Schaden bei Verlust einer Sache sind objektive Eigenschaften

29. Dezember 2021 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 09.11.2021 zum Aktenzeichen VI ZR 87/20 entschieden, dass es für die Bemessung des Schadens bei Verlust einer Sache auf deren objektive Eigenschaften ankommt (hier: Wiederbeschaffungswert bei Verlust eines Pferdes)

Die Klägerin nimmt den Beklagten nach tierärztlicher Behandlung eines Wettkampfpferdes auf Schadensersatz in Anspruch. Das Pferd der Klägerin starb nach einer vom Beklagten durchgeführten homöopathischen Eigenblutbehandlung.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 250.000 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Senat die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts beschränkt auf die Höhe des geltend gemachten Anspruchs zugelassen. Im Übrigen hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision seinen Berufungsantrag weiter mit der Maßgabe, die Klageforderung abzuweisen, soweit sie 50.000 € als Schadensersatz für den Verlust des Pferdes übersteigt.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.

Dies ist hier der Fall. Die Behauptung des Beklagten, dass das Pferd für eine anaphylaktische Reaktion anfällig gewesen sei und deshalb dessen Wert gemindert habe, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb unerheblich, weil dieser Umstand bis zum Auftreten einer derartigen Reaktion nicht bekannt gewesen wäre und von Marktteilnehmern nicht hätte berücksichtigt werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schadensersatz für den Verlust des Pferdes auf Grundlage des § 249 BGB oder des § 251 Abs. 1 BGB zu bemessen ist. Daher kann offenbleiben, welche Art der Schadensbemessung den Erwägungen des Berufungsgerichts zugrunde liegt.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Gläubiger statt der Wiederherstellung des früheren Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei Verlust oder Zerstörung einer Sache kann er als Naturalrestitution den für die Beschaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies gilt grundsätzlich auch bei Tötung eines Tieres (§ 90a Satz 3 BGB; vgl. Palandt/Grüneberg, 80. Aufl., § 249 Rn. 20). Der Beurteilung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit sind die objektiv vorliegenden Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen.

Sollte die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Pferdes nicht möglich sein, hätte die Klägerin nach § 251 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz der durch den Tod ihres Pferdes eingetretenen Vermögenseinbuße (Kompensation). Wenn sich der Schaden im Verlust einer Sache konkretisierte, ist deren Verkehrswert zu ermitteln. Soweit ein Markt für die zu ersetzende Sache vorhanden ist, ist der Preis, der durch Angebot und Nachfrage gebildet wird und der im Allgemeinen der Wiederbeschaffungswert ist, ein geeigneter Anknüpfungspunkt, den wirtschaftlichen Wert der Sache in Gestalt des Tauschwerts in Geld zu bemessen. Auch insoweit sind die objektiv vorliegenden Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen.

Demgegenüber kommt es nicht darauf an, wem wann welche Eigenschaften des Pferdes bekannt waren. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts könnte dazu führen, dass der Schadensberechnung ein höherwertigeres und wertvolleres Pferd als dasjenige der Klägerin zugrunde gelegt und die Klägerin objektiv wirtschaftlich besser gestellt würde, als sie ohne das schädigende Ereignis stände.