Das Landgericht Koblenz hat am 18.11.2021 zum Aktenzeichen 10 O 123/21 entschieden, ob das Militärhistorische Museum der Bundeswehr das Familienarchiv einer in der NS-Zeit wegen ihres Glaubens verfolgten Familie an die Glaubensgemeinschaft herausgeben werden muss.
Aus der Pressemitteilung des LG Koblenz vom 18.01.2022 ergibt sich:
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Glaubensgemeinschaft. Beklagt war die Bundesrepublik Deutschland, die das Militärhistorische Museum der Bundeswehr führt. Zwei der Glaubensgemeinschaft angehörende Brüder waren während der NS-Zeit hingerichtet worden, weil sie aus Glaubensgründen den Wehrdienst verweigert hatten. Diese und weitere Geschehnisse dokumentierte eine Schwester der Hingerichteten in einem umfangreichen Familienarchiv. Sie verfügte, dass die Unterlagen nach ihrem Tode der Glaubensgemeinschaft zukommen sollten.
Als sie im Jahr 2005 starb, befand sich das Archiv im Besitz eines weiteren Bruders, der ein Buch über das Schicksal seiner Familie veröffentlicht hatte. Von ihm kaufte die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 die Unterlagen für die Sammlung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr zum Preis von 4.000,– € an. In dem Kaufvertrag versicherte der Verkäufer ausdrücklich, Eigentümer des Archivs zu sein. Auch er ist inzwischen verstorben.
Die Klägerin meinte, die Beklagte könne nicht Eigentümerin des Familienarchivs geworden sein. Der Bruder sei nicht zum Verkauf berechtigt gewesen. Der Wille der Verfasserin, dass die Dokumente im Besitz der Glaubensgemeinschaft bleiben sollten, sei zu respektieren. Die Beklagte müsse daher das Archiv wieder herausgeben.
Die Entscheidung:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Beklagte habe gutgläubig das Eigentum an dem Archiv erworben und sei daher nicht zur Herausgabe verpflichtet. Auch ein Nichteigentümer könne eine Sache wirksam veräußern, wenn der Käufer ihn für den Eigentümer halten dürfe. Die Beklagte habe darauf vertrauen können, dass der Verkäufer selbst Eigentümer des Familienarchivs war. Sie habe als Betreiberin des Museums keinerlei Anhaltspunkte für das Gegenteil gehabt. Der Verkäufer sei als Eigentümer aufgetreten und ihr von der Klägerin selbst als Ansprechpartner für die Familiengeschichte benannt worden. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte vor dem Ankauf nicht von sich aus weitere Nachforschungen zu den Hintergründen der zu erwerbenden Museumsstücke anstellen müssen.
Zwar sei ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, wenn die Sache dem wahren Eigentümer abhanden gekommen sei, er den Besitz also nicht freiwillig verloren habe. Es sei aber von der Klägerin zu beweisen, dass der Verkäufer das Archiv ohne Zustimmung seiner Schwester an sich genommen habe. Die Klägerin habe diesen Beweis nicht erbracht. Vielmehr sei nach der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Verkäufer das Familienarchiv mit Zustimmung der Verfasserin, seiner Schwester, aufbewahrte.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.