gewährleisten und um es der Kommission zu ermöglichen, die Fortschritte bei der Durchführung dieses Urteils zu beurteilen. Im Übrigen hält es der Gerichtshof für erforderlich, einen Pauschalbetrag als abschreckende Maßnahme zu verhängen, um zukünftige ähnliche Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern.
Bei der Festsetzung der Höhe der Sanktionen berücksichtigt der Gerichtshof die Schwere des Verstoßes, seine Dauer und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats. Was die Schwere des Verstoßes betrifft, ist auf die zentrale Stellung der Bestimmungen des AEU-Vertrags über staatliche Beihilfen, die beachtliche Höhe der nicht zurückgezahlten Beihilfe (die sich am 14. Mai 2020 auf 160 Mio. Euro belief) und die Tatsache hinzuweisen, dass der Markt für Ferronickel grenzüberschreitend ist. Der Gerichtshof stellt außerdem ein wiederholtes rechtswidriges Verhalten Griechenlands im Bereich der staatlichen Beihilfen fest4. Die Dauer des Verstoßes ist erheblich, es handelt sich um mehr als vier Jahre seit dem ersten Urteil des Gerichtshofs. Zur Beurteilung der Zahlungsfähigkeit Griechenlands stützt sich der Gerichtshof als vorrangigen Faktor auf dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im Übrigen kommt es für die Festsetzung hinreichend abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen nicht auf das institutionelle Gewicht an, das in der Anzahl der Stimmen zum Ausdruck kommt, über die dieser Mitgliedstaat im Europäischen Parlament verfügt.
Folglich verurteilt der Gerichtshof Griechenland, zugunsten des Haushalts der Union einen Pauschalbetrag von 5 500 000 Euro sowie für jedes Halbjahr, um das sich die Umsetzung der sich aus dem Urteil von 2017 ergebenden erforderlichen Maßnahmen ab heute verzögert, ein Zwangsgeld von 4 368 000 Euro zu zahlen.
1 Beschluss 2014/539/EU der Kommission vom 27. März 2014 über die staatliche Beihilfe SA.34572 (13/C) (ex 13/NN) Griechenlands zugunsten der Larco General Mining & Metallurgical Company S.A. (ABl. 2014, L 254, S. 24). Dieser Beschluss wurde mit Urteil des Gerichts vom 1. Februar 2018, Larko/Kommission, T-423/14, bestätigt. Der Gerichtshof hat die Entscheidung des Gerichts jedoch mit seinem Urteil vom 26. März 2018, C-244/18 P, teilweise aufgehoben. Diese Rechtssache, die an das Gericht zurückverwiesen wurde, ist noch anhängig (T-423/14 RENV).
2 Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 2017, Kommission/Griechenland, C-481/16.
3 Es handelt sich dabei um ein spezielles Insolvenzverfahren, in dessen Rahmen der Sonderverwalter die Vermögenswerte des betreffenden Unternehmens rasch veräußert und eine öffentliche Ausschreibung organisiert, um eine Wertminderung der Vermögenswerte zu vermeiden. Die Eintragung in die Forderungstabelle erfolgt nicht vor der Liquidation des Unternehmens, sondern nach der Veräußerung seiner Vermögenswerte.
4 Griechenland ist u. a. zum einen im Rahmen von Klagen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV wegen der Nichtdurchführung von Entscheidungen über die Rückforderung von Beihilfen in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 1. März 2012, Kommission/Griechenland, C-354/10, vom 28. Juni 2012, Kommission/Griechenland, C-485/10, vom 17. Oktober 2013, Kommission/Griechenland, C-263/12, und vom 17. Januar 2018, Kommission/Griechenland, C-363/16, ergangen sind, und zum anderen im Rahmen einer Klage nach Art. 228 Abs. 2 Unterabs. 3 EG in der Rechtssache, in der das Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland, C-369/07 (siehe Pressemitteilung Nr. 59/09) ergangen ist, verurteilt worden.