Verhaltensbedingte Kündigung wegen Beleidigung (Hitlervergleich) & Bedrohung

06. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 06.11.2020 ­zum Aktenzeichen 10 Sa 280/19 entschieden, dass es einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellt, wenn ein Arbeitnehmer seinen Geschäftsfüh­rer beleidigt, indem er äußert, im Betrieb der Beklagten herrsche ein Hitlerregime und der Geschäftsführer sei wie Hitler und wolle „schwarze Köpfe“ ausmerzen.

Der Arbeitnehmer ist bei der Empfangnahme der ordentlichen Kündigung sehr laut geworden, und hat den Geschäftsführer des Arbeitgebers mit erhobenem Zeigefinger beschimpft und dabei erregt diesem zugerufen, er sei wie Hitler und beabsichtige, alle schwarzen Köpfe im Betrieb auszumerzen. Der Kläger habe darauf beharrt, die Quittierung der Entgegennahme des Kündigungsschreibens abzulehnen. Er habe den Geschäftsführer mit dem Zeigefinger an der Schulter berührt und dabei erklärt, er werde wiederkommen und seinen Kindern zeigen, wer verantwortlich sei, dass diese keine Brötchen mehr auf dem Tisch hätten. Er habe dabei bedrohlich arabische Verse ausgestoßen. Der Kläger habe beide Fäuste erhoben und gedroht, auf den Geschäftsführer loszugehen. Der Zeuge N sei dann dazwischen gegangen und habe den Kläger aus dem Raum gebracht. Er habe dabei den Kläger auf die Kündigungsfrist gemäß der ordentlichen Kündigung hingewiesen und ihn angewiesen, auf die ihm zugewiesene Baustelle zu fahren. Daraufhin habe der Kläger geäußert, dass er nirgendwo hinfahre. Der Zeuge N habe den Kläger zwei- bis dreimal zur Arbeitsaufnahme aufgefordert, was der Kläger abgelehnt habe. Der Kläger habe das Kündigungsschreiben an sich genommen und sei dann die Treppe vom Geschäftsführerbüro hinuntergegangen und habe den unten anwesenden Arbeitskollegen erklärt, dass die Beklagte ihn kündigen wolle und er weg sei. Die streitgegenständlichen Abmahnungen seien aus dem in den Abmahnungsschreiben zutreffend geschilderten Sachverhalten gegenüber dem Kläger berechtigterweise erfolgt.

Beleidigungen und Bedrohungen des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber stellen gravierende Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten dar und sind ohne Weiteres geeignet, einen wichtigen Grund an sich zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (vgl. BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 47/16 -; Urteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 – ).

Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist ein hinreichend wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers gemäß § 626Abs. 1 BGB anzunehmen.

Im Rahmen der Gesamtabwägung war auf Seiten des Klägers dessen langandauernde Betriebszugehörigkeit im Betrieb der Beklagten seit August 1999 zu berücksichtigen. Zudem waren das Lebensalter des Klägers, der im Zeitpunkt der Kündigung im Juli 2018 47 Jahre alt war, seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinen vier Kindern in Rechnung zu stellen. Demgegenüber stehen allerdings die massiven Pflichtverletzungen des Klägers anlässlich des Personalgesprächs vom 16.07.2018, da der Kläger nach den Feststellungen aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahmen erster und zweiter Instanz den Beklagtengeschäftsführer beleidigt hat, indem er geäußert hat, im Betrieb der Beklagten herrsche ein Hitlerregime und der Geschäftsführer wolle „schwarze Köpfe“ ausmerzen, wobei er den Geschäftsführer mit Hitler verglichen habe. Im Gesamtkontext stellt sich nach der Aussage des Zeugen N das aufbrausende Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seiner Äußerung, er werde mit seinen Kindern in den Betrieb kommen, damit sie sehen könnten, wer dafür verantwortlich sei, dass sie nichts zu essen hätten, zudem als bedrohliche Handlung gegenüber dem Geschäftsführer dar. Diese Entgleisungen des Klägers sind als schwerwiegend anzusehen, sodass das Beendigungsinteresse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis auch ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Bestandsinteresse des Klägers überwiegt.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert im vorliegenden Fall nicht den Ausspruch einer vorangegangen einschlägigen Abmahnung. Dies ist mit Rücksicht auf das Schwergewicht der Pflichtverletzung des Klägers anlässlich des Personalgesprächs vom 16.07.2018 und der dabei von ihm ausgesprochenen Beleidigungen und der Bedrohung des Geschäftsführers nicht anzunehmen.