Verbot eines Redners auf einer Versammlung war rechtmäßig

16. Dezember 2021 -

Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 07.12.2021 zum Aktenzeichen 10 A 5739/19 im schriftlichen Verfahren – die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet – eine versammlungsrechtliche Klage des NPD Unterbezirks Braunschweig (Kläger zu 1.) sowie seines stellvertretenden Vorsitzenden (Kläger zu 2.) abgewiesen.

Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 15.12.2021 ergibt sich:

Im November 2018 strahlte der Norddeutsche Rundfunk einen Beitrag aus, in dem der Journalist Julian Feldmann das ehemalige Mitglied der Waffen-SS Karl Münter interviewte.

Anfang des Jahres 2019 wurde Karl Münter in seiner Wohnung Opfer eines Überfalls. Im Juni 2019 hielt der Kläger zu 2) bei einem Rock-Festival eine Rede, von der Ausschnitte veröffentlicht wurden. Den Medienbeiträgen ließ sich entnehmen, dass er im Rahmen seiner Rede wörtlich sagte: „Gut hinhören, Presse: Der Revolver ist schon geladen, Herr Feldmann“.

Der Kläger zu 1) zeigte bei der Beklagten eine für den 23. November 2019 geplante Versammlung in Hannover zu dem Thema „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze – Feldmann in die Schranken weisen!“ unter Beteiligung des Klägers zu 2) als Redner an.

Mit Bescheid vom 22. November 2019 untersagte die Beklagte Redebeiträge des Klägers zu 2) auf der für den Folgetag geplanten Versammlung. Sie begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass aufgrund der ihr vorliegenden Erkenntnisse – unter anderem seines Auftritts im Rahmen des Festivals im Sommer – mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass der Kläger zu 2) strafbare Äußerungen im Rahmen der Versammlung tätigen werde.

Die Kläger haben gegen diesen Bescheid im Dezember 2019 Klage erhoben. Sie begehrten die Feststellung, dass das gegen den Kläger zu 2) verhängte Redeverbot rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung trugen sie unter anderem vor, die Äußerung des Klägers zu 2) über den geladenen Revolver sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Der Satz sei in einen satirischen Kontext eingebettet gewesen und habe auf die Korpulenz des Journalisten angespielt. Ihm sei metaphorisch vorgeworfen worden, er habe den Revolver durch seine augenscheinlich falsche Ernährung selbst geladen.

Die 10. Kammer der Verwaltungsgerichts Hannover ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Redeverbotsverbotsverfügung hätten hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Kläger zu 2) als Redner auf der für den 23. November 2019 geplanten Versammlung strafbare Äußerungen tätigen würde. So hätten die Kriminalbehörden der Beklagten im Vorfeld Erkenntnisse über den Kläger zu 2) mitgeteilt, aus denen sich ergebe, dass er seit 2003 strafrechtlich im politisch motivierten Bereich in Erscheinung trete. Es handele sich bei diesen Straftaten hauptsächlich um Volksverhetzungen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Einen gewichtigen Anhaltspunkt habe zudem seine Rede im Rahmen des genannten Rock-Festivals dargestellt, bei der er den Journalisten namentlich adressiert habe, gegen den sich auch die streitgegenständliche Versammlung gerichtet habe. Die dort getätigte „Revolver“-Äußerung habe durch die vorgeschobene Einbettung in einen satirischen Kontext nichts an ihrer Bedrohlichkeit eingebüßt. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger zu 2) den sich an den Satz „der Revolver ist schon geladen Herr Feldmann“ anschließenden, nach außen scheinbar relativierenden Passus lediglich aus taktischen Gründen gewählt habe, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Redeverbotsverfügung sei gegen den Kläger zu 2) wegen dieser Äußerung auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Bedrohung anhängig gewesen. Die spätere Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Schließlich habe eine enthemmte und bedrohliche Stimmung gegen Journalisten geherrscht. Dies habe sich unter anderem daran gezeigt, dass im Zusammenhang zu der geplanten Versammlung in den sozialen Medien zu „Rache für Karl“ und der Sammlung von Informationen und Fotomaterial über unliebsame Journalisten aufgerufen worden sei.

Gegen die Entscheidung steht den Klägern die Möglichkeit offen beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die Zulassung der Berufung zu beantragen.