Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 17.02.2021 zum Aktenzeichen 3 Sa 815/20 entschieden, dass der durch die Inanspruchnahme einer marginalen Arbeitszeitreduzierung von 0,13 % (3 Minuten pro
Woche) ausgelöste Anspruch auf Zahlung aus einem Zeitwertguthaben nicht in die Berechnungsgrundlage einer Abfindungszahlung miteinbezogen.
Denn damit nutzt der Kläger sinn und zweckwidrig und in unredlicher Weise eine formale Rechtsposition aus und handelt rechtsmissbräuchlich.
Eine Rechtsausübung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt und sie lediglich als Vorwand zur Erreichung vertragsfremder Zwecke dient (LAG Köln, Urteil vom 12.03.2020 – 8 Sa 378/19, juris). Dementsprechend ist es mit Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB nicht vereinbar, eine unredlich erworbene Rechtsposition oder eine formale Rechtsposition im Widerspruch zu den zugrunde liegenden vertraglichen Beziehungen auszunutzen (BAG, Urteil vom 21.09.2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358). Oder anders formuliert: Grundsätzlich nicht schutzwürdig nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtstellungen. Deshalb kann ihnen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BAG, Urteil vom 25.10.18 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527; BAG, Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 406/14, AP Nr. 22 zu § 15 AGG).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht auch insoweit zutreffend vorliegend ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers bejaht. Der Kläger hat ein KLAZ-Guthaben durch zwei Einmalzahlungen am 27.10.2016 sowie am 30.05.2017 in Höhe von insgesamt 8.000,00 EUR im Wege der Entgeltumwandlung aus seinem regelmäßigen Bruttomonatsentgelt aufgebaut. Bereits zuvor, am 02.08.2016, hatte er die Zusage erhalten, dass er auf seinen Antrag vom 01.07.2016 an dem Freiwilligenprogramm teilhaben könne. Mithin stand für den Kläger bereits vor der ersten Einmalzahlung fest, dass er mit einem Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung nach den Regelungen der BV Freiwilligenprogramm aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden konnte. Dass er diese arbeitgeberseitige Zusage erst am 25.04.2017 und somit nach der ersten Einmalzahlung förmlich angenommen hat, ist rechtlich ohne Relevanz. Gleichzeitig kannte der Kläger sowohl die Regelungen zur Berechnung der Abfindung nach der BV Freiwilligenprogramm, als auch die Konditionen des KLAZ-Programms nach der Konzernbetriebsvereinbarung Zeitwertkonto (BV-KLAZ). Letztere ermöglicht nach Ziffer VI Abs. 1 BV-KLAZ die Auszahlung des Wertguthabens unter anderem im Fall der Teilzeit, um dem Arbeitnehmer die Finanzierung des entsprechenden Zeitraums zu ermöglichen. Mit anderen Worten: Mit Hilfe der vorgenannten Regelung soll die durch die Teilzeit entstehende Einkommensminderung soweit wie möglich ausgeglichen werden.
Der Kläger erfüllt formal die Voraussetzungen nach der BV-KLAZ für eine Inanspruchnahme des Wertguthabens, da er seine Arbeitszeit reduziert hat, also sein Vollzeitarbeitsverhältnis in ein Teilzeitarbeitsverhältnis geändert hat. Eine weitere Anspruchsvoraussetzung verlangt die BV-KLAZ nicht. Allerdings gilt das nur bei formaler Betrachtung des Sachverhalts. Denn zum einen fehlt es bereits an einer Teilzeit im Sinne der BV-KLAZ. Der Kläger hat seine Arbeitszeit lediglich um 0,13 % und damit um drei Minuten pro Woche reduziert. Eine derart geringfügige Arbeitszeitreduzierung stellt keine Teilzeit im Sinne der BV-KLAZ dar, denn sie ist aufgrund ihrer Geringfügigkeit im normalen Arbeitsalltag überhaupt nicht wahrnehmbar. Offensichtlich dient die formale Reduzierung der Arbeitszeit ausschließlich der Auslösung des Anspruchs nach Ziffer VI Abs. 1 BV-KLAZ auf Auszahlung des Gutachtens. Damit nutzt der Kläger sinn- und zweckwidrig und damit in unredlicher Weise eine formale Rechtsposition aus. Das wird umso deutlicher, wenn man die Höhe der monatlichen Bruttoentgeltsteigerung mit dem Verdienstverlust durch die Arbeitszeitreduzierung um 0,13 % vergleicht. Hier stehen einer Reduzierung des monatlichen Bruttoeinkommens um 5,68 EUR monatliche Zahlungen aus dem KLAZ-Guthaben in Höhe von 879,77 EUR gegenüber. Dass diese Zahlung nicht dem Ausgleich des teilzeitbedingten Einkommensverlusts dient, ist offensichtlich. Es liegt eine Überkompensation um das 155-Fache vor. Der Sachverhalt ist vergleichbar mit einer Entscheidung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2013. Gegenstand der Entscheidung war ein Teilzeitbegehren eines Piloten bezogen auf eine blockweise Freistellung jeweils vom 22.12. bis zum 02.01. des Folgejahres, was einem Teilzeitumfang von 3,29 % (also dem etwa 25-fachen Umfang der vorliegenden Teilzeit des Klägers) entsprach. Auch dort hat das Bundesarbeitsgericht das formale Teilzeitbegehren bereits aufgrund seiner Geringfügigkeit als rechtsmissbräuchlich erachtet (BAG, Urteil vom 11.06.2013 – 9 AZR 786/11, NZA 2013, 1074). Umso mehr muss dies im vorliegenden Fall gelten.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte dem Teilzeitantrag des Klägers nicht entgegengetreten ist, sondern der Teilzeit zugestimmt hat. Dies ist für die rechtliche Qualifizierung des klägerischen Verhaltens ohne rechtliche Relevanz. Das Gleiche gilt für den Einwand des Klägers, die Inanspruchnahme des monatlichen Auszahlungsbetrages aus dem KLAZ-Programm habe seinen Arbeitslosengeldanspruch um ca. 253,00 EUR monatlich erhöht und sei daher für ihn von Nutzen. Die erkennende Kammer lässt ausdrücklich dahingestellt, ob eine solche gezielte Steuerung des monatlichen Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch eine vorübergehende Erhöhung des monatlichen Bruttoentgelts durch Auszahlung eines vorher im Wege der Entgeltumwandlung eingezahlten Guthabens mit Sinn und Zweck des Arbeitslosengeldes als Sozialleistung vereinbar ist. Jedenfalls ist die sozialrechtliche Würdigung ohne rechtlichen Einfluss auf die Frage der arbeitsrechtlichen Rechtsmissbräuchlichkeit des klägerischen Vorgehens.