Schadensersatzanspruch bei Nichtberücksichtigung einer Bewerbung

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 17.02.2021 zum Aktenzeichen 3 Sa 746/20 entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtberücksichtigung der Bewerbung voraussetzt, dass die Stelle bei ordnungsgemäßer Auswahl dem klagenden Bewerber hätte übertragen werden müssen. Zusätzlich darf es der Bewerber nicht unterlassen haben, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren.

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadenersatz nach einer gescheiterten Bewerbung geltend.

Die Beklagte hat mit einer Bewerbungsfrist zum 28.06.2019 eine Stellenausschreibung für mehrere Volljuristinnen und -juristen als Referentinnen und Referenten veröffentlicht. Als zwingendes Anforderungskriterium verlangte sie dabei unter anderem mindestens die Note „befriedigend“ im ersten und zweiten Staatsexamen. Die im Jahr 1965 geborene Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 24.06.2019 auf die Stellenausschreibung. Sie hat in B das erste Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ und das zweite Staatsexamen mit der Note „ausreichend“ absolviert.

Mit Schreiben vom 18.10.2019 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Absage auf ihre Bewerbung und führte aus, die Bewerbung habe sich im Vorauswahlverfahren nicht durchsetzen können. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.11.2019 machte die Klägerin einen „unmittelbaren Anspruch auf Einstellung“ geltend und begehrte jedenfalls eine Neubescheidung der Bewerbung, bei der zu beachten sein dürfte, dass das starre Anforderungskriterium der Note „befriedigend“ ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Wertigkeiten der Abschlüsse im bundesweiten Vergleich nicht zulässig sei. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 25.11.2019, dass sie das Auswahlverfahren für rechtmäßig halte, das gegenständliche Auswahlverfahren abgeschlossen sei und sämtliche Stellen besetzt worden seien. Die Klägerin hat daraufhin am 17.12.2019 die vorliegende Klage eingereicht.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Auswahlkriterium der Mindestnote „befriedigend“ kein angemessenes Kriterium zur Bestenauslese sei. Sie hat behauptet, dass es zwischen den einzelnen Bundesländern erhebliche Unterschiede in der Benotung der Staatsexamina gäbe, so dass eine einheitliche Notengrenze ermessensfehlerhaft sei. Vielmehr seien Ausgleichmechanismen notwendig, um die unterschiedliche Beurteilung auszugleichen. Dies habe die Beklagte unterlassen.

Ein übergangener Bewerber kann Schadenersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren (BAG, Urteil vom 28.01.2020 – 9 AZR 91/19, NZA 2020, 582).

Vorliegend fehlt es bereits an der zweiten o. g. Anspruchsvoraussetzung, denn die Klägerin hat es unterlassen, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung ihrer Stellenbewerbung gerichtlich vorzugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trifft den Dienstherrn eine Pflicht zur Mitteilung der Auswahlentscheidung an die abgelehnten Bewerber im Hinblick auf die Möglichkeit einer Offenhaltung der Stelle durch einen vorläufigen Rechtsschutzantrag (BVerfG, Beschluss vom 19.09.1989 – 2 BvR 1567/88, NJW 1990, 501; BVerfG, Beschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178). Dabei gilt nach der Rechtsprechung eine zweiwöchige Wartezeit, um dem abgelehnten Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, einen Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, weil nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes besteht (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.02.2020 – 7 Sa 1305/19, juris; BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16/09, NJW 2011, 695 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.10.2019, das ihr am 22.10.2019 zugegangen ist, über die Ablehnung ihrer Bewerbung informiert. Die Klägerin hätte demnach bis spätestens 05.11.2019 ihren Bewerbungsverfahrensanspruch im wegen des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen müssen. Dies hat sie nicht getan und stattdessen eine Woche später mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten eine Neubescheidung ihrer Bewerbung begehrt. Dass sich ihr Prozessbevollmächtigter zwischenzeitlich bis zum 29.10.2019 im privaten Urlaub befand ist dabei rechtlich ebenso unerheblich wie ihr Einwand, es sei nicht absehbar gewesen, dass die Beklagte das Bewerbungsverfahren so schnell abschließen würde. Beiden Einwänden steht die oben dargestellte allgemein bekannte zweiwöchige Frist entgegen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin stellt des Weiteren auch die von der Beklagten ihrer Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Notengrenze kein unzulässiges Auswahlkriterium dar. Die erkennende Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498; BAG, Urteil vom 07.04.2011 – 8 AZR 679/09, NZA-RR 2011, 494). In der erstgenannten Entscheidung hat der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich klargestellt, dass der öffentliche Arbeitgeber in jedem Fall berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet ist, nur die von der Examensnote her besten Bewerber in die engere Auswahl einzubeziehen. Das gebietet die nach Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmende Bestenauslese. Dabei braucht hierauf in der Stellenausschreibung nicht einmal ausdrücklich hingewiesen zu werden. Die Klarstellung in der streitgegenständlichen Ausschreibung ist allerdings unschädlich. Dies entspricht auch der Rechtsprechung mehrerer Instanzgerichte, unter anderem der erkennenden Kammer (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 27.11.2014 – 9 Sa 577/14, juris; LAG Saarland, Urteil vom 03.12.2008 – 1 Sa 71/08, juris; LAG Köln, Urteil vom 23.01.2013 – 3 Sa 686/12, juris). Die erkennende Berufungskammer sieht auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen. In ihrem in der Berufungsbegründung wörtlich wiederholten Vortrag aus der ersten Instanz spricht sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die Verfahrensweise in Bayern für eine Umrechnung länderfremder Examensnoten dergestalt aus, dass der mündliche und schriftliche Teil der Note jeweils mit derselben Prozentzahl bewertet werden. Dabei unterliegt sie jedoch dem Fehlschluss, dass selbst eine unterstellte Rechtmäßigkeit einer derartigen Vorgehensweise nicht automatisch die Rechtswidrigkeit bzw. Unzulässigkeit der gegenteiligen, starren Notenberücksichtigung zur Folge hat. Zur erfolgreichen Klageführung bedarf gerade Letztere der positiven Begründung. Genau hieran fehlt es jedoch.